Tränenvase

Das Weltgeschehen ist schrecklich genug, Zeit für ein bißchen Erheiterung!

Der Vorstandsvorsitzende der Audi-AG ist derzeit beurlaubt. Beurlaubt, weil: Rupert Stadler wurde im Zuge des Abgas-Skandals in U-Haft genommen, wegen Verdunklungsgefahr. Vorgeworfen wird ihm Betrug und „mittelbare Falschbeurkundung“.

So weit, so gut. Wenn auch spät. Aber immerhin.

 

Gefängnisaufenthalte sind zweifellos immer ein schwerer Eingriff in die Persönlichkeitsrechte. Für jeden Menschen in Haft.

 

Wirtschaftsbosse aber sind anders als andere Menschen.

Denn (:

Untersuchungshaft ist für Wirtschaftsbosse so ziemlich die schlimmste Erfahrung. Dabei sind sie doch keine Verbrecher.

Zumwinkel, Hoeneß, Middelhoff, Stadler. Die Liste von bekannten Managern in Haft wird immer länger. Es ist ein eigenständiges Kapitel der deutschen Justiz.

Ein Topmanager … wird gleichwohl in einen kleinen Raum mit vergittertem Fenster eingesperrt, von einem Tag auf den andern. Was für eine Erniedrigung. Was für eine Schmach – selbst wenn es nur für wenige Tage ist.

Die Untersuchungshaft ist ein Relikt aus dem Mittelalter. Hier werden Menschen, für die die Unschuldsvermutung gilt, in eine Zelle gepfercht, dürfen ihre Familien nur in größeren Abständen empfangen und sind meist von jeglicher Außenkommunikation abgeschnitten … .

In den Vorständen der deutschen Automobilindustrie sitzen doch keine Verbrecher. …

Umso mehr darf die deutsche Justiz nicht jedes Maß verlieren.

 

Wir sollten es der Springerpresse gleichtun und die Tränenvasen hervorholen. Und Geld sammeln, damit sich der erniedrigte, in einen kleinen Raum mit vergittertem Fenster gepferchte, von jeglicher Außenkommunikation abgeschnittene Herr Stadler wenigstens einen guten Anwalt leisten kann.

 


Bild (beschnitten): Jimfbleak, Wikimedia Commons


20 Kommentare zu „Tränenvase

      1. Freude, schöner Zündfunken
        Tochter aus Dieselium
        Wir betreten vollgestunken
        Audi-Max, dein Heiligtum

        Aus Datenschutzgründen kann ich nur Bargeld entgegennehmen.

        1. Hach…;-)…

          Darf ich vielleicht statt ‚Zündfunken‘ und nur aus Versmaßgründen ‚Einspritzpumpen‘ o.ä. vorschlagen?

          Ich repariere eben den Typo in wie/r
          und kauf‘ Ihnen ein virtuelles Bier

          (falls der Datenschutz das zuläßt) ojeojeoje…

  1. Du hast so recht, Haft ist niemandem zu wünschen, auch einem Wirtschaftsboss nicht. Doch hätte der, als er noch in Freiheit war, eher Einfluss auf das Rechtswesen nehmen können als ein armer Mitbürger. Vielleicht überlegen sich „die das oben“ mal, es zu reformieren, bevor sie selbst sitzen?
    Grad kürzlich erzählte mir ein Grieche seine Leidensgeschichte, der, in Deutschland aufgewachsen und mit deutschem Pass, drei Monate unschuldig in Untersuchungshaft saß, davon zunächst ohne Rechtsbeistand und mit einem kriminellen Gefangenen in einer Zelle. Diese Erfahrung totaler Ohnmacht hat alte Kindheits-Traumata getriggert, die sein Leben danach unerträglich machten…

    1. Nuja, Stadler hätte, als er noch nicht in U-Haft saß, zunächst einmal Einfluß auf die Einhaltung der Abgaswerte nehmen können. Nicht wenige Reiche und Mächtige nehmen Einfluß auf das Rechtswesen, indem sie sich über Recht und Gesetz stehend wähnen und eine Menge dafür tun und tun lassen, damit das auch so ist.

      Ich möchte auch die These wagen, daß sich Haft für Arme oft wesentlich übler anfühlt als für die Stadlers und Urdangarins dieser Welt – mangels Spitzenanwalt und womöglich mit früheren Erfahrungen totaler Ohnmacht wie bei Ihrem Bekannten. Aber denen klöppelt die Springerpresse nur sehr selten Beileidsadressen.

  2. „…dabei sind sie doch keine Verbrecher.“. Wirtschaftsbosse sind keine Verbrecher. Ein wirklich entlarvendes Statement. Sozusagen der umgekehrte Generalverdacht. Die Absolution. Wirklich bemerkenswerter Artikel, den Sie da gefunden haben, werte Dame, danke fürs Teilen!

    1. Er schreibt das sogar zwei Mal°_O
      Da wird wohl demnächst eine Überzeugung in die Brüche gehen (klirr, schade). Falls der vorrauseilende Freispruch auch nichts mehr nützen sollte.

    1. Arme können da für Schwarzfahren landen.
      Ist das eine vergleichbare Gemeinwohlschädigung?

      Oder für Mikromengen Cannabis. Der Bruder eines Freundes ging vor Jahren im schönen Oberbayern für 18 Monate ins Gefängnis, nachdem man in seinem Auto eine Pfeife gefunden hatte (die ihm nicht mal gehörte), aus der man 0,irgendwas Gramm kratzte. Der hat sich von diesen 18 Monaten nie mehr erholt.

  3. Hat der Autor total einen an der Waffel? Oder zu heftig an seinem Audi geschnüffelt? Der kann sich direkt mit dem widerlichen Kolumnenschreiber des Schwesterblattes zusammentun. Liegt wohl daran, dass er früher Chefredakteur von „Capital“ war. Die Formulierungen sind teils entlarvend: der „regierende Audi-Chef“ – oh? Sind Großunternehmen neuerdings Monarchien, und ihre Anführer als Monarchen sowieso straffrei?

    Dann jammert er über die unterschiedlichen Maßstäbe der Urteile – sorry, die Gerichte sind in ihrer Entscheidungsfindung frei, und das aus gutem (historischen) Grund. Das muss man nicht gut finden, und man mag sich manchmal andere Urteile wünschen, aber so ist es nun mal in einem Rechtsstaat mit unabhängigen Gerichten.
    Warum Hoeneß allerdings nach seiner Haft wieder bei Bayern in Amt und Würden kam, darüber wundere ich mich auch. Aber wir hatten ja auch schon Bundesinnenminister, die rechtskräftig wegen Meineids verurteilt waren…. Das fällt dann wohl unter Resozialisierung.

    U-Haft ein Relikt aus dem Mittelalter? Kann ich nicht beurteilen. Ich hoffe, dass die Gerichte hier wirklich mit Augenmaß agieren, aber ich habe da (Stichwort G 20) so meine Zweifel.
    Auto-Manager alle kriminell? Würde mich nicht wundern. Ehrbare Kaufleute bringen den Aktionären zu wenig Dividende.

    Wenn, wie der Autor mutmaßt, die Chefs gar nicht genau wissen wollten, wie die F&Eler das „Problem lösen“, um hier eine „plausible deniability“ zu haben, so hilft ihnen das kein bisschen – die Verantwortung haben am Ende immer die Geschäftsführer, dafür werden sie ja auch fürstlich entlohnt. Wenn er hier rhetorisch-suggestiv fragt, welcher Vorstand sich mit Abgasfragen beschäftige, so denke ich, wenn es ein ernsthaftes Problem gibt, dass gesetzliche Vorgaben nicht eingehalten werden können, so sollte diese Frage für einen Vorstand schon von so großer Bedeutung sein, dass er sich drum kümmert. Das ist sein Job!

    Und dann wieder das Argument der Arbeitsplätze, hier hinter dem „wichtigsten industriellen Ast Deutschlands“ verborgen. Ja Kruzifix noch eins, auch dafür haben die Vorstände zu sorgen: dass ihre Entscheidungen die Industrie nicht schädigen. Jetzt der Justiz vorzuwerfen, sie würde hier die Industrie gefährden, wenn sie ihre Arbeit macht, ist ein Ablenkungsmanöver. Die Schuldigen sitzen in den Vorstandsetagen, nicht bei den Staatsanwaltschaften.

    Das bestätigt mir wiederum, warum ich die Springerpresse rundheraus ablehne.

    1. Warum Hoeneß allerdings nach seiner Haft wieder bei Bayern in Amt und Würden kam, darüber wundere ich mich auch. Aber wir hatten ja auch schon Bundesinnenminister, die rechtskräftig wegen Meineids verurteilt waren…. Das fällt dann wohl unter Resozialisierung.

      Hmnuja, in Bayern wird eine Alkoholfahrt mit Todesfolge mit einer 12-monatigen Bewährungsstrafe geahndet und beides qualifiziert zum Amt des Verkehrsministers…. Das fällt dann wohl unter Resozialisierung.

      Das Arbeitsplatz-Argument fand ich auch schön und zu Springer empfiehlt sich immer Max Goldt (aus Der Krapfen auf dem Sims):

      Diese Zeitung ist ein Organ der Niedertracht. Es ist falsch, sie zu lesen. Jemand, der zu dieser Zeitung beiträgt, ist gesellschaftlich absolut inakzeptabel. Es wäre verfehlt, zu einem ihrer Redakteure freundlich oder auch nur höflich zu sein. Man muß so unfreundlich zu ihnen sein, wie es das Gesetz gerade noch zuläßt. Es sind schlechte Menschen, die Falsches tun.

      1. Alkoholeinfluss fällt ja unter gesellschaftlich akzeptierte Folklore, gerade in Bayern. Was sind da schon ein paar Tote mehr oder weniger. Aber wehe, der Autofahrer riecht auch nur nach Cannabis… (ich bin durchaus der Meinung, dass man beim Autofahren keinerlei Drogen intus haben sollte, weil alle Drogen m.W. Auswirkungen auf das Gehirn haben, in der Regel keine positiven). Aber Cannabis, das ja bekanntlich illegal ist, weil es verboten ist (oder andersrum?), geht in Bayern ja gar nicht.

        Das Zitat von Max Goldt lief erst heute wieder als Reaktion auf den jüngsten Schwachsinn von Julian Reichelt durch meine Timeline. Eigentlich kann man das fast täglich posten. Die Welt ist da nicht viel besser. Ich empfinde die immer als Bildzeitung für Pseudointellektuelle.

        1. Das Problem ist, daß nicht nur die Springerpropaganda das Rechts- und Unrechtsempfinden der Bürger aufweicht, sondern daß das zunehmend viele andere Leitmedien auch tun – einesteils in politischer Absicht, anderenteils durch den zunehmenden Mißbrauch der Medien als gefälligst rentable Wirtschaftsunternehmen und die damit einhergehende Ausdünnung oder Abschaffung der Redaktionen.
          Von den „alternativen Medien“ mit ihren „alternativen Fakten“ im Compact- und RT-Zuschnitt gar nicht erst zu reden.

  4. Wasser für die einen und wenn andere Alkohol trinken? Ich erinnere mich an eine Bischhöfin, die kurz nachdem sie mit Alkohol am Steuer in eine Kontrolle geraten, von ihren Amt zurücktrat, aus freien Stücken. Ich erinnere mich auch, an die Medienschelte hernach.

    Wer noch nie nach zu viel an Drogen, legal oder auch nicht, in Laufe eines Lebens, Dinge getan und nicht bereut, kann einen achteckigen Heiligenschein tragen oder Niederknien vor dem eignen Tränenbrunnen, oder auch nicht.

    Was wäre wohl in den Medien los, wenn der Audi-Manager ein Mensch wäre, der in U-Haft sässe und mit guter Ausbildung, einer Duldung gar, vielleicht für nur noch ein paar Wochen, in Deutschland leben darf?

    Wäre U-Haft für die gleichen Schreibenden dann eine Gnade?

    Würde dann medial „Wirtschaftsflüchtling“ geschrien?

    1. Margot Käßmann stand auf der Abschußliste im medialen Fokus seit ihrer Nichts-ist-gut-in-Afghanistan-Bemerkung. Den Medien kam nach ihrer Alkoholfahrt zupaß, daß trinkende Frauen wesentlich skandalöser sind als Männer mit dem gleichen Suchtproblem. Käßmann reagierte sehr evangelisch, sie übernahm Verantwortung für ihre Handlungen und das ist sowieso schwer erträglich.

      Was wäre wohl in den Medien los, wenn der Audi-Manager ein Mensch wäre, der in U-Haft sässe und mit guter Ausbildung, einer Duldung gar, vielleicht für nur noch ein paar Wochen, in Deutschland leben darf?

      Nichts wäre los. Die Medien berichten nicht über Abschiebehäftlinge. Es sei denn, sie revoltieren oder verüben unübersehbar öffentliche Suizide, dann reicht’s zu einer Meldung in der Lokalpresse, Seite drölf.

  5. Na hoffentlich hat der Springerverlag auch so viel Empathie für Flüchtlinge oder Obdachlose die in die Mühle des Repressionsorgan fallen. Ich weiss, ich weiss…aber träumen darf ja noch gestattet sein.

    Wer mal im Knast war und nicht in U-Haft (das ist kein Gefängnis i.e.S.) wird schnell feststellen das die Unterklasse übermässig repräsentiert ist. Aus den höheren Kreisen ist das ehrlich gesagt sehr, sehr selten. Die auch noch sehr viele Privilegien besitzen wie Einzelzelle, Handy (!), täglichen Besuch des Anwalts, keinen Arbeitszwang der bei Nichteinhaltung sanktioniert wird und und und.
    Ich kann Ihnen jetzt keine schriftliche Quelle für meine Aussage geben. Glauben Sie es mir einfach, ich habe mich immer gefragt wie das möglich ist.

    1. … ich habe mich immer gefragt wie das möglich ist.

      Die „Unterklasse“ läßt sich erwischen, keine Zeitung adelt sie mit vorauseilenden Freisprüchen, sie hat kein Geld für sehr gute Anwälte im Plural und keins für standesgemäße Privilegierung im Gefängnis.

      1. Sie haben natürlich recht, aber das dies so offensichtlich auch noch für den letzten „Minderbemittelten“ erkennbar war, hat einen schon verwundert.
        Normalerweise geht so etwas eher subtiler von statten, da man sich ja den Vorwurf der Klassenjustiz verwahren will.
        Nun ja, Knast ist nun mal eine Gesellschaft die i.d.R. der Öffentlichkeit vorenthalten wird.

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