Die Stasivorwürfe fliegen mal wieder tief. Ganz auf einer Linie liegen Kristina Schröder, Andreas Hallaschka, Hubertus Knabe, Rainer Meyer aka Don Alphonso (s.u.), Vera Lengsfeld, Birgit Kelle, Beatrix von Storch usw.usf.
Die Stasi verhört Anetta Kahane 1974 als 19jährige als mögliche Mitwisserin der Flucht einer Freundin. Sie willigt ein, Informationen über westliche Ausländer in Ostberlin zu sammeln und wird in der Folge selbst von der Stasi bespitzelt.
1982 kündigt sie die Zusammenarbeit mit dem MfS auf und nimmt den folgenden beruflichen Bruch in Kauf: das MfS nimmt sie von der Reisekaderliste, sie verliert ihre Anstellung an der Uni und erhält kaum noch Übersetzungsaufträge. 1982 stellt Kahane ihren ersten Ausreiseantrag, 1986 ihren zweiten und verläßt die DDR. In ihrer 2004 veröffentlichten Autobiografie berichtet sie ausführlich über ihre Stasi-Tätigkeit, ihren Bruch mit der DDR, über den höchst vordergründigen, staatlich verordneten Antifaschismus, die Benachteiligung jüdischer NS-Gegner gegenüber religionslosen kommunistischen Antifaschisten, den auch damit einhergehenden subkutanen Antisemitismus in der DDR und das DDR-Gebaren in armen „Bruderländern“ wie u.a. Mozambique. Ihre Stasi-Vergangenheit fliegt ihr 2002 so um die Ohren, daß sie im Oktober erklärt, nicht für das Amt der Berliner Integrationsbeauftragten (in Nachfolge von Barbara John) zur Verfügung zu stehen. Spätestens seitdem hören Hetze, Drohungen und Angriffe gegen sie und die Amadeu-Antonio-Stiftung gar nicht wieder auf.
Die Hetze gegen die Amadeu Antonio Stiftung und Anetta Kahane ist exemplarisch zu betrachten. Sie trifft derzeit viele, die sich für Demokratie, Geflüchtete und Gleichwertigkeit einsetzen. Menschen oder Organisationen werden zu „Hassbildern“ stilisiert … Im Fall von Anetta Kahane wird das Stereotyp der „jüdischen Kommunistin“ genutzt, die die wahlweise „deutsche“ oder „weiße“ Gesellschaft zersetze.
Die Wut verstärkte sich noch, als Maas im Oktober 2015 eine Task Force „gegen Hassbotschaften im Internet“ initiierte. Dazu gehört neben Facebook, Google und Twitter auch die Amadeu Antonio Stiftung, die sich seit Jahren gegen Rechtsextremismus engagiert. Dort wird vor allem die Vorsitzende Anetta Kahane als „Denunziantin“ attackiert – garniert mit dem Verweis auf ihre Tätigkeit als Inoffizielle Mitarbeiterin der Stasi in der DDR von 1974 bis 1982.
Die Kampagne gegen Kahane wurde auch durch AfD-Anhänger verbreitet und reichte bis zu Morddrohungen. Der Rechtsaußen-Autor Akif Pirincci nannte sie eine „Expertin für Verrat“, die Leute „ins Kittchen“ bringe, deren Meinung der Regierung nicht passe.
Dabei blieb es nicht. Mitte Februar legte ein rechter Ableger des Hackernetzwerks Anonymous mit Netzattacken für eine Stunde die Server des Justizministeriums, einiger Parteien und der Antonio-Stiftung lahm. Vor einer Woche dann schlugen die Identitären vor der Stiftung auf. Im Internet wurden danach Namen von Mitarbeitern veröffentlicht, dazu der Verweis: „Alles Weitere ergibt sich selbst.“
Ein vergleichsweise harmloses Beispiel liefert Beatrix von Storch am 10.12.16 bei Facebook:
Wir zahlen Steuern, um damit im Auftrag des Justizministeriums eine stasigeführte Behörde zu bezahlen, Propaganda gegen uns zu machen? Ich schlage vor zu prüfen, ab wann Steuerhinterziehung aus Notwehr gerechtfertigt ist. Kann doch nicht sein, dass ich mit meinem Geld Propaganda gegen mich selbst bezahlen muss.
Na klar: was Hetze und was Propaganda ist, bestimmt allein Frau von Storch, ganz in alter Familientradition.
Gleich die zweite Abarbeitung in 5 Tagen (an Berlin sowieso, speziell an Andrej Holm und diesmal auch an Anetta Kahane) kommt von Rainer Meyer also known as the Schirrmacher-Irrtum ‚Don Alphonso‘, in gewohnter Bescheidenheit: „Icxh hatte halt noch die Bilder und das ist mir dazu eingefallen. Wie immer.“ (so der Meister am 12. Dezember 2016 um 17:44 Uhr in einem Kommentar)
Der Sozialismus hat uns nicht nur Stasi-Mitarbeiter vom Format eines Andrej Holm oder einer Anetta Kahane gegeben, die ein paar lumpige Ostmark oder gar Kuchen für ihre Dienste annahmen, sondern auch den Niedergang einstmalig privilegierter Lebensformen. Man spricht da von gefallenem Kulturgut, und kaum ein Kulturgut ist so gefallen wie meine Gruppe innerhalb der besseren Gesellschaft.
Meyers ersten Wortschwall hat Genova schon gewürdigt: Don Alphonso, die FAZ und die extremistischen Zirkel
Damit zu Andrej Holms Stasi-Vergangenheit: er unterschreibt als 14jähriger im Beisein seiner bei der Stasi beschäftigten Eltern eine Bereitschaftserklärung, nach der Schule Berufsoffizier im Ministerium für Staatssicherheit zu werden. Er wird mit 18 Offiziersschüler beim Stasi-Wachregiment Feliks Dzierzynski, ist kein halbes Jahr offizieller Mitarbeiter der Stasi und verschweigt seine Stasivergangenheit zu keinem Zeitpunkt.
Andrej Holm wird im Sommer 2007 unter einem an den Haaren herbeigezogenen Verdacht auf ‚Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung‘ verhaftet (er hatte den Begriff „Gentrifizierung“ benutzt) und er und seine Familie werden jahrelang (auch nach Einstellung des politisch motivierten Verfahrens 4 Jahre später) überwacht, möglicherweise ist das immer noch der Fall.
Robert Ide, ein Journalist des Tagesspiegel (den ich eigentlich bislang für eine weitgehend seriöse Zeitung hielt) auf Twitter:
Vom Wachregiment in den Senat: Die Stasi-Vergangenheit des designierten Staatssekretärs Andrej Holm
Daß zwischen Stasi und Senat 26 Jahre liegen, ist dem Herrn Journalisten keine Erwähnung wert. Hmnuja, so kann man sich eben auch für einen Job bei der Blödzeitung oder gleich bei Compact bewerben.
Die FAZ kann neben den „Stützen der Gesellschaft“ aber auch vornehm in Grund und Boden schreiben, Ralph Bollmann: Ein bisschen Venezuela in Berlin.
Dagegen nimmt sich die Veröffentlichung von Holms Stasi-Akte in der B.Z. geradezu vorbildlich aus (sollte man gelesen haben), einen knappen Überblick über die Kontroverse zur Personalie Holm liefert das dradio.
Die Kampagne gegen Andrej Holm als designiertem Berliner Staatssekretär für das Wohnungswesen läuft sich gerade erst warm, verspricht aber ähnlich übel zu werden wie die gegen Anetta Kahane.
Weil: was bei der AfD, anderen Rechtsradikalen und dem „konservativen“ Feuilleton in Sachen Anetta Kahane bestens funktioniert, klappt bei neoliberal-konservativen, kommunistenhassenden Journalisten und Politikern im Verein mit AfD und anderen Rechtsradikalen in Sachen Andrej Holm bestimmt ebenso gut. Einerseits kann die eigene Hetze bemäntelt und deren zutreffende Benennung (und ggbfs. Ahndung) zur „Propaganda“ umgelogen werden, andererseits wird den Investoren Immobilien-Heuschrecken in die Hände gespielt und womöglich werden auch eigene Immobilien-Verwertungsinteressen gewahrt.
Einmal Stasi, immer Stasi.
Falls sich jetzt noch irgendwer mit der Frage nach Andrej Holms Qualifikation für das Amt als Staatssekretär befassen will, bietet sich sein Blog oder seine Artikel beim Freitag oder seine Arbeit an der Humboldt-Universität oder – beispielhaft – ein dreiteiliges Video an:
Und falls sich anschließend immer noch wer fragt, was Gentrifizierung überhaupt ist, ein zuckersüßes Video von Pappsatt:
Aus merkwürdigen Gründen scheint sich kaum jemand dafür zu interessieren, in welch hohem Maß Andrej Holm seine gesamte Post-Wende-Laufbahn in die Staatssekretär-Waagschale wirft: bliebe er im Amt unerfolgreich – was angesichts der nicht allzu großen Spielräume im xten Gentrifizierungs-Jahr nicht ganz unwahrscheinlich ist – wäre er nicht nur bei den „Konservativen“ töter als tot, sondern auch bei den Linken.
Man muß schon seinen Mut bewundern und ihn nach Kräften unterstützen, me thinks.
Für den Fall, daß man sich Berlin anders wünscht als München, Frankfurt, Hamburg, Paris, London, wo Nichtwohlhabende längst aus der Innenstadt verdrängt wurden.
Foto: Wikimedia Commons, Dzierzynski-Schriftzug an der Wand des Stabsgebäude 1
Beklommen machen mich Blog und Kommentare von Ulrich Kasparick: Meine Geschichte mit der Stasi
Der hat mir mal großen Respekt abgenötigt, als er wegen Sarrazins Nicht-Partei-Ausschluß in zwei Anläufen aus der SPD austrat. Hier aber wirkt es so auf mich, als sei ihm der pauschale Ausschluß von Ex-Stasi-Mitarbeitern aus der Politik wichtiger als die sorgfältige Prüfung jedes Einzelfalles und auch als das Gespräch zur Bearbeitung der zivilgesellschaftlichen Katastrophe der Stasi-Bespitzelung, für alle Beteiligten.
Unbedingt ganz lesen, toller Blog! Sören Benn über Andrej Holm
Andrej Holm ist die beste Wahl, die man für diesen Posten treffen konnte, wenn man sich wünscht, dass die Reste der Berliner Mischung erhalten bleiben. Die Hetze gegen ihn war so vorhersehbar, wie die Motive und die Gesinnung dahinter durchschaubar sind.
Toller Artikel, danke. Die exakte Geschiche von Kahane war mir neu. Ich bekam in letzter Zeit nur mit, dass die ein massives Hassobjekt der Rechten ist, inklusive von Don Alfons. Die hassen die, weil sie Hasskommentare entfernen soll :-)
Ich hoffe, dass Holm zu allem Linksextremem, was ihm vorgeworfen wird, steht. Schluss mit der Verteidigung.
Ich tu mich immer so schwer damit, sinnvolle, zukunftsweisende Stadtpolitik unter ‚linksextrem‘ zu fassen…;-)…
Verständlich :-) Mir ist nur aufgefallen, dass dem Holm jetzt allenthalben Linksextremismus vorgeworfen wird. Alfons belegt das mit Holms positiven Äußerungen zu Hausbesetzungen. Und da soll Holm zu seinem Linksextremismus stehen.
Um es mit Wolfgang Hübner, nd zu sagen:
Danke für den link zum nd
Aus dem heutigen Tagesspiegel-Checkpoint:
Ich habe noch nie einen Checkpoint gelesen, der der Beschäftigung mit ein- und derselben Person soviele Zeilen widmet und ich werde den Eindruck nicht los, daß mir Lorenz Maroldt im Schlußabsatz Artikel 14(2) GG ‚Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen‚ als politische Unmäßigkeit verkaufen will. Aber immerhin: der Checkpoint wird heute von keiner einzigen Ziegert-Werbung geziert.
Lesen sollte man auch Robert Ide (vermutlich ist das die Dritte Seite Tagesspiegel), der sich u.a. als Graphologe betätigt und für meinen Geschmack ein klein bißchen viel ‚Weissensee‘ verinnerlicht hat: Der neue Staatssekretär und die Stasi: Was hat Andrej Holm getan – und was hat er dazu gesagt?
Darin liest man Sätze wie zum Beispiel:
Keine Ahnung, wie es Ihnen geht, aber mir bleibt bei sowas der Mund offen, aus zwei Gründen:
1. war die Wende für jeden DDR-Bürger eine biografische Wende, weil sich – anders als im Westen – alles veränderte und
2. wies das linke Berliner Milieu der 90er doch einzwei Unterschiede zur DDR auf.
Ich weiß ja nicht, ob man dieses perfide Rührstück noch unter Journalist ist jung und dumm abhaken kann, laut Wikipedia ist Ide 1975 in Marienberg im Erzgebirge geboren, hat in Berlin politische Wissenschaften studiert und über die Geschichte der DDR geforscht.
Ein bißchen lustig äußerte sich der Generalsekretär der Berliner CDU Stefan Evers heute morgen bei Radio 1
Irgendwie muß dem Mann entgangen sein, daß das MfS exakt null Sympathie für Hausbesetzer hatte und damit ganz auf einer Linie mit der Berliner CDU-Politik ist. Bemerkenswert auch der schöne Brauch, kriminelle Lügner aus der CDU zum z.B. Finanzminister zu machen, während die Ernennung eines linken Staatssekretärs mit einem knappen halben Jahr Stasi-Vergangenheit natürlich – die Opfer! – unsensibel und weit über die Grenzen von Berlin hinausreichend wäre.
Zum CDU-Messen mit zweierlei Maß passt der Artikel von Anna Biselli, Netzpolitik: Internes Papier des Innenministeriums: Verfassungsschutz darf direkt an Asylanhörungen teilnehmen
Ganz lesen, ist der Hammer!
Es wurde eine Stellungnahme von Andrej Holm zur Stasi und zu seinem Werdegang vermisst, dem kann leicht abgeholfen werden: Holms Rede auf dem Landesparteitag der Berliner Linke am 10.12.16
Laut Sidney Gennies (Tagesspiegel) auf Twitter wurde Andrej Holm soeben zum Staatssekretär ernannt.
Yes! Ich hatte die Befürchtung, daß r2g auf dem letzten Meter kneift.
Der Tagesspiegel hat nicht mehr alle Tässchen im Schränkchen, ein Screenshot des heutigen Checkpoints:

Die links gehen – in order of appearance –
auf, Robert Ide, Sigrid Kneist: Andrej Holm: Die Probezeit läuft
auf die gestrige Ide-Ode: Was hat Andrej Holm getan – und was hat er dazu gesagt?
auf die Maklervermittlung Homeday mit Sitz nicht in Berlin, sondern in Köln, die – ‚Entschuldigung, dieser Servive steht derzeit nicht zur Verfügung‚ – übrigens keine Makler zur Wohnungssuche, sondern nur zum Verkauf und zur Vermietung der eigenen Immobilie vermittelt
und auf einen Kommentar von Lorenz Maroldt, bei dem es mir schon auch die Schuhe auszieht: Rot-Rot-Grün hat den Fall Holm unterschätzt:
Hmnuja, Herrn Maroldt ist das mit dem Googeln ganz offenbar nicht so gegeben. Er hätte seit 2007 Zeit dazu gehabt. Und sich dann womöglich und unter anderen Sätze, in denen „geliebte DDR“ und „nicht im Traum daran gedacht, „auszusteigen“ vorkommen, gespart. Nein, ich halte Maroldt nicht für rechts, sondern für durch Anzeigenkunden korrumpierbar und für journalistisch fahrlässig bis verantwortungslos.
Der heutige Checkpoint stammt von Meister Ide und sieht zu Andrej Holm so aus:
Der erste link geht zu (von Werner van Bebber) Holm korrigiert Angaben zu seiner Stasi-Zeit, der zweite zur schon mehrfach verlinkten Ide-Ode Was hat Andrej Holm getan – und was hat er dazu gesagt? und ich finde die reiche Verwendung der Formulierung ‚Andrej Holm will …‘ bemerkenswert.
Immerhin: heute mal keine Immo-Werbung.
Auch der heutige Checkpoint reiht sich ein:
Das Maroldt-Bedauern erstreckt sich irgendwie nicht bis zu Immobilien-Anzeigen wie z.B. und u.a. die von vorgestern.
Charmant, der Kontext mit der AfD, n’est ce pas?
Der link im Andrej-Holm-Teil geht zu (Sigrid Kneist und Alexander Fröhlich) DDR-Vergangenheit: Unverständnis über Verhalten der Berliner SPD
Die CDU wünscht eine Sondersitzung noch vor Weihnachten und die Grünen
zweifeln kräftig mitebnen sich den Weg zur Macht, zu schwarz-grün.Mein Eindruck wächst: es geht weniger um Horch-und-guck als um Haus-und-Grund und den Checkpoint bestelle ich wieder ab, reicht.
Kotti & Co: Offener Brief an den Berliner Senat aus SPD, Grünen und Linken und die Koalitionsfraktionen.
Sign.
Allmählich wird es über die Maßen widerwärtig, wer sich so alles wie über Andrej Holm äußern zu müssen meint.
So z.B. Sven Kohlmeier von der SPD (süße 13, als die Mauer fiel):
Das ist btw. der ganz gleiche Herr Kohlmeier, der auf die Frage von Ramona Pop (B90/Grüne), wann BER eröffnet würde (Kosten für jeden Monat Nichteröffnung: mindestens 20 Millionen Euro Steuergeld) – antwortete:
@RamonaPop. Was ist so unendlich wichtig für Sie, ob #BER Ende 2017 oder Anfang 2018 öffnet? Die Kleiderwahl für Eröffnungsfeier?? #agh16
Ambros Waibel kommentiert in der taz: Die Stasi als Verbündeter
Ost:Blog:
16-12-16 INURA sends an open letter to the Senate of Berlin for a just procedure for Andrej Holm, State Secretary of Housing in Berlin:
Die Spitze von R2G tagt im Moment in Krisensitzung in Sachen Andrej Holm Es gibt eine ganze Reihe an Gestalten, die Holms Kopf wollen und sie wollen nicht mal mehr die Regelanfrage abwarten.
Um das ganze Galama kurz zusammen zu fassen: es äußern sich überwiegend Leute aus dem Westen abfällig über Andrej Holm, während DDR-Oppositionelle (von Irrlichtern wie wir-haben-mehr-zu-bieten-Vera Lengsfeld einmal abgesehen) Holms Umgang mit seiner Stasi-Vergangenheit überwiegend in Ordnung finden.
Im Westen darf man sich übrigens zum Thema Stasi getrost geschlossen halten, me thinks.
Noch eine Ide-Ode: Berliner Staatssekretär mit Stasi-Biografie. Andrej Holm sollte von sich aus zurücktreten
Es wäre erfreulich, wenn über Holm schreibende Journalisten – nur mal kurz – das Hirn einschalten könnten: Andrej Holm wurde 2007 als „Terrorist“ verhaftet. Gäbe es auch nur das mindeste Bißchen in seiner „Stasi-Biografie„, womit er sich tatsächlich schuldig gemacht hätte, es wäre vor 9 Jahren von der Berliner Staatsanwaltschaft gegen ihn verwendet und das von den Medien genüßlich breitgetreten worden. Der Umstand, daß im Moment kein einziges Medium diese politisch motivierte Verhaftung, Ermittlung, x-jährige Bespitzelung auch nur erwähnt, geschweige denn, tatsächlich Belastendes gegen Holm vorzubringen hat, bestärkt meinen Eindruck: es geht nicht um die Stasi, sondern, in Ides Worten, um „Wachstumsschmerzen gerade auf dem Wohnungsmarkt„.
Die B.Z. ist so empört über Holms gestrigen Nicht-Rauswurf, daß sie Schwierigkeiten mit Satzbau und Namen hat.
Meinungsbild: bei der Berliner Zeitung waren gestern abend 77% gegen einen Rücktritt, bei der Tagesspiegel-Twitterumfrage heute sind es 50%, plus 16%, die die Regelanfrage abwarten wollen.
Der Tagesspiegel schießt aus allen Rohren: Stephan-Andreas Casdorff, Chefredakteur, beim Deutschlandfunk: Hauptamtlich bei der Stasi, daraus:
Für die Ehrlichkeit im Schlußabsatz muß man sich fast bedanken. Man darf das scheue Reh „Investor“ aka „Steuersparer“ nach der Methode Taliesin niemalsnienicht bange machen. Was sind dagegen schon die 85% der Berliner, die zur immer teureren Miete wohnen und die immer herzlicher aus der Innenstadt ausgeladen werden.
Nicht zur Miete am schönen Landwehrkanal wohnt jedenfalls Wolfgang Wieland (grüner Ex-Justiz-Senator), ob Sven Kohlmeier (SPD), ob Eberhard Diepgen und Walter Momper (Ex-Regierende Bürgermeister), ob Stefan Evers (Berliner CDU-Generalsekretär), Sebastian Czaja (FDP-Fraktionschef ebenda), Georg Pazderski (Berliner AfD-Chef), Florian Graf (CDU-Fraktionschef) Malu Dreyer (Regierungschefin in Rheinland-Pfalz), Wolf Biermann (Nationalbarde) zur Miete wohnen, entzieht sich meiner Kenntnis – die halten jedenfalls alle Holm als Staatssekretär auch für eine Katastrophe. Andreas Scheuer, Lutz Bachmann, Henryk M. Broder, das Ehepaar Sarrazin und der Weihnachtsmann haben sich meines Wissens noch gar nicht geäußert, ist aber wohl eine reine Zeitfrage °_O
Hugo Diederich, Bundesgeschäftsführer der Vereinigung „Opfer des Stalinismus“, hat am Donnerstag Strafanzeige gegen Andrej Holm gestellt, wegen des Verdachts der Täuschung – weiß die B.Z.
Stimmt nicht ganz, „daß im Moment kein einziges Medium diese politisch motivierte Verhaftung, Ermittlung, x-jährige Bespitzelung auch nur erwähnt“ – Peter Nowak, Telepolis:
Peter Nowak verwendet zu viele Fragezeichen und das „nicht“ im Zusammenhang mit „mit Investoreninteresse kollidiert“ ist inhaltlich Unsinn – sonst ein sehr lesenswerter Artikel, es geht u.a. auch um das Dragonerareal und den fehlenden Parlamentsvorbehalt.
Und der Tagesspiegel erwähnt, via Tom Schreiber (Köpenicker SPD-Abgeordneter):
Wie schon gesagt: der Tagesspiegel schießt aus allen Rohren.
In der taz Die Woche: wie geht es uns, Herr Küppersbusch? kommentiert er:
taz-Interview (Uwe Rada) mit Katrin Lompscher, Bau-Senatorin (18.12.16):
Wolfgang Thierse, in einem Interview mit Radio 1 (19.12.16):
Sehr lesenswerter, da nachdenklicher und differenzierender Blog von Klagefall, ein weiterer offener Brief (sign!) bei sub/urban und eine Petiton bei change.org (auch sign und ich bitte jede/n, das auch zu tun, Datenkrake change.org hin oder her), Aufruf dazu und Text bei #holmbleibt
Grmpf, vergessen: Bizim Kiez hat einige der medialen Vorwürfe gegen Andrej Holm gegengelesen und dagegen argumentiert:
(die links im Text gehen nicht in einem neuen zusätzlichen Fenster auf, anders als sonst hier)
Carola Bluhm (Fraktionschefin der Linken) mit einem angenehm ruhigen und differenzierenden Artikel im Tagesspiegel: Stasi-Debatte um Staatssekretär Andrej Holm. „Berlin braucht diese schmerzhafte Debatte“
Jörn Boewe im Freitag: Dann hätte ich die Stasi-Akten mit verbrannt
Lorenz Maroldt, Christoph Twickel, Zeit Online im Gespräch mit Andrej Holm:
Anja Kühne, Amory Burchard, Tilmann Warnecke, Tagesspiegel: Humboldts Nöte mit Holm
Robert Ide, Zeit Online, Übernahme vom Tagespiegel: Andrej Holm: Von der Stasi geschult
Ich habe Ides soundsovielten Holm-Demontierungsversuch mehrfach gelesen, um heraus zu finden, welche Details und interessanten Indizien das jetzt gewesen sein könnten. Wahrscheinlich die beiden folgenden:
Das neue Detail/interessante Indiz: Holm hat einen FDJ-Lehrgang erfolgreich absolviert. Whow. So also geht investigativer Journalismus.
Interessanter fand ich das:
Interessanter, weil: was, wenn Holm gegenüber der HU gar nicht gelogen hat, sondern sich auf das verließ, was ihm die Stasi bescheinigt hat, nämlich „Wehrdienst im Ministerium des Inneren“?
Aber in der BRD, dem Land, wo ohne Bescheinung gar nichts geht, erlöschen ja bekanntlich alle Bescheinigungen von Unrechtsregimen automatisch und Journalisten beteiligen sich niemalsnienicht an Kampagnen.
Robert Ide, Tagesspiegel – im schon gewohnten Kampagnenton – über die Podiumsdiskussion mit Andrej Holm und Ilko-Sascha Kowalczuk am 6.1. in der Aula der Volkshochschule im Prenzlauer Berg: „Ich war Teil eines Unterdrückungsapparates“ und „Man erinnert sich an das, an was man sich erinnert“
Robert Ide scheint allerdings zu meinen, speziell er hätte alles aus der Geschichte gelernt und müsse das der Welt nun unbedingt mitteilen, als Journalist und Historiker.
Werch ein Illtum.
Lesenswert: Ilko-Sascha Kowalczuk, Der Freitag: Täter und Opfer
Dazu kommentiert aus der FC Che Nie, was auch ich mir bei dem ganzen Gehühnere denke:
Derweil dreht man im Berliner Abgeordnetenhaus ein ganz klein bißchen frei, die FDP stellt einen Mißbilligungsantrag gegen den gesamten Senat, eine Grüne will einen Ehrenrat und eine Überprüfung des gesamten Senates, Carola Bluhm (Linke) wird ausgelacht (als sie die Ernennung Holms zum Staatssekretär als „ein Zeichen, dass wir den Anspruch ‚Stadt für alle‘ ernst nehmen“ bezeichnete) und die CDU will nicht mehr warten (heute läuft die Frist der HU in Sachen Holm ab) und attestiert dem Regierenden Führungsschwäche. Auf Antrag der FDP wird heute abend über Holm diskutiert, der Stand der Dinge beim rbb.
Den heutige Stand der Dinge beim Tagesspiegel: Berliner Opposition scheitert mit Anträgen gegen Holm und beim rbb: Holm reicht Stellungnahme bei Humboldt-Universität ein (fristgerecht) und die HU prüft das jetzt erst einmal.
Christoph Twickel, SPON: Ein Traum für Gentrifizierungskritiker
Bei Twitter fiel mir gestern abend auf, daß zur Abwechslung mal nicht Eier, sondern Nutzer mit unterschiedlichen Namen und Fotos, geringfügig unterschiedlichen Profiltexten und großem Interesse am „Stromvergleich“ ein- und denselben üblich-infamen Blog von Don Alphonso zu Andrej Holm verbreiten und auch sonst auffällig gleichförmig agieren. So viele vergleichsweise aufwändig gestaltete Bots auf einem Haufen sind mir noch nie untergekommen, rund 85 Profile geblockt.
Erklärung des Staatssekretärs Dr. Andrej Holm zur Stellungnahme gegenüber der Humboldt-Universität zu Berlin
Anja Kühne, Melanie Berger, Tagesspiegel: Andrej Holm entschuldigt sich und will im Amt bleiben
Robert Allertz, Junge Welt: Die mediale Inquisition gegen Andrej Holm
Ellen Wesemüller, nd: Hausgemachte Zwickmühle
(die mit Frau Wagenknechts Werbungen um Wählergunst rechtsganzweitaußen meinetwegen sowieso nach Hause gehen kann)
Die Entwicklung, http://www.spiegel.de/lebenundlernen/uni/andrej-holm-darf-doch-an-der-humboldt-universitaet-bleiben-a-1134024.html :
„Grund für die Entlassung war laut HU auch nicht Holms Tätigkeit für die Stasi gewesen, sondern, dass er ‚hinsichtlich seiner Biographie getäuscht und auch an dem wiederholt vorgebrachten Argument der Erinnerungslücken festgehalten hat'“.
Diese Zwischentöne werden wiederum im kollektiven Gedächtnis wohl eher nicht im Gedächtnis haften bleiben.