Thomas Pany, Telepolis: Das Klirren der Dinge als Beifall
Das „Klirren ist der Beifall der Dinge“, schreibt Elias Canetti in seiner bekannten Untersuchung über Meuten und Massen und ihr Verhältnis zur Macht („Masse und Macht“). Die Zerstörer brauchen den Beifall der kaputt gehenden Dinge, um sich selbst zu vergewissern, dass hier etwas Starkes und Großes läuft. Der Lärm der Zerstörung, das Klirren von Scheiben zur Freude an der Zerbrechlichkeit der Dinge, sei wie die „kräftigen Lebenslaute eines neuen Geschöpfes“, so der Schriftsteller.
Dass es so leicht ist, sie hervorzurufen, steigert ihre Beliebtheit, alles schreit mit einem und den anderen mit (…) Ein besonderes Bedürfnis nach dieser Art des Lärms scheint zu Beginn der Ereignisse zu bestehen, da man sich noch nicht aus allzu vielen zusammensetzt und wenig oder gar nichts geschehen ist. Der Lärm verheißt die Verstärkung, auf die man hofft, und er ist ein glückliches Omen für die kommenden Taten.
Elias Canetti, Masse und Macht
Das Feuer, fügt Canetti am Ende seiner Ausführungen über „Zerstörungssucht“ hinzu, sei das eindrucksvollste Mittel. Es zerstört auf unwiderrufliche Weise. „Die Masse, die Feuer legt, hält sich für unwiderstehlich.“ So könnte man im Feuer der brennenden Autos so was wie ein konstituierendes Element der Gruppe sehen: eine Selbstbestätigung.
Das sich selbst bestätigende neue Geschöpf sehen Sie oben im Bild.
Hat eigentlich schon jemand erwähnt, daß es hauptsächlich Männer waren, die in Hamburg ihre Aggressionen, ihren Narzissmus und ihre Lust an Zerstörung und Leid austobten? Daß es keine Toten gab, ist nicht etwa kluger Polizeistrategie oder dem Augenmaß militanter Linker, sondern reinem purem Glück zu verdanken.
Muß ich noch betonen, daß ich auch keine Revolution wollen würde? Mir macht Gewalt wie in Hamburg eine Scheißangst und ich kann – trotz 30 Jahren 1. Mai in Kreuzberg – immer noch nicht fassen, daß sich vermeintlich politisch motivierte Militanz zunehmend als eigenwillige Form von Sport und Lifestyle entpuppt.
Wir haben Wahlkampf. Vereinfachung und Umdeutung von Protest und Polizei-Performance im Rahmen des G20 und die Forderungen nach europäischer Extremistendatei für Linksextreme, Fortführung der Grenzkontrollen, „Trockenlegung des Sumpfes“, Schließung der Roten Flora sind in vollem Gange.
Bereits vor dem Gipfel nutzte Thomas de Maizière den neu erschienenen Verfassungsschutzbericht 2016, um die Gefahren des Linksextremismus zu beschwören. Obwohl im vergangenen Jahr dem Linksextremismus zugeordnete Gewalttaten um 25,6% zurück gingen. Im Gegensatz zur rechtsradikalen Gewaltkriminalität, die – ohnehin auf höherem Niveau – um 13,6% gestiegen ist.
Aus dem Verfassungsschutzbericht (Seite 99/100):
Ihre ideologische Grundlage ist die Ablehnung des „kapitalistischen Systems als Ganzes“, denn der „Kapitalismus“ ist für Linksextremisten mehr als nur eine Wirtschaftsform: Er ist sowohl Basis als auch Garant der „bürgerlichen Herrschaftsverhältnisse“ durch „Repression“ nach innen und „Aggression“ nach außen. Der „Kapitalismus“ ist demnach verantwortlich für alle gesellschaftlichen und politischen Missstände wie soziale Ungerechtigkeit, „Zerstörung“ von Wohnraum, Kriege, Rechtsextremismus und Rassismus sowie für Umweltkatastrophen. Die dem „System“ angeblich immanente „Profitmaximierung“ hat sich aus linksextremistischer Sicht bereits in aktuellen globalen und europäischen Krisen niedergeschlagen. Dies zeige sich etwa in der „Verwüstung“ sozialer Strukturen, insbesondere in den ärmeren Ländern in Südeuropa, in den „Interventionskriegen“ im Nahen und Mittleren Osten und in Afrika sowie im Abbau sozialer und politischer Rechte auch in Deutschland. Mangels „linker Alternativen“ folge die deutsche Bevölkerung zudem verstärkt rechtspopulistischen, rassistischen und rechtsextremistischen Denkmustern.
Ganz offenbar gehöre ich zu der im Jahr 2016 wundersam von um 1.800 auf 28.500 angewachsenen Zahl der Linksextremisten, denn ich stimme einem großen Teil der obigen Ausführungen zu. Allerdings auch schon vor dem Vergleichsjahr 2015 – eigentlich, seit ich denken kann, also seit etwa 40 Jahren. Meine Haltung zum Grundgesetz, zu Demokratie, Menschenrechten und Teilhabe hat sich im Laufe der Zeit verfeinert, differenziert, präzisiert, nicht aber grundlegend geändert. Ob es die im Verfassungsschutzbericht kolportierte Gleichsetzung von Demokratie und Kapitalismus ist, die grundlegend verändert wurde?
Die Polizei erwartet, … dass die meisten der gewaltorientierten Linksextremen diese Woche nach Hamburg kommen, um mit Blockaden und Ausschreitungen den G-20-Gipfel zu stören.
Daß die Polizei Ausschreitungen erwartete, könnte darauf schließen lassen, daß sie sich auch auf Ausschreitungen adäquat vorbereitet. Das steht in bemerkenswertem Widerspruch zur nun allseits geäußerten Überraschung über die Ausschreitungen im Schanzenviertel, Altona und St. Pauli. Eine Polizeistrategie war für mich nicht erkennbar – außer, 20 Staatschefs vom Protest gegen ihre Politik zu verschonen.
Während die Polizei im Vorfeld des Gipfels gegen gerichtlich gestattete Camps vorging, Mobiltelefone entsperren ließ, Teilnehmer der ohne jede Auflage genehmigten welcome-to-hell-Demo in Lebensgefahr brachte, Anwälte und Journalisten zum Sicherheitsrisiko erklärte und vielfach unverhältnismäßige Gewalt anwendete (John F. Nebel, Metronaut, hat ein paar Fragen an die Polizei und Innensenator Grote zusammengestellt), war das Schanzenviertel am Freitagabend für knapp 4 Stunden komplett polizeifreie Zone.
Die schwersten Ausschreitungen wurden also von der Polizei nicht nur nicht unterbunden, damit die Anwohner der Gewalt preisgegeben, sondern die Polizei hat auch nicht dokumentiert. Folglich kann sie gegen die Straftäter kaum ermitteln, weswegen sie ein Upload-Portal einrichten mußte, um anhand des Materials anonymer Handyfilmer (die sonst welche Rolle bei den Ausschreitungen spielten?) überhaupt gegen die Randalierer und Plünderer ermitteln zu können.
Es ist – Wahlkampf – natürlich einfacher (als daß Politiker und Polizei selbstkritisch Bilanz zögen), die Ausschreitungen allen Linken in die Schuhe zu schieben und sie zu nötigen, sich von „linker“ Gewalt zu distanzieren. Bitte? Wozu hätten sich linke Bürger und Politiker von Straftätern zu distanzieren? Was für eine verrückte linksextremistische Weltsicht ich haben muß! In der ist es sogar möglich, unmäßige Polizeigewalt und Randale gleichzeitig abzulehnen.
Was aber, wenn die Randalierer und Plünderer in Hamburg (von den freizeit-randalierenden Hipster-Selfisten einmal abgesehen) einige Parallelen zu den Protagonisten der Unruhen in England 2011 aufwiesen? Im folgenden Zitat aus der FAZ – Owen Jones, Woher kommt diese Wut? – habe ich London durch Hamburg ersetzt (Berlin ist auf bestem Weg dahin):
Hamburg ist eine der Metropolen mit der größten Ungleichheit in der westlichen Welt. Hamburg ist nicht Paris, wo die Wohlhabenden im Zentrum wohnen und die Armen in die Banlieue abgedrängt werden. In Hamburg wohnen Arm und Reich oft in demselben Viertel, wenn nicht in derselben Straße. … Tür an Tür neben Wettbüros und Leihhäusern sind teure Bioläden und schicke Cafés. Täglich wird den Armen jener Lebensstil vor Augen geführt, den sie vermutlich nie erreichen werden.
Ich war vor Jahren mal geladene Gastausstellerin der Messe im Museum für Kunst und Gewerbe. Das Museum liegt in Spuckweite zum Hauptbahnhof, zu den armen Teilen von St. Georg und zur durchgentrifizierten Langen Reihe. Das typische Museumspublikum ist betucht, wohnt in Elbvororten oder Innenstadt, trägt rahmengenähtes Schuhwerk, feinen Zwirn und Täschchen unter dem Arm, von deren Preis ich leicht meine Jahresmiete bestreiten könnte.
Ich rauchte während der 3 Tage des Ausstellungsaufbaus gelegentlich draußen auf der Treppe, zu deren Füßen reger Elendsverkehr zum Drob Inn verlief (dem seit der Ära Schill m.W. einzigen Ort akzeptierender Sozialarbeit für Junkies in Hamburg). Mir fiel ein junger Mann mit auffälligem Gehmuster auf (er muß sich mal den Unterschenkel gebrochen haben, blieb ärztlich unversorgt, dadurch schiefer Fuß und verkürztes Bein), der sehr höflich bettelte und alle Möglichkeit zur Verneinung einräumte. Ich drehte ihm Zigaretten und plauderte ein paar Mal mit ihm, so auch während der Schlußrede der Ausstellungseröffnung.
Die Besucher, die hinter mir die Treppe herunterperlten, verscheuchten ihn mit Handbewegungen, die lästigen Fliegen vorbehalten sind.
Das neureiche, schillwählende, sarrazinaffine Besserbürgertum in a nutshell – von dem ich mich gar nicht weit genug distanzieren kann. Hallo Politiker? Die sind zwar unerfreulich einflußreich, aber nur eine kleine Minderheit Ihres Wahlvolkes.
Foto: Screenshot auf Twitter. Nachtrag 11.7.: das Foto wurde (entgegen anderslautenden Gerüchten) nicht bearbeitet, der #Riothipster aber später vor andere Kulissen montiert
Hm, nach der obigen Verfassungsschutz-Definition gehöre ich dann auch zu den sog. Linksextremisten.
Vermutlich haben die mich dann schon seit den großen Anti-Atomprotesten und Friedensdemos auf dem Schirm. :-)
„Die wichtigste Frage im Zusammenhang mit den Krawallen von Hamburg, so Ludwig Schumann, wurde jedenfalls von niemandem gestellt: Warum radikalisieren sich junge Menschen derart, und wo liegt bei all dem die Verantwortung der Politik? Natürlich stellt man nicht gerne Fragen, wenn man die Antworten scheut. “
http://hinter-den-schlagzeilen.de/ludwig-schumann-rauchzeichen
Ah, wir scheinen in etwa im gleichen Alter zu sein…;-)…
Die Frage, warum sich junge Menschen derart radikalisieren, wurde speziell zu jungen Islamisten und Rechtsradikalen gestellt – ohne die Rolle der Politik dabei zu hinterfragen. Für Linksradikale wäre mir die Frage neu und ich halte sie auch so etikettiert für überflüssig.
Mich interessiert viel mehr, warum sich junge Menschen überhaupt gewalttätig und asozial (im Wortsinn) verhalten und warum sie ihre Weltbilder schließen. Was eine Menge mit gemachten Gewalterfahrungen, der Art der Schulen, traurigen beruflichen Perspektiven und einem Mangel an verläßlichen, zugewandten Bezugspersonen mit gelebten Werten zu tun haben wird. Den lausigen Rahmen dafür steckt die Politik, 20% aller Kinder leben in armen Familien und die Wohlstandsverwahrlosung in wohlhabenderen Familien hat eine Menge mit einem Leistungscredo und mit der immer noch selbstverständlichen doppelten Vergesellschaftung der Frauen zu tun.
Kann gut sein, dass wir im gleichen Alter sind. ;-)
Schließe mich Ihrem Kommentar an. Grundsätzlich bin ich daran interessiert zu verstehen, was junge Menschen
gewalttätig werden lässt. Die Vermutung liegt nahe, dass „systemische Zurichtungen“ zu Persönlichkeitsverletzungen führen, und die oft daraus resultierende Wut und Ohnmacht sich gewaltsam Bahn bricht.
„…aber nur eine kleine Minderheit Ihres Wahlvolks.“
Ich habe das Gefühl, dass ein weitaus größere Anteil des Wahlvolks diese kleine Minderheit als Vorbild ansieht und sich ihr durch das Wählen konservativer bis rechter Parteien anzunähern glaubt. Nach dem Motto: wenn ich wähle, was die Reichen wählen, wenn ich mich ihnen gegenüber kooperativ und folgsam zeige, tun sie vielleicht aus Gnaden und Barmherzigkeit auch etwas für mich. Tun sie aber nicht. (Bisher kann ich das aber leider noch nicht ausformulieren.)
Ergänzung: man sieht es ja an der AfD, die von „kleinen Leuten“ gewählt wird, aber ein Programm hat, das gerade diesen Leuten auf Dauer schaden wird.
Ich glaube, daß das die-Reichen-und-Erfolgreichen-Wählen auch mit dem Versuch der Identifikation, mit einem Wunschbild von sich selbst zu tun hat, sone Art Voodoo. So habe ich mir jedenfalls die soundsovielte Wiederwahl Berlusconis erklärt und so erkläre ich mir auch Wahlentscheidungen für Trump und – genau – für die AfD. Das fällt unter magisches Denken.
Danke für das „Roundup“!
Herzlich willkommen Martin!
War ja klar, dass auch ich linksradikal (nach dieser Definition) bin (und war). Ist auch klar, dass jetzt wieder ein großes Geschrei um die Linksradikalität ertönt, während bei der Rechtsradikalität die Mühlen langsam und langsamer mahlen, bis hin zu nichts. Gut fand ich den verlinkten Fragekatalog, ich hätte da auch noch einige …
und um nicht missverstanden zu werden, Gewalt ist (immer noch) keine Lösung!
Danke für die Zusammenfassung.
Wir drei laufen vermutlich bereits Gefahr, als terroristische Vereinigung betrachtet zu werden, Gewaltablehnung hin oder her…
Nebel bittet ausdrücklich um Ergänzung seines Fragekatalogs (nebst Belegen) – also nix wie los!
Die Blödzeitung, namentlich Nikolaus Blome, übertrifft sich mal wieder selbst und Zeitungen und Social Media springen begeistert auf – der Bildblog setzt Heiko Maas‘ angebliche Forderung in den in den Mund gelegten Zusammenhang zurück: Fordert Heiko Maas wirklich „Rock gegen Links“?
Obwohl, was für eine schöne und zukunftsweisende Idee, Herr Blome! Sie sorgen für die Werbung? Ich wäre ja neugierig aufs Line-up, vielleicht schlüge die Blödzeitung Lutz Bachmann als Organisator und als Bands Störkraft, Freikorps, Landser vor? Frank Rennicke, Xavier Naidoo und Frei.Wild für’s Gefühl und als Moderator den Herrn Elsässer? Die Identitären könnten dort prima Geld für ihren Seenotrettungsverhinderungskahn sammeln und schöne Bilder mit Fackeln gäb’s auch – am besten auf dem Reichsparteitaggelände in Nürnberg, da ist genug Platz und das muß sowieso renoviert werden.
Jörn Hasselmann, Tagesspiegel: Berliner Polizisten beklagen die schlechte Organisation in Hamburg
Die BILD hat als Aufmacher gestern einen Steineschmeißer gesucht (so mit Großaufnahme und Gesicht als Ausschnitt) und heute hat er sich gestellt. 19 Jahre, lebt bei Oma, hatte ein schlechtes Gewissen, weiter hab ich ned gelesen in der Kaufhalle.
Ob der Blome Rock Against Communism (RAC) auf dem Schirm hatte, sei mal dahingestellt, der Maas wird wohl soweit nicht geschaltet haben.
Der Blome hört zwar wahrscheinlich eher Helene Fischer, aber Rock Gegen Links gibt’s schon, von Freikorps.
Die gibts aber nimmer, genausowenig wie Störkraft und Landser ;) …
Fürs Gefühl würde wohl eher noch der komische Gabalier passen, obige Kapellen sind eh zuviel (ganz schlechter, mal am Rande) Krach für den ordnungsliebenden „manwirddochsagendürfen“-Bürger.
Das mit dem von der Justiz nicht autorisierten Fahndungsaufrufen seitens der BILD und daraufhin auch im I-Net ist übrigens böse. Herr de M. findets irgendwie gut. (Quelle: Sendung heute+ aufm ZDF letzte Nacht.)
Hach, der Pantoufle bringt es schön auf den Punkt: Hamburg
Hörens- bzw. lesenswert das Gespräch mit Jan van Aken. Gefällt mir, mit welcher Geduld er die Interviewerin Christine Heuer immer wieder darauf hinweist, wie notwendig es differenzierter Sichtweisen auf die Proteste gegen
G20 bedarf. Pauschalierungen bezüglich LINKS, die Frau Heuer immer wieder aufbringt, verweisen entweder auf Uninformiertheit oder sind schlicht Vorurteile.
Das ist es in der Tat!
(Link und Korrektur eingebastelt, Korrekturkommentar gelöscht, Nutzername vervollständigt, dvw)
Danke :-)
.
Schauschau, auch laut MoPo scheint die Randale nicht ganz sortenrein links gewesen zu sein:
weimarer republik, ick hör dir (schon wieder) trapsen; dein nächster kommentar passt da auch zu.
Willkommen DasKleineTeilchen!
Den Weimarer-Republik-Vergleich halte ich für zweifelhaft, dazu fehlt ein Weltkrieg (verloren), eine Weltwirtschaftskrise und verschiedene Utopien.
ist auch nicht als direkter vergleich gemeint, eher so als stimmung…ganz persönlich.
Sie kennen die Stimmung der Weimarer Republik ganz persönlich, aus eigener Anschauung? Na dann will ich nix gesagt haben^^
Andreas Scheffel, Video- und Fotojournalist, hat 70 randalierende Nazis zweifelsfrei identifiziert, ein Interview mit ihm beim SWR:
Ja und das war offenbar eine Ente, blieb jedenfalls bisher ohne den Hauch eines Belegs.
Felix M. Steiner in der Frankfurter Rundschau: Neonazis bei G20-Krawallen?
Tom Strohschneider, nd, mit einem von vorn bis hinten lesenswerten Artikel: Gefährlicher als die Randale
Wie gesagt: ganz lesen!
Und noch ein lesenswerter Artikel, der auch noch sprachlich wirklich schön ist: Sebastian Seidler, FC: Der Mob schlägt Links
nebst Kommentar von Magda:
Die Polizei mußte die Anwohner der Schanze bekanntlich am Freitagabend knapp 4 Stunden der Gewalt preisgeben, weil sie vom Dach eines eingerüsteten Hauses Stein- und Molotow-Cocktail-Würfe befürchtete aka Gipfel der Gewalt.
Süddeutsche:
Daniel Herder, André Zand-Vakili, Hamburger Abendblatt: Polizisten widersetzten sich Anweisungen am Schulterblatt
Die Gewerkschaft der Polizei in Hamburg (Tweet wurde gelöscht):
das ist nicht wahr. ernsthaft? this is for real?!?
Ja, ist wahr, ernsthaft, for real und wurde gelöscht – war wohl eine Art Mausrutscher.
Striche unter Wörtern dienen nicht der optischen Auflockerung eines ansonsten langweiligen Textes, sondern dahinter verbirgt sich jeweils die Quelle…;-)…
haha. „missverständlich“…is klar, herr/frau GdP-sprachrohr.
so n kommentar von mir ist nicht unglauben, sondern drückt schlicht meine fassungslosigkeit aus. btw, wenn mir solche tweets über den weg laufen und die zeitnahe löschung schon durch die absurdität/dreistigkeit/strafrechtlichkeit/ecterea des tweets mitschwingt, mach ich nicht nur nen screenshot, sondern archiviere das für spätere generationen als web-snapshot mithilfe von http://archive.is/
Und jetzt wird’s differenziert:
+++ STELLUNGNAHME ZU DEN EREIGNISSEN VOM WOCHENENDE +++
Das sich selbst bestätigende neue Geschöpf hat auch noch allen ernstens n iPhone im anschlag; mehr klischee mit bart und schultertasche geht eigentlich nicht. I am a hipster and the world is my stage…
Ich habe etwas gegen meine Überzeugung getan, nämlich mich doch noch mal bei Zeit Online registriert, um den heutigen Rant des klügsten, übellaunigsten und spitzzüngigsten aller Bundesrichter lesen zu können – Thomas Fischer über G20: Mit ganzer Härte
Ein paar Kostproben daraus:
Ist höchstens ein Sechstel des gesamten Textes, der sich, Sie ahnen es vermutlich schon, in Gänze lohnt.
„Das sich selbst bestätigende neue Geschöpf sehen Sie oben im Bild.“ (Dame, Artikel)
Hätte der noch ein Che‘ T-Shirt angehabt, hätts noch mehr gepaßt. Das Auflehnen gegen die Obrigkeit ist halt auch irgendwoher sexy. Nicht für mich, mir ist sowas schon als kleiner Punker zu blöde gewesen sinnlos was kaputtzukloppen oder sinnlos Stress mit der Staatsgewalt zu suchen. Ich halte aber Gewalt durchaus für ein politisches Mittel. Da wären wir bei Che‘, auch wenn dem seine Schriften vermutlich nur ein minimalster Prozentsatz der Leute, wo so ein Shirt haben, gelesen hat. Der hat wohl auch das, was er so schrieb, gelebt, d.h. nach erfolgreicher Revolution sich keinen Palast gebaut und seine Familie mit Blingbling überschüttet sondern quasi auf materieller Augenhöhe mit der die Revolution unterstützenden Mehrheit des damaligen (und irgendwie auch noch heutigen) Kuba gelebt. Wäre wohl dem Hipster oben auf dem Bild zuviel downsizing…
Ich hab im Laufe der Jahre mit einigen Leuten von Antifa-Gruppen geredet. Die sind, das kann mensch nicht oft genug betonen, auch keine weltweite NGO wie wasweißich das Rote Kreuz/Halbmond sondern nur vernetzt und da gibts ungefähr soviele „Manifeste“ wie es Gruppen gibt, sprich, am einigsten sind die sich wohl in ihrer Uneinigkeit…
Jedenfalls finden des einige dann durchaus auch cool, wenn die Bullen mal paar auf die Mütze kriegen oder schlicht handlungsunfähig sind, logisch ist das natürlich nicht, das wissen die auch selber. Die wissen aber auch, genauso wie die, die wie ich durchaus sympathisieren mit deren Arbeit, daß es die ganze Palette sinnloser staatlicher Repression gibt, das schwappt halt eher selten in die sogenannten mainstream-Medien. Auch das Vermummungsverbot auf Demos, was ja auch unter Juristen durchaus umstritten ist, wird gerne mal al gusto angewandt, da reicht halt eine Kapuze und ein Rollkragen und schon hat mensch mal ne Nacht in Gewahrsam verbracht, über Jahre immermal einen Brief im Kasten, ja und irgendein Häkchen steht da halt in irgendeiner Akte irgendwo. Da isses mit Schreddern auch nicht zwingend so eilig wie z.B. beim NSU…
Wie richtigerweise auch diverse Journalisten feststellen, ist es also Quatsch, Antifa mit Schwarzer Block und alles zusammen mit gewaltorientiert/-bereit in einen Topf zu schmeißen. Das Nichtablehnen von Gewalt als politisches Mittel in den Schriften/Aufrufen/Flyern der vielfältigen Antifa-Gruppen heißt halt auch nicht zwingend, ebenjene sinnlos einzusetzen und dazu aufzurufen.
Lustig wirds, wenn ebenjene Politiker, die Aufstände in anderen Ländern oder in der Vergangenheit hierzulande als Freiheitskampf gutheißen (die auch von Gewalt begleitet sind) hier vor ihrer heutigen Haustür einen ganz anderen Freiheitsbegriff definieren. Mit Georg Elser kann mittlerweile auch die CSU, ist halt auch schon ewig her…
Achso, und was auch oft vergessen wird wenn von mehreren 100 verletzten Polizisten die Rede ist; da ist vom eingerissenen Fingernagel und größeren Kollateralschaden wie Pfefferspray selber in die Fresse gekriegt über blaue Flecken alles dabei. Da wird ja auch immer suggeriert, daß die alle tage/wochenlang im Krankenhaus liegen…
Daß Gewalt durchaus ein politisches Mittel ist, ist ein Allgemeinplätzchen, Hugo. Beginnend mit dem staatlichen Gewaltmonopol und der Staatsgewalt.
Che ist übrigens kein besonders gutes Beispiel und Sie ganz offensichtlich im Besitz des Che-T-Shirts^^
Der Herr Guevara stammte aus einer reichen Familie, hat sich um seine eigenen Frauen und Kinder nie groß gekümmert, war von Stalin ausgesprochen überzeugt und wenig zimperlich mit Hinrichtungen. Ob der auch so auf Augenhöhe mit der damaligen (und irgendwie auch noch heutigen) Mehrheit im Ost-Kongo war, von wo er die große afrikanische Revolution starten wollte, darf ebenfalls bezweifelt werden. Nein, müssen wir hier nicht weiter vertiefen.
Es wurde eine Website eingerichtet, auf der unverhältnismäßige Polizeigewalt gegen Demonstranten, Journalisten und Anwälte gesammelt und dokumentiert werden: G20 Der Gipfel der Polizeigewalt
Sascha Lobo, SPON: World Wide Wut
Stefan Niggemeier, Übermedien: Wie „Bild“ es dem Kevin mal so richtig gezeigt hat
Schauschau, wird ja immer differenzierter…
Im Print-Spiegel via pastebin gibt’s den O-Ton des Staatsfeindes Nr. 1 (-13), nämlich einer der 13 Verhafteten vom Gerüst des Hauses Schulterblatt 1, wegen denen die Polizei die Schanze 4 Stunden lang zur polizeifreien Zone erklärte, zu gefährlich. Wirklich interessant ist auch der Einblick in die Gefangenensammelstelle und in das Walten der Hamburger Justiz.
In der taz gibt’s ein Interview von Malene Gürgen mit Alvaro Piña Otey, dem Betreiber der Cantina Popular, auch Schulterblatt, der auch für die Anwohner-Stellungnahme bei Facebook (weiter oben schon zitiert) mitverantwortlich ist.
Lesen Sie beides ganz!
Zur Teilnahme von IS-Kämpfern an der Randale liegen Herrn Dudde keine Erkenntnisse vor. Nein, ist kein Scherz, sondern Antwort auf eine Anfrage der AfD im Innenausschuß des Hamburger Senats.
John F. Nebel, Metronaut, hat sich die 8 Stunden Innenausschuß-Sitzung angetan, mit einem so erwartbaren wie ernüchternden Fazit: mission accomplished – polizeiliche Deutungshoheit mit Hilfe der Grünen durchgesetzt. Sehr lesenswert.
Moritz Wichmann, nd im Interview mit zwei Demo-Sanitätern: »Man kann froh sein, dass es keine Toten gab«
„Erstaunlich, wie die strafrechtlichen Vorwürfe dahinbröseln“
Ronen Steinke heute bei SZ-online („Festgenommen wegen Pfefferspray im Rucksack“):
Wortprotokoll der Sitzung im Hamburger Innenausschuß vom 19.Juli 2017.