Die Zeit geht mit der Zeit! Und zwar bereitwillig, mit der Zeit der Seehofers und Salvinis. Sie gönnt sich in der aktuellen Ausgabe auf Seite 3 ein Pro- und Contra nichtstaatliche Seenotrettung, der ursprüngliche Titel in der Onlineausgabe (rücksichtsvoll hinter der Paywall versteckt inzwischen öffentlich zugänglich) lautete „Seenotrettung: Illegaler Shuttleservice„.
Hätte ich es in den gut 30 Jahren Leserschaft je zu einem Zeit-Abo gebracht, hätte ich es gestern gekündigt. Weil ich es für journalistisch unredlich und politisch fahrlässig halte, egal welche Rettung aus Seenot als diskussionsfähiges Thema zu behandeln. Weil ich es hinterfotzig finde, den von rechtsradikalen Politikern ohnehin schon kriminalisierten NGOs noch auf so perfide Weise in die Kniekehlen zu treten. Und weil ich nicht dafür zahlen wollte, daß Die Zeit die Festung Europa legitimiert, die unantastbare Menschenwürde begrabbelt und dem bürgerlichen Rechtsradikalismus im deutschsprachigen Raum auf den Weg hilft.
Das Pro ist von Caterina Lobenstein und nicht weiter auffällig, das Contra hat es in sich. Es stammt von Mariam Lau, über die ich mich schon öfter aufgeregt habe und deren Drift ins Rechtsäußere, Inhumane immer weiter fortschreitet. Sie war vor einer Weile mit dem religiösen Oberhaupt der Lubawitscher auf der Neuköllner Sonnenallee unterwegs an der Front auf der (unerfolgreichen) Suche nach muslimischem Antisemitismus und ist nicht Neukölln, so ist eben Kreuzberg und zwei grüne Welten der Hort allen Übels. Sie gruselte sich wohlig im Kubitschek’schen Ziegenkäse und titelte ihren Besuch in Schnellroda in Die Zeit mit Eigentlich alles wie im Wendland. Sie saß auf Edathys Bettkante und fernurteilte und -diagnostizierte, was das Zeug hielt, Zeit-Titel: Der Fall Edathy: Wer die Schuld trägt. Highway to Hell.
Sie hat einen eigenwilligen Stil, in ihren Texten gibt es immer eine Menge an einzwei Fakten festgezurrtes Gemeine und Geraune, oft benutzt sie Dritte als ihre Handpuppe und läßt die aussprechen, was sie selbst dann lieber doch nicht hinschreibt. Das muß sie aber auch gar nicht, denn sie läßt ihren Lesern stets reichlich Raum für rechtspopulistische Kurz- und Fehlschlüsse.
Mariam Lau ist eine eloquente, kluge Frau. Jedenfalls klug genug, um einen knappen Fingerbreit unterhalb einer erfolgversprechenden Beschwerde beim Presserat zu segeln. Das fand gestern abend auch Die Zeit wichtig und klärte ihre dummen Leser auf:
Wir bedauern, dass sich einige Leser in ihrem ethischen Empfinden verletzt gefühlt haben, und dass der Eindruck entstehen konnte, die ZEIT oder auch Mariam Lau würden einer Seenotrettung generell eine Absage erteilen.
Dies ist nicht der Fall.
Sabine Rückert
Bernd Ulrich
Das ist der blanke Hohn, denn Mariam Laus Haltung zu Recht, Flucht, Migration, Asyl ist weder mißverständlich noch neu. Im Deutschlandfunk verkündete sie im vergangenen November in Kenntnis der schrecklichen Situation in Libyen: „Es gibt keinen anderen Weg als Abschreckung“ – knapp zusammengefasst: Europa ist von Feinden umgeben und Flüchtlinge/Migranten sind an allem schuld, u.a. an rechtsradikalen Regierungen und am Brexit.
Aber zu ihrem launigen Contra-NGO-Seenotrettung in Die Zeit:
Das Ertrinken im Mittelmeer ist ein Problem aus der Hölle, ein politisches Problem, zu dessen Lösung die private Seenotrettung null und nichts beizutragen hat. Denn Politik besteht eben nicht darin, das vermeintlich Gute einfach mal zu machen, sondern darin, die Dinge im Zuammenhang zu betrachten und auch die Nebenwirkungen gut gemeinten Handelns.
Ich bin ziemlich sicher, daß knapp Nicht-Ertrunkene die Dinge im Zusammenhang ein klein bißchen anders sehen als Mariam Lau und den Beitrag der nichtstaatlichen Seenotretter für alles andere als null und nichts halten. Lau aber läßt nicht nur die Flüchtlinge/Migranten (von den Fluchtgründen fange ich jetzt gar nicht erst an), sondern auch die Situation im Mittelmeer komplett außen vor. Nichtstaatliche Seenotretter sprangen erst ein, als die europäische staatliche Seenotrettung zurück gefahren wurde. Aktuell rettet kein einziges NGO-Boot Menschen vor dem Ertrinken im Mittelmeer, nachdem x Boote beschlagnahmt und Besatzungen angeklagt wurden. Nicht nur die NGO-Schiffe können in Italien nicht mehr ausschiffen, auch Handelsschiffe und die italienische Küstenwache sind angewiesen, Flüchtlinge/Migranten der libyschen Küstenwache zu überlassen.
Das nennt sich Refoulement und ist verboten. <-Das ist ein Problem aus der Hölle, wenn man schon Anglismen unbedingt ins Deutsche übertragen muß – die Aufweichung von internationalem Recht mit Hilfe der 4. Gewalt, die sich in Person von Mariam Lau ganz offenbar buchstäbliche Gewalt herbeiwünscht. Dazu empfiehlt sich Klitterung und blanke Lügen:
Und der Zusammenhang ist leider so: Die Retter sind längst Teil des Geschäftsmodells der Schlepper. Die New York Times veröffentlichte 2016 eine Grafik, in der man einen Zusammenhang zwischen der Nähe der Rettungsschiffe zur libyschen Küste und der Zahl und Qualität der Flüchtlingsboote sehen kann. Was die italienische Küstenwache vermag, das können de Schlepper auch: einen Radar lesen. Schlepper kennen die Namen und Kapazitäten der NGOs, sie brauchen gar keinen direkten Kontakt, um ihre Planung auf sie auszurichten. Je mehr gerettet wird, desto mehr Boote kommen – so einfach ist das, und so fatal.
Ich habe eine ganze Weile in der New York Times herumgesucht und fand diese Grafik (von 2017, keine Ahnung, ob Lau die meint). Sie hätte aber gar nicht so weit laufen müssen, um Fakten in Erfahrung zu bringen, denn Zeit Online/Die Zeit brachte am 19.7.2017 eine säuberliche Recherche: Weniger Helfer bedeuten mehr Tote, daraus:
Im März 2017 veröffentlichten Elias Steinhilper und Rob Gruijters von der Universität Oxford eine Studie, in der die Rettungsaktionen im Mittelmeer über mehrere Perioden hinweg miteinander verglichen wurden. Ihr Ergebnis: Verstärkte Rettungsaktionen führen keineswegs zu vermehrter Flucht. Der Vorwurf, mehr Retter produzierten mehr Flüchtlinge, ist demnach falsch. Ebenso die Formel, dass mehr Rettungsboote mehr Flüchtlinge anlocken würden. Den einzigen Zusammenhang, den Steinhilper und Gruijters fanden: Es gibt weniger Tote, wenn mehr Retter auf dem Meer unterwegs sind.
Lesen Sie den Artikel ganz, der lohnt sich, denn er zeigt auch den Zusammenhang zwischen dem Rückzug aus der staatlichen Seenotrettung ab Mare Nostrum und den allein deswegen notwendig gewordenen NGOs, ebenso frühere Versuche der Kriminalisierung nichtstaatlicher Seenotrettung anhand der Cap Anamur.
Laus Versuch, die NGOs zu kriminalisieren, kann also als widerlegt gelten. Aber vielleicht stehen ja die Schlepper und deren Geschäftspraktiken im Fokus ihres Werte- und Rechtsgebäudes? Dann wäre ihr allerdings anzuraten, sich mit dem Thema zu beschäftigen – allein schon, um dumme Logikfehler zu vermeiden. Denn den Schleppern in Libyen ist es gleichgültig, ob Flüchtlinge/Migranten gerettet werden oder nicht. Deswegen werden die Plätze in überfüllten Schlauchbooten vorher bezahlt. Seit keine NGO-Schiffe mehr unterwegs sind, ist die Zahl der Toten sprunghaft angestiegen, allein im Juni auf 629 Ertrunkene und das sind nur die, von denen man weiß. Wären die NGOs also tatsächlich Teil des Geschäftsmodells der Schlepper, hätten die Schlepper kaum noch Boote losgeschickt, denn allzu viele Tote sind schlecht fürs Geschäft und anderweitige Verwendungen für die in Libyen Festhängenden fände sich allemal.
Bei Schleppers werden allerdings angesichts der europäischen Refoulement-Politik die Korken geknallt haben. Denn was ist lukrativer als 1x Versklavung/Schleppung? Genau, das mit ein- und denselben Flüchtlingen/Migranten unter Billigung/Finanzierung der EU gleich mehrfach machen zu können. Die Festung Europa muß man als ambitioniertes Schlepper-Konjunkturprogramm begreifen.
Wer in Not ist, muß gerettet werden, das schreibt das Recht vor und die Humanität. Beide schreiben allerdings nicht vor, dass Private übernehmen, was die Aufgabe von Staaten sein sollte. Wie problematisch das ist, wird schnell deutlich, wenn man das Prinzip einmal auf ein anderes Feld überträgt: Es gibt immer mehr Wohnungseinbrüche und Überfälle, die Polizei ist zu schlecht besetzt – warum nicht private Ordnungskräfte sich selbst einsetzen lassen?
Das ist ein Vergleich, der nicht bloß hinkt, sondern schon auf allen Vieren kriecht. Nicht nur, daß es bewußte national- und europa-politische Entscheidungen sind, nicht in die Seenotrettung oder gar in die Bekämpfung der Fluchtursachen, sondern in Abschottung zu investieren – von einem schicksalhaften „zu schlecht besetzt“ kann also gar keine Rede sein. Sondern es ist auch eine infame, journalistisch unredliche Unterstellung, die NGOs – deren Einsätze bis vor kurzem exklusiv vom MRCC in Rom aka staatlich koordiniert wurden – hätten auch nur irgendetwas mit Selbstjustiz und Bürgerwehr gemein. Übrig bleibt, für Mariam Lau zu hoffen, daß sie nicht mal irgendwo in der Hüchte wohnt, wo es nur eine Freiwillige Feuerwehr gibt, die angesichts ihres brennenden Hauses und in Erinnerung ihrer Infamie eine Pro-/Contra-Löschen-Frage diskutieren möchte.
Ihr Verständnis von Menschenrechten ist absolut kompromisslos.
Welches andere Verständnis der universal gültigen, unteilbaren, unveräußerlichen Menschenrechte ist denn bitte für Demokraten denkbar, als ein absolut kompromissloses? Mariam Lau scheint ihrerseits über genügend Menschenrechte zu verfügen, wozu also brauchen auch noch andere Menschen die gleichnamige Würde und ein Recht auf Rechte – so, fürchte ich, muß man ihren Artikel lesen.
Leider wirken die Aktivisten aber auch an der Vergiftung des politischen Klimas in Europa mit. In ihren Augen gibt es nur Retter und Abschotter; sie kennen kein moralisches Zwischenreich.
Hm, bestimmt. Nichtstaatliche Seenotretter schöpfen aus dem Wörterbuch des Unmenschen und sie führen den Wählern rechtsradikaler Parteien den Stift in der Wahlkabine. Denn Abschottung gegen Asylsuchende, andernfalls Rechtsradikalisierung ist – according to Mariam Lau – ein Naturgesetz. Laus Suche nach Schuldigen nenne ich nicht nur ein moralisches, sondern auch ein journalistisch und rechtlich höchst zweifelhaftes Zwischenreich und würde es lieber nicht genauer kennenlernen.
An der Vergiftung des politischen Klimas scheint mir primär Mariam Lau interessiert. Bloß warum? Glaubt sie ernstlich, die heutigen und noch kommenden Faschisten würden sie verschonen, weil sie ihnen so schön auf den Weg geholfen hat?
Mariam Lau ist Ex-Flüchtling, sie ist Bahman Nirumands Tochter. Die Zeit, Mariam Lau (2015) – Vater Courage
Mein Vater ist ein Flüchtling. Ich hatte das völlig verdrängt. Wenn wir in Redaktionskonferenzen über das Thema Flüchtlinge reden, gehöre ich eher zu den Reaktionären. Ich mache mich für Abschiebungen stark, ich kann es nicht leiden, wenn so getan wird, als wäre nach oben offenes Asyl irgendwie kein Problem und als koste uns das alles gar nichts. …
Das hätte mich schon auf die Idee bringen können, dass da was im Busch ist mit mir und den Flüchtlingen. Dass es nicht einfach um politische Ansichten geht.
Mein Vater, Bahman Nirumand, war einst Deutschlands berühmtester Flüchtling. Hierhin war er in den sechziger Jahren aus dem von Schah Reza Pahlevi regierten Iran geflohen. Am Tag bevor der Schah im Juni 1967 die Deutsche Oper in Berlin besuchte, stand mein Vater im Audimax der Freien Universität und schrie seine Wut gegen das Regime in seiner Heimat hinaus. Bei der Demonstration am Tag darauf wurde der Student Benno Ohnesorg erschossen – die Initialzündung für die Studentenbewegung von 1968. Mein Vater wurde zu einer ihrer Galionsfiguren. Im Jahr 1979, nachdem die Mullahs den Schah gestürzt hatten, kehrte Bahman Nirumand jubelnd in den Iran zurück. Als zwei Jahre später die iranische Revolution endgültig in eine Diktatur kippte, musste er erneut fliehen. Diesmal kam er gebrochen und enttäuscht nach Deutschland.
Aus ihrer Kurzbiografie bei Zeit Online: Geboren in Teheran/Iran, 1962. Umzug der Familie nach Deutschland 1965, erst Tübingen, dann Berlin, mitten hinein in die Studentenbewegung. Aus Protest Krankenschwester gelernt und bis 1987 begeistert praktiziert, dann Abendschule, Studium der Amerikanistik in Berlin und Bloomington/Indiana.
Wie sie über andere Flüchtlinge/Migranten schreibt, kann man lesen. Wie sie über jemanden schriebe, der Asyl in Deutschland erhielt, zwecks Revolution in sein Herkunftsland zurückkehrte, erneut fliehen und um Asyl bitten mußte und nicht ihr Vater ist, stelle ich mir lieber gar nicht erst vor.
Zum öffentlichkeitswirksamen Messen mit zweierlei Maß und zum Gegrabbel an der Menschenwürde muß man privilegiert sein und ich glaube nicht, daß Boat People jemals ihre Flucht über das Mittelmeer als „Umzug“ und ihr Ertrinken als „Problem aus der Hölle“ beschreiben würden.
Die Zeit entstellte sich gestern einmal mehr zur Kenntlichkeit und Heribert Prantl hat in seiner Antwort darauf recht: Die Würde des Menschen ist unantastbar. Dieser Satz muss der sicherste aller sicheren Sätze sein und bleiben.
Bild: Screenshot bei Twitter
Weil das schon wieder so ein ewig langer Blog geworden ist, habe ich zwei mir wichtige Punkte ausgespart: zum einen die feinsinnige Frage, was denn wäre, wenn die europäischen Grenzen offen wären, bei Mariam Lau:
Zur Lektüre empfiehlt sich ein Artikel aus brand eins – Was wäre, wenn …
… alle Grenzen offen wären? und ansonsten empfiehlt sich das Überdenken vermeintlicher Naturgesetze und ein bißchen weniger Angstlust und Katastrophitis.
Zum anderen habe ich die afrikanischen Staaten ausgespart, für die ich aber heute zu platt bin, morgen oder so.
Danke wieder für deine … wie soll ich sagen, Sisyphus-Arbeit?
Ach, sehr gern. Ich muß mit meiner Ermüdung an der immergleichen menschenfeindlichen Scheiße und am Zorn darüber ja irgendwo hin.
Insofern und umgekehrt: vielen Dank für Ihr treues Lesen und Ihr Danke…;-)…
Schauschau, der Deutschlandfunk hilft Mariam Lau bei den Erklärungen ihres Contra-Dings – Anke Schäfer in einem halbstündigen Gespräch mit Mariam Lau. Spoiler: war fast alles gaaanz anders gemeint. Es gibt offenbar nicht nur dumme Zeit-Leser, denen man nachträglich erklären muß, daß Mariam Lau gar nicht durch Ertrinkenlassen abschrecken will, sondern auch dumme dradio-Hörer. Stellt sich bloß die Frage, warum sie es nicht anders geschrieben hat, wenn sie es anders meint, als sie allgemein verstanden wurde.
Ich wundere mich ein wenig über die Medienschelte. Die Zeit ist doch nun offensichtlich das Blatt des wohlsituierten Bildungsbürgers, welcher Konfliktscheu als Konsensorientiertheit tarnt und darüber hinaus in erster Linie an Statuserhalt interessiert ist.
Gegenüberstellungen, darunter auch Pro-/Contra-Diskussionen, sind eine prominente und oft interessante Rubrik in Die Zeit und wenn ich die Zeitung mal für irgendetwas gelesen und geschätzt habe, dann für Meinungsvielfalt und für so kontroverse wie interessante Beiträge. Ich habe früher leicht eine Woche gebraucht, um Die Zeit ganz zu lesen, heute ist das in 3 Stunden passiert und ich bezweifele seeehr, daß ich soviel schlauer geworden wäre. Sondern die journalistische Qualität hat (sukzessive nach dem Verkauf an Holtzbrinck) abgenommen, zugunsten des wirtschaftlichen Erfolges in Form der Annäherung an die Insassen der Business Class Lufthansa und an alle, die dort auch gerne sitzen würden.
In meinem Blog hat Medienschelte sogar eine eigene Kategorie, namens Medien. Will sagen: ich rege mich öfter mal über Medien und/oder Journalisten auf. Weswegen ich mich wundere, daß Sie sich wundern.
Leicht erklärt: Ich erinnere mich nicht mehr so wirklich an die Zeit, als sie noch gut war. Ein wenig schon, aber die gute alte erscheint mir in nicht ganz so hellem Glanz.
Ebenfalls Dank für die guten Zusammenfassungen und Recherchen.
Dazu ein Zückerchen aus den Reihen der CDU:
„Wenn 500 Millionen Europäer keine fünf Millionen oder mehr verzweifelte Flüchtlinge aufnehmen können, dann schließen wir am besten den Laden ›Europa‹ wegen moralischer Insolvenz.
Norbert Blüm (CDU).“
Quelle: JW heute.
Hier der gesamte Gastbeitrag von Norbert Blüm in der Süddeutschen – Wo, C, bist du geblieben?, daraus der Kontext Ihres Zitates:
Mariam meint:
„Diese fragwürdige Kausalkette geht nicht nur davon aus, dass die Bewohner ehemaliger Kolonien für nichts verantwortlich sein können – nicht mal für ihr eigenes Unglück –, sondern sie geht auch mit einer gewaltigen Selbstüberhöhung einher: Manche Seenotretter vergleichen sich unerschrocken mit den Fluchthelfern der DDR oder gar mit jenen, die im Zweiten Weltkrieg Juden gerettet haben.“ (aus dem Artikel von Frau Lau)
U.a. im Punk-Fanzine „Plastic Bomb“ (Print) ist seit einigen Ausgaben regelmäßig ein Bericht von Leuten, die auf der „Seawatch“ sind/waren. Also nix „ich bin mal zwei Wochen mitgeschippert und hab den Aktivisten blöde Fragen gestellt“ sondern eher Beschreibung der Ohnmacht. Selbstüberhöhung las ich weder da noch in Blogs von Aktivist*innen. Der Vergleich ist legitim!
Und mal am Rande; wenn ein Journalist in der Print-Ausgabe auf ne Quelle hinweist (also die ominöse NYT-Graphik), muß sie*er auch die Ausgabe nennen, die Zeitung erscheint an mehr als 300 Tagen pro Annum, im www kann und muß dann auch ein Link hinterlegt werden…
Christian Jakob kommentiert in der taz drei Punkte aus Laus Contra-NGO-Seenotrettung, auf die ich im Blog gar nicht eingegangen bin:
Jo, hatt ich vorhin vergessen zu verlinken; gestern gelesen. Mensch könnte sich ganz naiv auch mal die Frage stellen, warum die Schiffe „Seawatch“ und „Seaeye“ heißen und ned „Searescue“ o.ä. …
In der taz gibt’s noch einen lesenswerten Kommentar, von Bernd Pickert – Die schleichende Selbstaufgabe
Was soll ich von einer Frau halten die für ihrer inhumanen Haltung frenetisch von der Jungen Freiheit (kein Link von mir) gefeiert wird?
Genau, nix!
Stichworte: „linksliberales Milieu“ im Zusammenhang mit…gähn…“Gesinnungstaliban“…
Hm, man muß sich nicht mal die junge Freiheit nehmen, es reicht auch schon die Neue Zürcher Zeitung (die ich mal gern gelesen habe, u.a. wegen ihrer Auslandskorrespondenten wie z.B. Monika Bolliger) – Wem helfen die Retter im Mittelmeer? Den Schleppern oder den Flüchtlingen? Schon die Frage zu stellen, reicht, um einen Aufschrei auszulösen
Hannah Beitzer hat übrigens noch ein paar Worte zum „Arsch“ geschrieben:
Sign.
Der Kommentar in der nzz geht mit der Mär vom „unaussprechlichen sprechen“ (wobei die Hater schon seit Jahren aus allen Kanälen gröhlen) und dem „wohl noch sagen dürfen“, aka „realistischen“, hausieren.
Wissen Sie was meine beiden hassenswertesten Unwörter sind? Das sind „Denkverbot(e)“ und „Tabubrecher/in“, da kotze ich so im Strahl.
‚tschuldigung, Antwortsfunktion nicht beachtet. 😖
Am Rande des Themas, aber extrem lesenswert – Fintan O’Toole, Irish Times – Trial runs for fascism are in full flow. Babies in cages were no ‘mistake’ by Trump but test-marketing for barbarism
Als Test-marketing für Barbarei muß man nicht nur die regelmäßigen Tabubrüche der Seehofers, Söders, Weidels, von Storchs, Gaulands, Höckes verstehen, sondern schon auch, daß/was Mariam Lau in Die Zeit meint.
Die Zeit bemüht sich (ein bißchen) um’s Kriegen der Kurve, nachdem man offenbar bemerkte, daß nicht nur einige Leser ihre Zeit-Abonnements nicht mit ihrer Ethik überein bringen konnten und erstere gekündigt haben, Christian Bangel – Gibt es falsche Fragen?
Schon ein paar Tage her, aber nichtsdestotrotz aktuell: Thomas Stadler – Irrsinnig und menschenverachtend
Matthias Schwarzer, Neue Westfälische – Spott über Abschiebungen und Suizide: Ihr widert mich an
„Gibt es falsche Fragen?“
Das war die (online) Pro/Contra-Frage: „Private Helfer retten Flüchtlinge und Migranten im Mittelmeer aus Seenot. Ist das legitim?“
In nem Debattierclub wäre wohl die Pro-Antwort ne 4-, die Contra-Antwort Thema verfehlt.
„In Seenot Geratene sind hilfsbedürftig“ als Argument müsste sowohl bei „Pro“ als auch bei „Contra“ auftauchen, und da isses egal, ob die nun in der Adria auf der Luftmatratze eingepennt oder aus anderen Gründen mit anderen nichtgeeigneten Fahrzeugen auf hoher See unterwegs sind. Bei „Pro“ fehlt z.B. daß auch die deutsche Seenotrettung privat ist (https://de.wikipedia.org/wiki/Deutsche_Gesellschaft_zur_Rettung_Schiffbr%C3%BCchiger) und die im Mittelmeer quasi legitimiert werden müsste; bei „Contra“ kann mensch mit der speziellen Situation argumentieren und ne von der EU organisierte und durchzuführende Seenotrettung fordern. Da ist meinetwegen auch das Argument mit der Küstenwache afrikanischer Staaten erlaubt, nur erledigt sich das bei failed states wie Libyen (und Tunesien?!?, liegt näher an den italienischen Inseln) selber.
Ich hab keine 150 Worte für Pro UND Contra gebraucht, Frau Lobenstein und Frau Lau die Frage nicht hinterfragt (Betriebsblindheit?!?) und Zeilen geschunden…
Am besten wird wohl sein, Sie schlagen Ihre umgehende Anstellung bei Die Zeit vor.
Die ursprüngliche Frage online sah übrigens so aus. Später wurde daraus „Private Helfer retten … Oder lassen wir das?“ und noch später das von Ihnen zitierte „Ist das legitim?„.
Als Chef vom Debattierclub? Kommt drauf an was die zahlen haha…
Rumbasteln an Überschriften ist auf Jeden unprofessionell.
Ob/Radikale Heiterkeit beschäftigte sich ebenfalls mit Mariam Lau – Ethik gerettet, Debatte ersoffen
(Rest gelöscht, da inzwischen überflüssig, dvw)
Liebe Dame, danke für die Auseinanderklamüserung.
O wie schön, Sie mal wieder hier zu lesen! (leider bin ich ja zum Kommentieren Ihres Blogs zu blöd, lese ihn aber ausgesprochen gern…;-)…
Ich lese fleißig und gerne hier mit ;) Tatsächlich fühle ich mich selten befugt, zu kommentieren. Außer Ihnen zuzustimmen und danke zu sagen für die Mühe, die in Ihren Texten steckt.
Seit DGSVO können manche bei mir nur noch anonym kommentieren, aber wenn Sie DvW drunter schreiben, weiß ich ja, dass Sie es sind.
O bitte fühlen Sie sich jederzeit zum kommentieren befugt! Dann komme ich mir vielleicht auch nicht mehr ganz so komisch vor mit der ganzen Monologisierei…;-)…
„leider bin ich ja zum Kommentieren Ihres Blogs zu blöd“
So als Tip am Rande: Ähnliche Probleme hatte ich bei anderen Google-betriebenen Blogs ebenfalls wie bei den „Fliegenden Brettern“.
Eine Krücke ist es, in den Antwort-Frame einen Rechtsklick zu machen, diesen dann in einem neuen Tab /Fenster zu öffnen und dort zu schreiben. Leider müssen bei Verwenden von Scriptblockern die Skripte von Google inklusive gstatic (sonst kommt die Bot-Abfrage nicht) und die des eigentlichen Blogs freigegeben werden – Daten sind halt Geld, aber so klappt zumindest bei mir das Absenden der Beiträge:-(
Wenn im Absendefeld das Google-Konto nicht funktioniert, so man denn eines besitzt, dann bleibt nur die Auswahl Name/URL und das läuft in der Regel auch nur mit dem Namen.
Testen Sie das mal so an und Annika wird sicher im Zweifel den Beitrag auch wieder löschen, falls es nur dem Testen selber dient;-)
Haha, höchstwahrscheinlich bin ich doch nicht zu blöd, sondern die frühere WordPress-Blogspot-Verbindung war ein Scheiß. Nachdem die aber ohnehin entfallen ist (vermutlich im Rahmen der DSGVO), kommentiere ich bei Annika ab jetzt anonym und schreibe dann eben meinen Nick darunter. Danke für Ihre Tips!
Und noch ein bißchen Lese:
Dietmar Dath, FAZ – Feuer und Wasser
Klaus-Dieter Altmeppen ärgert sich im Interview mit Nicole Dittmer, dradio über Die Zeit/Mariam Lau – „Es ist eine Frage von Humanität und Menschenwürde, Leben zu retten“
Hören Sie sich den Beitrag an, lohnt.
Tomasz Konicz, Telepolis – „Absaufen!“ – Pro und Contra (links nicht eingepflegt)
Bei MEEDIA gibt’s eine knappe Zusammenfassung der unterschiedlichen Positionen zu Laus Meinung, bei Vice die Gründe, warum Seenotretter die Menschen nicht einfach zurück nach Libyen bringen und beim Bildblog wird der Mythos entzaubert, es hätte Morddrohungen gegen Mariam Lau/Journalisten gegeben – was das aktuelle Niveau der Debatte umschreibt.
(Rant gelöscht, da sowieso überflüssig, dvw)
Und sonst so?
Ralf Wohlleben wird heute das Gefängnis verlassen (weil keine Fluchtgefahr) und in Niederösterreich haben demnächst Juden, die Wert auf geschächtetes Fleisch legen, nachzuweisen, daß sie auch sonst koscher leben und sich in Listen einzutragen (von Muslimen, die halal geschlachtetes Fleisch essen, ist aus seltsamen Gründen nicht die Rede). Nein, ist kein Scherz.
Bei den Gesetzen gegen das Schächten gehts nie um das, was die vorgeben sich zu kümmern, nämlich ums Tierwohl.
Da reicht als kurzer Überblick auch der wikipedia-Artikel (https://de.wikipedia.org/wiki/Sch%C3%A4chten)
Zitat: „Bayern
Der Bayerische Landtag verabschiedete am 29. Januar 1930 ein „Gesetz über das Schlachten von Tieren“, das das Schächten von Rindern, Schweinen, Schafen, Ziegen, Pferden, Eseln, Maultieren, Mauleseln und Hunden nur nach vollständiger Betäubung zulässt. Laut Gesetz kann die Betäubung durch mechanische Apparate oder mittels Kopfschlags vorgenommen werden. Zuwiderhandlungen wurden mit Geldstrafen oder mit Gefängnis bis zu sechs Monaten bestraft.[13] Das Schächtverbot gilt als die erste antisemitisch motivierte Verletzung der Rechtsgleichheit von Juden, lange vor dem Aufkommen des NS-Regimes.[14]“
„Die Tierschutzbewegung des 19. und frühen 20. Jahrhunderts in Deutschland sah Tierversuche und Schächtung als Ausdruck einer „jüdischen“ Medizin und stellte diese in direkte Verbindung zueinander. Das Strafgesetzbuch von 1871 bestrafte nicht die Tiermisshandlung als solche, sondern nur – so vorhanden – öffentliches Ärgernis daran und war deutlich schwächer als etwa die englischen Tierschutzregelungen.[21] Dagegen liefen die in erheblichem Maße rechtsgerichteten bzw. antisemitisch orientierten Tierschutzvereine erfolglos Sturm.“
Kosher beim Fleisch bezieht sich auch auf die Haltung, so ne koshere Kuh hat vermutlich das, was so als „artgerechtes Leben“ bezeichnet wird (daß das domestiziert ned geht und keiner die Kuh fragt, was die so unter „artgerecht“ versteht, würde jetzt zu weit führen…).
„Rituell“ im Zusammenhang mit dem Schächten ist auch Blödsinn, weil das Tier wird ja nicht irgendwem geopfert oder wie in der katholischen Kirche die Hostie und der Wein quasi umgewandelt in seinem Wesen.
Ich persönlich finde davon mal ab das Schächten mit den Vorschriften, die strenger überwacht werden als in jedem Massentierhaltungsstall incl. Schlachtung, auch nicht als den Gottseibeiuns.
Und mal am Rande; jedes auf der Jagd angeschossene Tier („erschossen“ werden da die wenigsten) hat einen langen Todeskampf, komischerweise werden sich wohl die Jagdbefürworter am meisten die Hände reiben, wenns ums Schächtverbot geht…
*oops* Hab den SPIEGEL online Artikel (gestern gelesen) dazu vergessen zu verlinken:
http://www.spiegel.de/politik/ausland/oesterreich-koscheres-fleisch-nur-fuer-registrierte-juden-a-1219040.html
Da wird näher auf mögliche Auswirkungen für Muslime eingegangen.
Bei Die Zeit/Zeitonline wird’s langsam ein bißchen albern mit der Imagepflege – Gut gemeint, aber nicht gut genug
Dann kann man sich jetzt bestimmt auf bestens belegte, prominent platzierte Artikel über den Zusammenhang von Schlepperwesen und Festung Europa freuen, die in Die Zeit bisher Mangelware sind (denn nicht die NGOs kollaborieren mit Schleppern, sondern die Idee, man könne Flucht/Migration mit militärischen Mitteln und der Aufrüstung von Failed States, Diktatoren, Kleptokraten aufhalten, kann nur als ambitioniertes Schlepperkonjunkturprogramm verstanden werden). Für den lautstarken, AfD-affinen Teil des Zeit-Online-Kommentariats wäre auch eine leicht verständliche Darlegung der Rechtslage nötig – um u.a. die xfach geäußerte Forderung, NGOs/italienische Küstenwache/Handelsschiffe/alle hätten aus Seenot Gerettete *im nächsten Hafen* in Libyen oder sonstwo in Nordafrika auszuschiffen, zu entkräften.
Jaja, war ein Scherz.
Thomas Knüwer – „Die Zeit“ öffnet das Overton-Fenster
Frank Stauss – Alles ist politisch. Auch das Schweigen (links nicht eingepflegt)
Und noch ein bißchen Lese:
Nils Markwardt – Festung aus Illusionen
Mukeba Muamba, Humanistischer Pressedienst – Seenotrettung auf dem Prüfstand
Pauline Schmidt, all your sisters* – Muss man das aushalten? Ein offener Brief an die Zeit und die Journalistin Mariam Lau
Daniel Binswanger, Republik – Europas Tote
Auf den offenen Brief von Pauline Schmidt hat Mariam Lau via Facebook geantwortet.
Sehr lesenswert finde ich Populismus und Appeasement von Michael Kraske im Journalist-Magazin.
Mely Kiyak, Zeit Online an Roberto Saviano – Wir sind da, wir sind hier
Und ein Vortrag von ihr auf einer Tagung der evangelischen Akademie Ende Juni – Handlung als Haltung
BuzzFeed veröffentlicht den EU-Sicherheitsbericht über Libyen in voller Länge. Falls irgendeiner unserer Politiker/Journalisten behaupten sollte, man hätte von nix gewusst.
Forschungsgesellschaft Flucht und Migration – „Für Erste Hilfe wurden wir nicht ausgebildet“
108 Geflüchtete, die von einem italienischen Versorgungsschiff (für eine Ölplattform) aus Seenot gerettet worden waren, wurden auf Anweisung der italienischen Küstenwache nach Libyen zurück gebracht, Christian Jakob, taz:
Andrea Backhaus, Zeit Online im Gespräch mit Hanan Salah, Libyenexpertin bei Human Rights Watch – „Es gibt dort keine Menschlichkeit“
…danke, danke, danke.
Ich wünschte, ich hätte die Energie, mich so sehr in ein Thema zur vertiefen und so klug das Unrecht anzuprangern, dass da unter dem Mantel von „Bürgerliche Rechte Meinungen müssen doch Platz haben; naja, machen wir halt ein Pro/Contra draus“ verkauft wurde.
Ich lese die Zeit lange und gerne. Aber es gab schon heftige Ausfälle in den letzten Jahren. Ich denke an das Anti-Metoo-Titelblatt oder die Frage, ob man überhaupt noch Sex haben darf, jetzt wo Vergewaltigungen nicht mehr so cool sind. In solchen Momenten frage ich mich, ob ich es lieber bleiben lasse, den Medienkonsum… und zurück zu meinem angenehm im 19. Jahrhundert verhafteten Bücherregal zurückkehre.
Aber Vogel Strauss kann doch kein demokratisches Ideal sein.
Alles Liebe!
Herzlich willkommen und vielen Dank für das sehr freundliche Feedback!