„Eigentlich alles wie im Wendland“

Mariam Lau ist mal wieder on a mission, ihrer verdrucksten Abarbeitung an Weltbild und Werten ihres Vaters Bahman Nirumand (Mein Vater ist ein Flüchtling. Ich hatte das völlig verdrängt)

Diesmal hält sie zu diesem Zweck gar kein Femegericht ab, sie wagt sich auch nicht an die Front in Kreuzberg und Neukölln. Denn diesmal ist sie bei Götz Kubitschek zu Gast und läßt – wie immer – keine Gelegenheit aus, um mit den 68ern, der Anti-AKW-, Umweltschutz-, Friedensbewegung und den daraus hervorgegangenen Grünen (kaum, daß man das heute noch glauben mag) abzurechnen.

Auf Gut Schnellroda ist – according to Mariam Lau – eigentlich alles wie im Wendland.

Ein wohliger Grusel entströmt den Berichten über das Paar, das sich bei Tisch siezt, den sieben Kindern germanische Vornamen gegeben hat und den Gästen selbst gemachten Ziegenkäse serviert. Aber schon bei der Einfahrt in den Hof, bei der man aufpassen muss, nicht versehentlich ein Katzenjunges zu überfahren, stellt sich ein ganz anderes Gefühl ein: das einer verblüffenden Vertrautheit.

Ist ja auch nicht so, daß Gut Schnellroda Kaderschmiede der „Neuen Rechten“ und der Einprozent-Bewegung ist, deren identitäre Filiale zur See sich derzeit als Avantgarde deutscher und europäischer Flüchtlingsabwehr und Seenotretter-Kriminalisierung fühlen darf.

Mariam Lau erscheint der Familienbetrieb Antaios und der gastfreundliche, mit lokalen und saisonalen Herrlichkeiten gefüllte Tisch wichtiger als Antifaschismus. Denn an diesem Tisch darf sie sich auch als Flüchtlingstochter von Kubitscheks militanter Widerstandsrethorik ausgenommen und hochwillkommen fühlen, sofern sie sich Deutschland gegenüber loyal verhält.

Und das tut sie in ihrer und in Kubitscheks Welt, denn sie macht kostenlose Werbung für seine rechtsradikalen Publikationen. Man muß Mariam Lau als endlich angekommen begreifen. Anders ist ihr Biedermeier-Landlust-Journalismus und ihre Verwendung von Götz Kubitschek als O-Ton-Handpuppe (Wolfgang Wieland durfte diesmal unbenutzt zuhause bleiben) nicht zu erklären.

„Dass der journalistische Mainstream so auf uns reagiert“, sagt Kubitschek, „auf einen neuen Diskussionspartner, der langsam nicht mehr ignoriert werden kann, das hat mich nicht überrascht. Überrascht haben mich die polemischen Spitzen: dass ein Mann wie Herfried Münkler – der doch selbst unter wüsten Angriffen von links gelitten hat – jetzt mit Drohungen reagiert wie: dass Passagen in dem Buch womöglich strafrechtlich relevant seien, und obendrein andeutet, meine Frau und ich hätten das Buch geschrieben. Kein einziger Journalist einer großen Zeitung hat bei uns angerufen, um das zu verifizieren – aber alle verbreiten es weiter.“… „Ich habe selten ein so unglaublich sauberes Manuskript gesehen. Wir haben ein, zwei falsche Kommata und den einen oder anderen Schachtelsatz aufgelöst. Aber ansonsten hat uns auch der Nachlassverwalter, Raimund Kolb, der im Einvernehmen mit der Witwe Regina Sieferle handelt, im Gespräch sehr deutlich gemacht, dass da absolut nichts verändert werden darf, dass bis in die Kapitelüberschriften, die Länge der einzelnen Absätze hinein alles bleiben soll, wie es ist.“ Im Übrigen habe Sieferle, der sich 2016 das Leben nahm, früher in der ursprünglich eher linken Zeitschrift Tumult publiziert, die in den letzten Jahren auch keine Berührungsängste mit Texten aus der Neuen Rechten gezeigt habe.

Jedenfalls muss der Familienbetrieb Antaios nun eine ungeheure Nachfrage stillen. Die erste Auflage von 20.000 Exemplaren ist fast vergriffen, täglich kämen etwa 2.000 neue Anfragen, sagt der Hausherr.

Sie fremdelt zwar noch ein bißchen mit der Siezerei unter den Eheleuten und den germanischen Vornamen der Kinder, aber das wird schon. Cat Content und Kerzenlicht bei Tisch helfen ihr wieder in die Spur.

Auf einer Pegida-Kundgebung hat er einmal das Bild von der Katze und der Taube gebraucht. Eigentlich ist die Taube als Beute zu groß für die Katze. Aber weil ihr die Flügel gebrochen sind, zerrt die Katze sie die Treppe herunter. Mit jeder Stufe, auf die ihr Kopf knallt, werde sie wehrloser. Das ist Deutschland, für Kubitschek, und die Katze, das ist die politische Klasse. So hat er sich selbst erklärt, warum die große Mehrheit der Deutschen noch nicht in seinem Sinne aufbegehrt. Das haben sie 1968 auch immer gedacht: „Bewusstseinsindustrie“ nannte man das damals.

Die 68er-Bewusstseinsindustrie ist bestimmt auch dafür verantwortlich, daß erfolgreiche linke Strategien von den Nazis zu Wasser und zu Lande kopiert pervertiert werden. Mariam Lau steht jedenfalls für deren Agit-Prop (Ressort: Imoschn) zur Verfügung.

Ich fragte mich das auch schon bei Anwälten, deren Geschäftsmodell aus Inkasso, Abmahnungen, Nötigung zu Unterlassungserklärungen besteht: und für sowas wird man Anwalt? An Mariam Lau/Die Zeit lautet die äquivalente Frage: und das ist Ihre Idee einer Ausübung der 4. Gewalt im Staat?

 


Bild (beschnitten): Carl Spitzweg, Der Sonntagsspaziergang, Wikimedia Commons, gemeinfrei.

Daß ich oben im zweiten Absatz auf zwei eigene Blogs über Mariam-Lau-Artikel verlinke, ist weniger meiner unmäßigen Eitelkeit geschuldet als dem Umstand, daß Zeit Online inzwischen ihre Infamie über Edathy und ihre Frontbesuche in Kreuzberg und Neukölln anmeldepflichtig gemacht hat.


 

11 Kommentare zu „„Eigentlich alles wie im Wendland“

  1. Ja, den hatt‘ ich auch gelesen. Komische Athmosphäre, man hatte das Gefühl, die Autorin hat den Ziegenkäse noch lange nicht fertig verdaut, aber musste unbedingt vor Redaktionsschluss bißchen betroffenen Quark breitstreichen. Die Frage des Artikels allerdings halte ich für ein sehr relevante, Sie wohl auch, wie ich aus Ihrer Reaktion hier schließe.

    1. Das Schlimme am Artikel ist, daß er genauso gestrickt ist wie alle ihre anderen.
      Nämlich mit einer Handpuppe, die Mariam Laus Bauchrednerei an den Leser bringen soll. Bei Wolfgang Wieland kann ich nicht verstehen, daß/warum er sich dafür von ihr mißbrauchen läßt.

      Daß Mariam Lau aber auch Götz Kubitschek als Handpuppe verwendet, halte ich für in hohem Maß verantwortungslos. Auf diese Weise wird immer mehr der Eindruck erweckt, EinProzent, identitäre Leichtmatrosen, Elsässer, Kubitschek usw. seien Leute, mit deren Haß-Mission man sich auseinander zu setzen und mit denen man zu reden hätte. Und das ist nicht der Fall, die müssen nicht liebevoll portraitiert, sondern bekämpft werden.

      1. Das ist doch nun aber gutbürgerliche, bundesrepublikanische Tradition, das familiäre Zelt des Konservatismus am rechten Rand besonders weit und fürsorglich zu spannen. Das da irgendwas bekämpft wird, hätt ich noch nicht mitgekriegt. Nur bisher sollten die halt hübsch still im Zeltschatten sitzen und sich übers Dach freuen.

        1. Das hat was für sich, Alice Wunder. Dem linken Teil der Familie wurde gesagt „geh doch nach drüben, wenn’s dir hier nicht gefällt“. Dem rechten: Bleib schön da und lern Manieren. Raus kommen dann Frau Lau und Don Alphonso.

  2. Die größten Trottel sind die, die die Bücher und die Seminare der Familie Kubitschek kaufen und auf so nen Scheiß wie „unbequem, Meinung gegen den Zeitgeist“ von dem SPIEGEL-Journalisten reinfallen. Und warum mensch für die Nutznießer der Trottel auch noch Werbung machen muß, erschließt sich auch mir nicht.

    Im Übrigen hätte die ja den Götz in seinem kleinen Nutztierzoo photographieren lassen können, anstatt Bilder aus dem Katalog einer bekannten total auf Regionalität setzenden schwedischen Imbisskette mit angeschlossenem Krimskramsladen zu imitieren…

  3. Im Übrigen hätte die ja den Götz in seinem kleinen Nutztierzoo photographieren lassen können, anstatt Bilder aus dem Katalog einer bekannten total auf Regionalität setzenden schwedischen Imbisskette mit angeschlossenem Krimskramsladen zu imitieren…

    Das ist jetzt aber mal schön gesagt!

  4. Ich weiss, dass es von schlechtem Stiel zeugt wenn man sich über Namen lustig macht, aber ich kann mir nicht helfen, ihr Name ist Programm.
    Da lass ich mir auch gerne schlechten Stiel nachsagen.

    1. Na, soweit kommt’s noch, daß ich mir von Ihnen einen Stiel nachsagen lasse. Den schraubt man besser in einen Besen oder so…;-)…
      Fürs Kompliment sage ich dankeschön und knickse artig!

    1. Peter Nowak dazu, ziemlich zahm: Interviewt die Rechten, wo Ihr sie trefft?

      „Es geht sehr launig und zivilisiert zu in der Auseinandersetzung mit der Rechten. Gab es eine bestimmte Sorte Tee und Kuchen dazu?“ fragte eine Leserin sehr treffend. Denn obwohl der Freitag-Journalist Michael Angele seine Distanz zu den Rechten in seinen Fragen deutlich werden ließ, gelang es nicht, die medienerfahrene Kositza wirklich grundlegend aus der Reserve zu locken. Dabei bot sie genügend Anknüpfungspunkte, wo sie die Vorstellung der Gleichheit aller Menschen als langweilig bezeichnete …

      Auch die zahlreichen völkischen Bezüge in Kositzas Aussagen wurden durch das Interview selber nicht deutlich. Diese Zusammenhänge müssen erst hergestellt werden. Aber dazu hätte es auch gereicht, die schon bekannten Erklärungen und Texte von Kositza zu analysieren und zu kontextualisieren. Warum der Freitag extra ein Gespräch mit Kositza führen muss, wird nicht klar. Gilt jetzt das Motto: „Interviewt die Rechten, wo Ihr sie trefft?“ Eine antifaschistische Strategie ist das aber mitnichten.

      (Zitat um fehlende Satz- und Leerzeichen ergänzt, paar Rächtschreipfeeler beseitigt, dvw)

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