Antifa

Der Echter-Verlag in Würzburg hat ein höchst interessantes Buch herausgegeben: Christliches in der AfD

AfD – „Alternative für Deutschland“. Mit dem Flüchtlingsstrom im Jahr 2015 nahm die zwei Jahre zuvor gegründete Partei in der öffentlichen Wahrnehmung einen immer breiteren Raum ein. Inzwischen ist sie in mehreren Länderparlamenten und im Deutschen Bundestag vertreten.

Mit der Frage, wie die Partei zu ihren Mitgliedern am rechten Rand steht, ist die nach ihrer grundsätzlichen Ausrichtung, nach ihrer weltanschaulichen Fundierung gegeben.

In diesem Band geht es speziell um die Frage nach dem Christlichen in der Partei „Alternative für Deutschland“ – mit für so manchen überraschenden Erkenntnissen.

Das gut recherchierte Werk (ISBN 978-3-429-04483-1) ist im Buchhandel für 29 Euro, als E-Book für 2,90 Euro erhältlich.

Nachtrag 17h30 – Frankfurter Rundschau:

… und kommt so gut an, dass dem Verlag die 1.500 Exemplare der ersten Auflage schon ausgehen: „Aufgrund der großen Nachfrage kommt es bei dem AfD Büchlein kurzfristig zu Lieferschwierigkeiten“, teilt der Echter-Verlag auf seiner Internetseite mit. …

„Eine sachliche und umfassende Darstellung der christlichen Werte der AfD, die erfreulicherweise völlig auf die im Umgang mit dieser Partei üblich gewordene wohlfeile Polemik verzichtet. Dieses Buch steht verdientermaßen auf der Sachbuch-Bestenliste!“

Antifa ist eben nicht nur Hand- und Landarbeit, sondern auch Buchverlag.

 


 

Antifa ist auch Anwaltskanzlei.

Mir ist es schon lange ein stinkendes Rätsel, warum sich das Gedenken an den Widerstand gegen den Hitlerfaschismus im wesentlichen auf die Geschwister Scholl und die Militaristen um Claus Schenk Graf von Stauffenberg beschränkt. Falls es mal ganz besonders linksradikal werden sollte, findet vielleicht noch Georg Elser Erwähnung.

Oder haben Sie (Frage an Leser aus dem Westen) schon mal von Hans Litten gehört? Vom Anwalt, der Adolf Hitler 1931 im Edenpalast-Prozess in den Zeugenstand rief, ihn 6 Stunden lang nach allen Regeln der Kunst befragte, seine Lügen und doppelten Botschaften entlarvte und ihn aus seiner neuen staatsmännischen Rolle fallen ließ?

Im November 1930 hatten Angehörige einer Ortsgruppe der SA, der sogenannte „Sturm 33“, das Tanz- und Versammlungslokal Eden in Berlin-Charlottenburg überfallen. Ausgestattet mit Schuss- und Stichwaffen griffen sie die überwiegend der politisch links organisierten Arbeiterschaft zugerechneten Gäste an, einige werden verletzt, ein Gast schwer.

Im April 1931 wird gegen vier SA-Angehörige beim Landgericht Berlin III Anklage erhoben, je nach Tatbeitrag wegen Landfriedensbruchs, versuchten Totschlags, unerlaubten Schusswaffenbesitzes und gefährlicher Körperverletzung.

Der Jurist wollte nachweisen, dass die brutalen Überfälle von Nazi-Rollkommandos eine genau geplante Taktik der NSDAP zur Destabilisierung der Weimarer Republik darstellten. Die Vernehmung hatte zur Folge, dass gegen Hitler wegen Meineids ermittelt wurde. Er hatte sich vor Gericht gewunden und behauptet, die SA habe keine Waffen.

Hitler schwor auf die Verfassungstreue der NSDAP, doch Litten konfrontierte ihn mit Zitaten aus Pamphleten, aus denen deutlich hervorging, dass die Gewaltaktionen der SA durchaus im Sinne der Partei standen. Hitler fühlte sich derart in die Enge getrieben, dass er den Anklagevertreter wutentbrannt anschrie.

BBC hält einen Spielfilm und eine Dokumentation für uns bereit –

The Man who crossed Hitler

Hans Litten vs Adolf Hitler – How to Stop a Tyrant

Das ZDF sendete 2013 eine synchronisierte Stummelversion der BBC-Dokumentation.

Ein Jahr nach dem Prozess war Adolf Hitler Kanzler.

Unmittelbar nach dem Reichstagsbrand vom 27./28. Februar 1933 wurde Litten inhaftiert. Von den Berliner SA-Leuten als persönlich bekannter Feind angesehen, fielen die Misshandlungen besonders grauenhaft aus.

Im Februar 1934, im als hart bekannten KZ Esterwegen im Emsland, war der 30-jährige Mann längst zum Krüppel geschlagen, in den Lagern Lichtenburg und Buchenwald ließen die Misshandlungen nach. 1938, nach Dachau verlegt, verbot man Litten gleich zum Empfang, weiter an der Krücke zu gehen. Die Aussicht, von seinen Feinden gleich zu Tode gequält zu werden, veranlasste ihn wohl, sich in der Nacht vom 4./5. Februar 1938 auf dem Abort zu erhängen.

Es ist überliefert, u.a. durch den bei einer ihren zahllosen Eingaben involvierten NS-Justizfunktionär Roland Freisler, dass … jedes Bemühen von Irmgard Litten (1879–1953), ihren in der KZ-Haft brutal zugrunde gerichteten Sohn freizubitten, letztlich an der Rachlust Hitlers scheiterte.

Litten war 1 Anwalt unter 3000 allein in Berlin. Stellen Sie sich bloß mal vor, nur 1 Prozent, nur 30 Berliner Anwälte hätten so viel Rückgrat gezeigt wie Hans Litten, hätten sich im Dienst ihrer Mandanten so akribisch vorbereitet und recherchiert, hätten ein vergleichbares Rechts- und Gerechtigkeitsempfinden an den Tag gelegt.

 


 

Es kann dieser Tage kaum oft genug betont werden: Danke, liebe Antifa!

 


Bild: Max Gebhard, Max Keilson 1932, Wikimedia Commons, gemeinfrei


13 Kommentare zu „Antifa

  1. Dein Danke an Litten, den ich nicht kannte, kann ich teilen. Ein pauschales Danke an die Antifa nicht. Dazu ist es mir ein zu bunt zusammengewürfelter Haufen. Und einige von Ihnen haben ein Schwarz-Weiß denken, dass sie ihren Feinden gleich macht. Da braucht man nur die Worte austauschen. Eigene, traurige Erfahrung.

    1. Auszüge aus dem hinter Danke, liebe Antifa! verlinkten Tagesspiegel-Artikel von Sebastian Leber:

      Am Image der „Antifas“ sind ausnahmsweise nicht nur die Medien schuld, sondern vor allem sie selbst: Traditionell verschwenden sie kaum einen Gedanken daran, ihr Tun zu erklären. Wenn doch, benutzen sie unverständliche Floskeln und einen überheblichen Tonfall, der sie gleich noch eine Ecke unsympathischer macht. Die Antifa betreibt vermutlich die schlechteste Öffentlichkeitsarbeit dieses Planeten.

      Ich bin trotzdem sehr froh, dass es sie gibt. Denn wäre die Antifa nicht da, gäbe es viel mehr Nazis in meinem Leben. Dass sie im Zentrum Berlins nicht ständig mit Infotischen, Fackelläufen und Aufmärschen präsent sind, ist im Wesentlichen ein Verdienst der Antifa und ihrer Unterstützer. …

      Gäbe es den Widerstand nicht, hätten Rechtsextreme bald keine Hemmschwelle mehr, in der Öffentlichkeit zu agieren. Sie könnten ungestört Flugblätter verteilen: vor Supermärkten, vor Schulen, in Fußgängerzonen. Sie könnten Druck ausüben und anderen ihre Werte aufzwingen. … Ich bin dankbar, dass es keine Rechtsextremen sind, die über den Holocaust diskutieren möchten. Wer sagt, man müsse sich mit Nazis argumentativ auseinandersetzen, hat keine Ahnung von der Realität in ostdeutschen Provinzen.

      „Gegen Nazis protestieren ist gut, aber das kann man doch auch anders machen.“ Dieser Satz kommt meist aus dem Mund von Leuten, die überhaupt nichts gegen Nazis unternehmen. Oder Symbolpolitik machen, ohne irgendwas zu erreichen außer dem eigenen guten Gefühl. Ein Beispiel dafür ist der jährliche Naziaufmarsch in Dresden: Der wurde schon mehrfach gestoppt, weil Antifa-Gruppen zu Blockaden aufgerufen hatten. Hinterher werden aber stets die Bürger gelobt, die sich auf der anderen Elbseite im Kreis an den Händen festhielten. In der Tagesschau werden jedes Jahr die Falschen gefeiert.

      Nicht alle Linken sind gute Menschen. Es gibt ausgesprochene Dummköpfe unter ihnen, und wenn sie – jede andere Form von Gewalt ist natürlich nicht tolerierbar – Mülleimer anzünden oder Bushaltestellen demolieren, ist das ärgerlich und falsch. Aber auch zu verkraften.

      Man kann das wohl zynisch finden, aber es ist wahr: Zur Aufgabe der Polizei zählt es, gewalttätige Linke festzunehmen. Und zur Aufgabe der Antifa gehört es, unnachgiebig mit Widerstand zu drohen.

      Mich beruhigt es, in einer Stadt zu leben, die eine starke, aktive Antifa hat. Weil ich dann sicher bin, dass in meinem Kiez keine Nazis die Meinungshoheit übernehmen.

      Ach ja, übrigens: Diese Menschen machen das ehrenamtlich.

    2. Am 20. Mai – parallel zum Karneval der Kulturen – hat übrigens die AfD eine Demonstration mit 10.000 Teilnehmern angemeldet, Leila Bilge und 120db planen am gleichen Tag den zweiten Versuch „Frauenmarsch“ und es gibt für diesen Tag einen Aufruf der „Biker für Deutschland“ zu einer „Großdemo gegen die Zustände in unserem Land“.

      Wer wird’s blockieren? Genau: die Antifa.

        1. Ich hatte Ihren ersten Kommentar anders verstanden, als *nein,nein die Antifa*.
          Weil „einige von Ihnen ein Schwarz-Weiß denken haben, dass sie ihren Feinden gleich macht„.

          Ganz anders/viel schlimmer als in jeder anderen gesellschaftlichen Gruppe, in denen Schwarz-Weiß-Denker bekanntlich niemalsnienicht vorkommen, nein.

          Um meinen Standpunkt noch einmal zu verdeutlichen: weil ich aus gesundheitlichen Gründen keine rechtsradikalen Aufmärsche mehr blockieren kann, bin ich dankbar und froh, daß die Antifa das für mich tut. Dankbar und froh bin ich auch, daß die Antifa immer und bestens über rechtsradikale Aktivitäten, Orte und Protagonisten informiert ist und die Ergebnisse ihrer Recherchen freigiebig teilt. Ebenso, daß Antifaschismus ein gemeinsamer Nenner ist, der extrem unterschiedliche politische Gruppierungen verbindet und wirksam vernetzt und ich möchte mir auch lieber gar nicht vorstellen, wie es wäre, wenn besagter gemeinsamer Nenner jemals wegbräche.

          Für Sie scheint die eigene, traurige Erfahrung mit einigen Schwarz-Weiß-Denkern auszureichen, um diesen gemeinsamen Nenner gekündigt zu haben und nicht einmal den Nutzen sehen zu können, den Sie, ich, jede/r aus der unnachgiebigen Antifa-Drohung mit Widerstand zieht.
          Das wird dann wohl so sein.
          Oder habe ich Sie mißverstanden?

    1. Älteren Berlinern ist Werner Seelenbinder mindestens in Form der gleichnamigen Halle bekannt (aber die ist auch schon wieder mehr als ein Vierteljahrhundert Geschichte).

  2. „Eine sachliche und umfassende Darstellung der christlichen Werte der AfD, die erfreulicherweise völlig auf die im Umgang mit dieser Partei üblich gewordene wohlfeile Polemik verzichtet“ findet man auch unter http://www.afd-im-bundestag.de

    Die Antifa braucht Mut, Ausdauer und pfiffige Ideen. Mit vorausschauender Fantasie hat die Zeitschrift „Der rechte Rand“ sich die Domain „afd-im-bundestag.de“ gesichert bevor klar war, dass die Gauweidels dort einziehen würden. Bei Eingabe der oben angeführten url kommt man zum Antifa-Magazin.

    Dort gibt es auch zum Thema „Mit Rechten reden“ Bedenkenswertes:
    „Vielleicht sollte Kubitschek ernst genommen werden: »Unser Ziel ist nicht die Beteiligung am Diskurs, sondern sein Ende als Konsensform, nicht ein Mitreden, sondern eine andere Sprache, nicht der Stehplatz im Salon, sondern die Beendigung der Party.« Warum werden diese Kampfansagen den die Diskussio­nen Einfordernden und den Neu-Rechten nicht vorgehalten?
    1993 bewegten die ersten Diskurs-Erfolge der »Neuen Rechten« liberale PhilosophInnen und linke PublizistInnen in Frankreich zum »Appell an die Wachsamkeit«. Sie warnten, dass nur »Neu-Rechte« die Profiteure des grenzenlosen Dialogs unter dem Deckmantel des Pluralismus sein würden. Maurice Olender, der Initiator des Appells, formulierte, was heute vergessen scheint: »Man kann über alles, aber nicht mit allen reden«.

    1. Es geht nicht nur um die Entscheidung, mit wem reden und mit wem nicht mehr, sondern vor allem auch um Aufmerksamkeitsökonomie, zum Beispiel um die ständige Reinfallerei auf das braune Kalkül des Stöckchengehopses. Es ist inzwischen etablierte politische Taktik, daß Rechtspopulisten/-radikale irgendeinen maximal menschenverachtenden Satz in die Mikrofone sprechen (den sie später teilweise zurücknehmen oder sich schlimm mißverstanden fühlen) und ihnen sehr bei der Verbreitung ihrer Haßbotschaft geholfen wird, indem sich Medien und jede Menge eigentlich wohlmeinende Leute nach Kräften darüber aufregen und die Haßbotschaft wortgetreu wiederholen, gern gepaart mit der Floskel ‚Wehret den Anfängen‘.

      Statt endlich zu begreifen, daß die Zeit der Anfänge längst vorbei ist und auch, daß die deutsche Linke seit der Wende überwiegend im Wachkoma liegt, gespalten und sehr schlecht vorbereitet ist.

      Ich finde auch, daß der Großdenker zu Schnellroda beim Wort genommen werden muß – der will nicht diskutieren, der will Bürgerkrieg, Umsturz, Macht. Nichts anderem dient EinProzent. Daß viele Linke ihre Komfortzonen nicht verlassen und sich allenfalls punktuell mit rechtsradikalen Vorhaben beschäftigen, liegt daran, daß sie Angst vor der längst verlorenen Lufthoheit haben.

  3. Adrian Schulz kommentiert in der taz: Mit Nazis reden bringt gar nichts

    Erstens: Die Argumente der Nazis sind immer dieselben. Immer! Man wird nicht schlauer aus ihnen. Zweitens: Ist da auch keine „Leere“, in die laufen gelassen werden könnte. Lest doch mal Zeitung. Drittens: Macht man Nazis Platz, füllen sie den. Viertens: Muss man ihnen daher das Leben schwer machen, wo es nur geht. Das heißt auch ganz konkret: Räume blockieren, Räume besetzen. So wie in München, wo gerade 2.500 Gegendemonstranten 250 Pegida-Anhängern gegenüberstanden.

    Nazis breiten sich mit Vorliebe da aus, wo es keinen Protest gibt. Das gilt auch für Buchmessen. Fünftens: Nazis sind keine missverstandenen „Populisten“ oder gar Linke, die es zu bekehren gälte. Die wollen das genau so – rechtsextrem sein. Man muss sie deshalb sozial ächten.

  4. Das Landratsamt Hildburghausen hat das für den 8. und 9. Juni angemeldete Rechtsrockkonzert in Themar aus Naturschutzgründen verboten. Das Amt beruft sich auf Paragraf 44, Abs. 1 Nr. 2 des Bundesnaturschutzgesetzes. Danach ist es verboten, wild lebende Tiere streng geschützter Arten und europäische Vogelarten während der Fortpflanzungs- oder Aufzuchtzeiten erheblich zu stören. „Eine erhebliche Störung liegt vor, wenn sich durch die Störung der Erhaltungszustand der lokalen Population einer Art verschlechtert“, heißt es in einer Mitteilung der Behörde von Montagmittag.

    Landrat Thomas Müller (CDU) sagte MDR THÜRINGEN, bei den Vogelarten handele es sich um das Blaukehlchen, die Bekassine, den Uhu und den Wanderfalken. Diese Vögel brüteten im Schilf unmittelbar an der Konzert-Wiese und in einem Gesteinshaufen in der Nähe.

  5. Support your local Dorf-Antifa!
    Im Transit Magazin gibt’s ein Interview mit Antifa06, jungen Antifaschist*innen aus dem ländlich-südlichen Sachsen-Anhalt – „Antifa heißt Landarbeit“

    Was uns eint ist die Tatsache, dass wir alle aus Käffern im südlichen Sachsen-Anhalt kommen oder nach wie vor dort wohnen. Merseburg, Bad Lauchstädt, Leuna, alleine die Namen dieser Orte hören sich ja schon wie eine Bedrohung an. Wir wissen, was es bedeutet, als „die Zecke“ auf dem Dorf zu gelten. Viele, die nie auf dem Dorf gewohnt haben, können sich das vielleicht nicht vorstellen. Der Anpassungsdruck ist enorm hoch

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