NomNom: Tarte aux Citron

Weil mir die Wahl in Frankreich, egal wie sie ausgeht, Mitgefühl mit ziemlich vielen Franzosen abverlangt (nämlich mit denen, die den Neoliberalen wählen müssen, um die Nazisse zu verhindern), weil die Erdbeeren noch nach nix schmecken und die Mainächte weniger lau als schweinekalt sind: Tarte aux Citron. Definitiv kein Diätgericht, sondern die pure Sensation im Mund, man nehme:

  • für den luxuriösen Mürbeteig (20er Springform, für eine 28er das gesamte Rezept verdoppeln):

65 g weiche Butter (nein, nicht flüssig, weich)

35 g Rohrzucker

1 großzügige Prise Salz

1 Eigelb (das Eiweiß findet später Verwendung)

20 Mandeln (mit Schale fein gemörsert)

125g Mehl (Weizen, 405er)

Die Zutaten werden in order of apperance zusammengerührt: erst die weiche Butter hellcremig rühren, dann den Zucker und das Salz dazu, glattrühren, das Eigelb dazu und rühren, dann die gemörserten Mandeln und das Mehl dazu und nur gerade so lange rühren, bis eine gleichmäßige Streuseligkeit entstanden ist. Die wird – zügig – mit den Händen in eine kompakte Masse verwandelt, auf Klarsichtfolie gebettet und grob kreisförmig vorgeformt, mit einem weiteren Bogen Folie bedeckt und auf etwa 4 mm Dicke ausgerollt. Mit der (gebutterten und bemehlten) Springform wird die Größe des Bodens markiert, die Überstände getrennt und zur Seite gelegt, der Boden an der Folie klebend auf den Boden der Springform appliziert und dann, nach dem Abziehen der Folie, am Rand hochgewölbt, bis der Ring der Springform passt und geschlossen werden kann. Aus den Überständen werden Streifen für den Vertizont der ganzen Herrlichkeit vorgeformt und ebenfalls zwischen Folie auf ca. 3cm Breite ausgerollt. Mit Hilfe eines Messers werden sie von der Folie gelöst, in die Springform balanciert und dort mit dem Boden und mit sich selbst verbunden.

Das bröselt und reißt und nervt womöglich – denken Sie sich nix, das muß so. Es geht in keinem Fall in einem Stück, ich versuche mich meistens mit 3 Streifen und einer davon geht garantiert schief. Das ist nicht weiter schlimm, einsammeln, zu einem Würstchen rollen, flachdrücken, nochmal auf 3 cm ausrollen, nochmal in die Form balancieren.

Wie wir alle wissen, Dank Samuel Becket: Ever tried. Ever failed. No matter. Try Again. Fail again. Fail better.

Wirklich wichtig ist, daß nirgendwo Löcher oder Risse sind, alles andere ist Kür und hängt vom Grad des eigenen Perfektionismus ab. Hilfreich ist, nicht endlos an einem Punkt zu verschlimmbessern, sondern die Form zu drehen und in die Runde zu arbeiten – früher oder später ist der Teig gleichmäßig verteilt und der Rand ein Rand – u.U. zwischendurch die Hände unter kaltes Wasser halten, der Teig soll beim Verarbeiten nicht warm werden. Anschließend 1 Stunde kühlen (normalerweise werden Mürbeteige vor der Weiterverarbeitung gekühlt, ich finde es danach einfacher bei der Ausroller- und Montierei).

  • für die noch luxuriösere Füllung (die auch ohne Kuchen köstlich ist, dann Lemon Curd heißt und 2 Wochen im Kühlschrank hält. Falls sie so lange hält):

3 Eier und das Eiweiß (bio und superfrisch)

130g Rohrzucker

130 ml Zitronensaft (ca. 3 durchschnittlich große Zitronen und zwar ebenfalls bio)

Zesten oder Abrieb von mindestens einer Zitrone

150g sehr kalte Butter in Würfeln

So, wie die Springform im Kühlschrank parkt, wird die Butter in Würfel geteilt und ins Gefrierfach gepackt. Ein Topf mit etwas Wasser wird zum Kochen gebracht, währenddessen die Zitronenschale abgerieben, die Zitronen ausgepresst, beides zusammengekippt und bereit gestellt. Eier und Zucker werden – in einer auf den Wasserbad-Topf passenden Schüssel – glatt gerührt, dazu kommen Zitronensaft und -schale und dann möchte man bitte gern dabeibleiben und ständig mit einem Schneebesen rühren, um einer Art Zitronenrührei vorzubeugen. Die Säure des Zitronensaft verschiebt den Gerinnungspunkt des Eiweiß von 42 auf etwa 80°C, man merkt es aber auch ohne Thermometer, wenn die Masse anzieht und puddingartig wird. Das dauert vierfünf Minuten des steten Rührens und die Masse wird dabei so heiß, daß man den Probier- und Ableckfinger nicht mehr allzu lange hineinhalten will. Dann: Schüssel zur Seite stellen, abkühlen lassen, gelegentlich umrühren.

Während der Backofen auf 170°C Oberunterhitze vorheizt, die Springform aus dem Kühlschrank holen, den Teig überall ein bißchen ein-(nicht durch-)pieken und dann etwa 30 Minuten backen – bis sich der obere Rand keksig-bräunlich und der Boden goldbraun färbt. Backöfen sind Individualisten und sie lügen oft bei der Temperaturanzeige, weswegen ich das nach Augenmaß mache. Man kann die Tarteschale auch blindbacken – Boden und Seiten mit zugeschnittenem Backpapier abdecken, mit Erbsen, Bohnen o.ä. füllen und 15 Minuten backen, dann Erbsen, Bohnen o.ä. und das Backpapier entfernen und weitere 15 Minuten in den Ofen schieben, bis sich der obere Rand usw.usw.

Die Tarteschale auskühlen lassen! Dann löst sie sich auch freiwillig aus der Form und kann gleich auf die Servierplatte.

Inzwischen ist die Füllung auf Körperwärme abgekühlt und die eiskalte Butter wird würfelweise mit dem Pürierstab einmontiert, der auch gleich die Zesten atomisiert. Mit der Butter wird sie nicht nur leckererer und später ohne Stärke oder Gelantine schnittfest, sondern die durch den Rohrzucker bräunliche Farbe verwandelt sich in ein sehr appetitliches Hellgelb. Das überoberköstliche Gelb wird in die Tarteschale gegossen, bis über den Rand glattgestrichen und mindestens 2 Stunden (geht auch über Nacht) in den Kühlschrank gestellt.

Das ist der härteste, da unerträglich lange Moment. Denn die Küche duftet nach Mürbeteig, das Schüsselauslecken ließ auf Hochgenuß schließen und es muß aber gewartet und gewartet werden, bis die Tartefüllung endlich schnittfest ist.

Ich weiß ja nicht, was Sie währenddessen tun – ich habe nach dem Abwasch einen Blog geschrieben. Und freue mich jetzt unbändig auf Dero Keksigkeit mit einem Hauch Mandel, gekrönt von zitronigbuttriger Seide im Mund. Das ist nicht das winzigste bißchen übertrieben, sondern lohnt jede Mühe und ist einfach nur gut.

 


Bild (beschnitten): Max Buri, Stilleben mit Zitrone und Weinglas, gemeinfrei

Rezept abgewandelt von dem der fabulösen La Pâticesse, deren Blog immer einen Besuch wert ist


9 Kommentare zu „NomNom: Tarte aux Citron

    1. Sie haben mich vorhin mit dem übertönbaren azahar (wunderschön!) erst auf die Zitronentarte-Spur gesetzt.
      Orangenblütenwasser hätte ich zwar gehabt, aber andere Zutaten nicht (nämlich zu einer Tarte mit Rhabarber, Himbeeren und Orangenblüten- oder Rosenwasser) – ging also nicht.

      Zitrone gleicht sonst einer unüberhörbaren Trompete, in dieser Kombination aber wird sie fast zur Oboe – schmeichelnd, sanft, trotzdem unüberhörbar.

      Viel Vergnügen beim Probieren! Und bitte schreiben, ob sie Ihnen gefällt!

  1. Mal süß und nicht erbittert. Eine neue Seite. Es ist ja erstaunlich, wie Sie den fließenden Übergang von der Weltpolitik zu den Gaumengenüssen finden. Tres francais. :-)

    1. Ojemine, klinge ich sonst immer erbittert?
      Es stimmt zwar, daß mir ziemlich oft Zorn die Motivation zu einem Blog ist, aber Erbitterung? Das klingt so nach Hoffnungslosigkeit und nach schlimmen Falten von den Mundwinkeln abwärts. Nö, beides habe ich nicht.

    1. Das ist passend zur Großwetterlage (innen wie außen) und kein Hexenwerk (bloß der Teig ist ein bißchen tricky, wegen der vielen Mandeln). Her mit dem guten Leben!

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