„… ich als unschuldige Frau …“

Schon als ganz kleine dame.von.welt fand ich Karneval beängstigend und eine Zumutung. Trotzdem wurde ich über x Jahre zum Kölner Straßenkarneval gezwungen. Und da stand ich dann, ohne Sicht auf die Wagen eingekeilt zwischen lauter besoffenen Erwachsenen und wurde zur Strafe noch mit harten Bonbons beworfen. In einem Jahr trug ich sogar ein amtliches Veilchen davon, als mich so ein Zuckerklumpen direkt in die Augenhöhle traf, genau meine Idee von Amüsement.

Mir sind Menschenmengen aller Art suspekt und zwar egal, ob es sich um überfüllten ÖPNV, Reichsparteitag, Fußball, Konzert oder Karneval handelt. Je besoffener die Menschenmenge, desto suspekter ist sie mir.

Daß ich viele Jahre später nach Berlin zog, hatte auch mit der hiesigen Verschonung vom Karneval zu tun. Als ich noch viele Jahre später in Aachen studierte, versöhnte mich ein Kostüm (in einem Jahr, in dem ich nicht fliehen konnte) ein bißchen mit dem Ausnahmezustand – das einer hochschwangeren Frau, die sich kaum in den Bus quetschen konnte, weil sie sich als Heulboje verkleidet hatte und das ging so: ein neongelbes Ganzkörperkostüm mit großzügiger achsensymmetrischer Auspolsterung (Durchmesser leicht anderthalb Meter), an der dicksten Stelle noch ein Wulst in neonrosa und auf dem Kopf, über dem gelb-rosa geschminkten Gesicht, ein in die Kapuze eingearbeiteter Lärm aus der Spraydose. Mich beeindruckte ihre unbedingte Hingabe an den Karneval und sie war wirklich ansteckend lustig.

Sympathisch ist mir auch die Idee des Nubbel und seiner Verbrennung – in der Nacht von Dienstag auf Aschermittwoch wird eine Puppe verbrannt, die an allem schuld ist. Egal, ob leerer Geldbeutel, zweifelhafte Sexualkontakte, Filmriss und was sonst noch so alles passieren kann, wenn biedere Leute vorübergehend ihre Biederkeit ablegen: der Nubbel ist es in Schuld.

 


Langer Rede, gar kein Sinn: ich bin in Sachen Karneval befangen und voreingenommen. Mich überrascht deswegen auch nicht, daß sich Karnevals-/Faschings-/Fasnachts-Sitzungen in aller Regel aus örtlichen Honoratioren mit Agenda zusammensetzen, die nur auf Kommando lachen, saufen und schunkeln und im sonstigen Leben ausdrücklich spaßbefreit sind. Noch weniger überraschend finde ich, daß schenkelklopfende TaDä-Erheiterung immer auf Kosten anderer geht, so auch die Verteidigungsrede von Annegret Kramp-Karrenbauer vor dem Stockacher Narrengericht. Irritiert hat mich daran dreierlei:

  • daß trotz öffentlich-rechtlicher Aufzeichnung kaum ein Journalist m/w Kenntnis nahm, Johannes Kram vom Nollendorfblog, später auch im BILDblog, war nach queer die Ausnahme
  • daß ihre Ausführungen über Toiletten als Diskriminierung von trans Menschen und Intersexuellen verstanden wird und nicht auch von Cis-Männern und -Frauen
  • und daß geglaubt wird, es handele sich um Ausrutscher, die sie nicht ernst meine und sie zur Entschuldigung aufgefordert wird

Ich habe gestern die eineinhalb Stunden der SWR-Aufzeichnung gesehen – so, wie ich mir eine Doku über eine der 52 vietnamesischen Minoritäten oder eine über die Wallfahrt nach El Rocío ansehen würde – interessiert, distanziert, unter phänomenologischen Aspekten und mit Respekt für eine Jahrhunderte alte Tradition.

Und ich sage Ihnen: es gibt in Deutschland Parallelgesellschaften, die Annegret Kamp-Karrenbauer für ein „männermordendes Phantom„, für das tonangebende Mitglied einer „verschworenen feministischen Weibertruppe in Berlin“ halten, von Angela Merkel hingegen wird nur angenommen, sie sei weiblich. AKK habe die CDU gewaltsam kastriert, sie habe ihren CDU-Thron durch Verführung Minderjähriger geraubt und sie unterjoche und zersetze die Republik (ab 0:24).

Nicht besser wird es (ab 0:36) in der Verteidigungsrede ihres ‚Fürsprech‘, u.a. mit einem Hieb auf unbegleitete minderjährige Flüchtlinge, zu deren Altersfestsetzung Kramp-Karrenbauer radiologische Untersuchungen anberaumte und „254 Betrüger überführte„, mit einem gegen Homosexuelle und die Ehe für alle, „die Sache mit der Homo-Ehe„, über die man ja unterschiedlicher Meinung sein könne, „Ehe gleich Ehe von Mann und Frau Punkt„, so Kramp-Karrenbauers „klare, katholische, unterschiedliche Meinung„. Steil fand ich auch:

Wo andere sich biegen und wenden wie ein Marshmallow beim Grillen, hat sie etwas, was in der Politik immer seltener wird, nämlich Mut zur Richtlinie und Kompetenz, kurz Rückgrat.

Lacherfolge erzielte der ‚Fürsprech‘ mit „Kampf-Kassenschlager„, „Krampf-Kistenhocker„, „Kampf-Camenbert“ usw. und der Bekundung, Kramp-Karrenbauer sei im Vorteil einer „Minimerkel“ und mit Mitte 50 noch so jung und unverbraucht, daß sie Minirock tragen könnte, wenn sie wollte, was er sich bei Angela Merkel gar nicht vorstellen möchte.

Das nur als einige wenige Beispiele des Niveau-Limbo und als Kontext zu Kramp-Karrenbauers folgender Logorrhö (ab 0:48). Bei der war keine Bewegung und kein eines Wort witzig, spontan, unkontrolliert oder gar unbeabsichtigtes Versehen. Weder ihr Gerieren als reaktionäre Emanze noch das als Märtyrerin der Fleischvielfresser und Umweltzerstörer, als Schutzheilige der Verächter von Frauen, Homosexuellen, Diversität. Die ist keine „unschuldige Frau„, sie meint nichts ironisch. Sie meint das bitterernst und sie meint es politisch. Die wurde nicht trotz, sondern wegen ihrer Ressentiments zur CDU-Vorsitzenden und designierten Kanzlerin.

Stoppt Annegret Kamp-Karrenbauer!

 


Warum sonst noch so alles, können Sie bei Leo Fischer, nd nachlesen (am 23.02.2018 erschienen, also lange vor Kramp-Karrenbauers Idee von Lustig)

Homosexuelle gehören letztlich nicht zu uns, zersetzen die Volksgemeinschaft, sind im Grunde eine Gesundheitsgefahr: Sätze, die man AfDlern niemals verzeihen würde, wurden von der CDU, wurden von Merkel billigend abgenickt. Vollstes Verständnis haben bei AKK auch sogenannte Lebensschützer, die Frauen mit Abtreibungswunsch terrorisieren – dein Bauch gehört ihr: »In einer Gesellschaft läuft einiges schief, wenn sich die Öffentlichkeit nicht mit 1278 Abtreibungen allein im Saarland beschäftigt, sondern über eine Kampagne zum Thema aufregt«, ließ sie sich zitieren. Sie griff Kopftücher an, wollte aber Kreuze in Gerichtssälen hängen lassen. Sie kürzte Mittel für Behinderte, Arbeitslose und Familien. Sie drangsalierte Sexarbeiterinnen mit Sperrzeiten und Verboten. Immer weiß sie, den Zugriff der Gesellschaft aufs Innerste des Individuums zu verteidigen; ihre Identifikation mit der Macht ist total. Nachdem bei dem Attentat auf die Redaktion des französischen Satireblatts »Charlie Hebdo« zwölf Menschen ermordet worden waren, fiel AKK nichts Besseres ein, als den sogenannten »Blasphemie-Paragrafen« (§ 166 StGB) zu verteidigen, da »religiöse Gefühle« besonders schutzbedürftig seien. Wieder hatte sie klar erkannt, wo die Macht steht und wo die störenden Individualisten, und sich instinktiv auf die Seite der Macht geschlagen: Dass sie dabei islamistischen Mördern letztlich recht gab, war ihr wurscht. AKK ist auf Seiten der Gewalt, egal, von wem sie ausgeht. Niemals hat sie etwas gewagt oder anders gemacht; umso stärker muss ihr die Tatsache, dass Leute sich gegen die Gesellschaft, gegen religiöse Despotie oder sexuelle Normierung wehren, als persönliche Provokation erscheinen. Ihr Bekenntnis zu Frauenquote, Mindestlohn und Väterzeit, die ihr manche als »links« auslegen, dürfte eher der Anerkenntnis des Faktischen als einer tiefen inneren Überzeugung geschuldet sein.

Nein, da ist nichts, einfach gar nichts; kein Geist ist da.

Annegret Kramp-Karrenbauer wird voraussichtlich schon in wenigen Jahren Parteivorsitzende einer CDU, die ohne große Schmerzen mit der AfD koalieren kann. Es steht zu vermuten, dass Merkel sie auch aus diesem Grund gefördert hat: Weit nach rechts offen, ohne den Dominanzanspruch der bürgerlichen Mittelschicht gänzlich völkischen Forderungen preiszugeben, nimmt AKK die Nazis mit, ohne ihnen Recht zu geben. So schließt Merkel die rechte Flanke, ohne die Mitte zu hintergehen, und sichert auch noch ihr politisches Erbe. Und verschreibt dem Land mindestens zwanzig weitere Jahre geistig-kulturellen Stillstand.

 


 

Nachtrag 27.5.2019: Annegret Kramp-Karrenbauer möchte die Abschaffung von Artikel 5 GG diskutieren.

 


Bild: Screenshot auf der Website des Stockacher Narrengerichts


58 Kommentare zu „„… ich als unschuldige Frau …“

  1. Ja, diese Frau und die Machtorganisation, die hinter ihr steht, müssen aufgehalten werden. Wir erleben gerade den Anlauf zu einer Rolle rückwärts in die 30er Jahre, mit den vermeintlich Konservativen, in Wahrheit Reaktionären, die die Steigbügelhalter für die neuen blauen Nazis sind. Liberalismus und Fortschritt werden entschieden bekämpft, neue Ideen für Teufelszeug gehalten und Menschenrechte stehen nur heterosexuellen weißen Menschen zu. Widerwärtig.

    1. Das ist auch eine Umkehr jeder karnevalistischen Tradition inklusive des Stockacher Narrengerichts. Karneval ist, wenn sich das Volk ungestraft über die Potzöberen lustig macht und nicht, wenn eine machtgeile Reaktionäre von oben herab pöbelt.

  2. Ein paar Meinungen:
    Ruben Donsbach, Zeit-Magazin:

    Auch die Vorsitzende der CDU lässt das Gespenst des ehrlichen Bürgers umgehen, der meint, sich mit vollem Recht über alles lustig machen zu können, was nicht seinen Werten und Normen entspricht. Überall, wo er nicht ist, ist Darkroom. Und bei Annegret Kramp-Karrenbauer sind dann, ihrer Rede zufolge, auch noch die Frauen schuld, dass die Männer angeblich so verweichlicht sind und beim Pinkeln sitzen müssen. Alle Frauen? Oder war es umgekehrt, und die schlaffen Männer haben dafür gesorgt, dass die Frauen noch selbstständiger geworden sind? Alle Männer? Immerhin hat sie in ihrer Rede so auch Witze auf ihre Kosten gemacht. Das war nicht progressiv, sondern ein Versehen.

    Johannes Kram, Interview mit Katharina Schwirkus, nd:

    So wie sie den Witz vorgetragen hat, war er ein Mittel, um sich selbst als starke Frau darzustellen.

    Ja, aber wenn sie Intersexuelle als Männer und vor allen Dingen als Männer mit Luxusproblemen darstellt, ist sie genau das nicht: eine starke Frau. Sie geht ja nicht gegen die Privilegierten vor, sondern gegen Menschen, die gerade dabei sind, ihre Rechte zu erstreiten. Was mir ganz wichtig ist: Durch den Witz ist nicht nur eine Minderheit beleidigt sondern auch die Mehrheit. Weil es offensichtlich ist, dass die CDU-Chefin keine andere Möglichkeit sieht, die Mehrheit für sich zu bekommen, außer über niedrige Instinkte.

    Von Trans- und Interpersonen hat Kramp-Karrenbauer selbst nicht gesprochen, sondern vom »dritten Geschlecht«.

    Das ist natürlich Blödsinn, wie sie hoffentlich selbst weiß, weil es kein drittes Geschlecht gibt, sondern eine Vielfalt. Sie meint die dritte Option, die auch von ihrer Partei mitbeschlossen wurde, weil das Bundesverfassungsgericht das vorgegeben hatte. Sie tut so, als ob das Menschen mit Luxusproblemen seien, die in Berlin Mitte sitzen, im Szenekaffee und sich aus Langeweile ein neues Geschlecht aussuchen. Entweder unglaublich dumm, oder unvorstellbar ahnungslos für eine Spitzenpolitikerin. Oder unglaublich dreist.

    Oder dreist berechnend, which is my guess.

    Beatrix von Storch ist sehr amused, Julia Klöckner der Meinung, es sei eine Diskriminierung, trans Menschen und Intersexuelle nicht zu diskriminieren und der mit der AfD sympathisierende CDU-Hinterbänkler Sascha Ott:

    1. Zu Sascha Otts Meinung: Nein, es gibt Tatsachen, über die man keine Witze macht und man auch nicht lacht. Das erfordert nicht nur Anstand, sondern auch der Respekt vor der anderen Person.

      Ansonsten:ich habe diese Sendung mit AKK kurz gesehen und fand sie abstoßend und blöde, dass ich heute noch nicht verstehe, warum man so was überhaupt machen konnte. Oder sieht so Volksverblödung und Volksverdummung aus und der Karneval, wo alle so schön heiter und betrunken sind, gerade richtig ist, um bei dem närrischen Volk derartige Aussagen ins Unterbewusstsein zu träufeln? Scheint mir plausibel zu sein.

      1. Willkommen Karola!
        Ich glaube, man sollte sich vergegenwärtigen, daß Karneval für ziemlich viele der absolute Höhepunkt des Jahres ist und die Vorbereitung dazu mit allerhand zeitlichem Aufwand und größtem Ernst betrieben wird. Mir ist das ebenso fremd wie eine ganze Reihe anderer Parallelgesellschaften, z.B. Fußballfans oder Bewohner extrem reicher Gegenden wie Kronberg im Taunus oder Leute, die an Chemtrails und/oder die jüdische Weltverschwörung glauben.
        Mich hat der Kontext interessiert, in dem Kramp-Karrenbauer ihren Scheißspruch machte und ich war von der reaktionären Dummheit fast beinahe fasziniert.

  3. Danken wir dem Alkohol, der für die nötige Lockerung der kalkulierten Barrieren sorgt, hinter denen die sonst eingepferchten wabernden Vorurteilsstrukturen hervorkriechen können, und der in Verbindung mit enthemmter Narrerei dafür sorgt, daß man sich ganz entspannt so blöde und kleinbürgerlich-primitiv zeigt, wie man tatsächlich ist. Für die, denen das nicht ohnehin klar war. In vino und so weiter.

    1. Hello again lyriost! Im Internet geht man sich eben nicht verloren…;-)…
      Alkohol hilft zweifelsohne bei der Entstellung zur Kenntlichkeit. Ich fürchte aber, daß Karneval inklusive kollektivem Besäufnis zum Nicht-so-ernst-nehmen führt (alle anderen: Spaßbremsen!) und als vorauseilende Entschuldigung dient, auch für die Nicht-Berichterstattung. Bedauerlicherweise kennt die Politik aber keine Nubbel-Verbrennung, sondern lädt die Politiker-Sünden den Bürgern auf, um sie anschließend in die Wüste zu jagen.

  4. Die Politik jagt die Bürger (ohne*innen) in die Wüste? Oder die Sünden? Oder sie Sünden mit den Bürgern? „Was mich an deinem Beitrag wirklich erstaunt hat, dass Frauen heute den gleichen bräsigen selbstgefälligen Quatsch erzählen wie die Männer es seit fünfzig Jahren Fernsehkarneval schon tun. „Wir sind alle kleine Sünderlein. War immer so, war immer so, war immer immer so.“

    1. Sie kennen das biblische Motiv des Sündenbocks nicht? Eine Gemeinschaft belädt den stellvertretenden Ziegenbock mit den gesellschaftlichen Sünden und jagt ihn dann in die Wüste: Bock weg, Sünden weg, Gemeinschaft wieder hübsch. Das Nubbelverbrennen ähnelt dem sehr.

      Kramp-Karrenbauer biedert sich bei Reaktionären und Faschisten an, indem sie ihnen eine Minderheit zum Fraß vorwirft, die um ihre Anerkennung und um unverstümmelte kindliche Genitalien ringt. Karneval ist aber, wenn sich die Unterlinge ungestraft über ihre Obrigkeiten lustig machen können. Nicht, wenn eine Obrigkeit von oben herabpöbelt und alle, die das zum Kotzen finden, unter Spaßbremse, Taliban usw. fasst.

      Die Politik übernimmt für ihre blöde Scheiße nur im seltenen Ausnahmefall Verantwortung, sondern läßt sie von den Bürgerinnen (Männer mitgemeint) ausbaden. Ergänzt noch um das Kalkül mit dem extrem kurzen Wählergedächtnis.

      Was mich an deinem Beitrag wirklich erstaunt hat, dass Frauen heute den gleichen bräsigen selbstgefälligen Quatsch erzählen wie die Männer es seit fünfzig Jahren Fernsehkarneval schon tun.

      Warum/seit wann hätten Frauen die besseren Menschen zu sein?

      1. Anders, nicht besser. Ich dachte, wenn eine unter dem blöden Gequatsche selber zu leiden gehabt hat (und das hat sicher auch AKK als Frau ihrer Generation), sollte sie das doch selbst vermeiden. Aber vielleicht funktioniert das nach dem Prinzip: Druck nach unten weiter geben, an die, die sich noch weniger wehren können.

        1. Frauen sind nicht unbedingt solidarischer als Männer, sondern werfen nicht selten andere unter den Bus – in der Hoffnung, selbst verschont zu werden. Ist sone Art Voodoo, sich den üblichen Unter-den-Bus-Werfern anzudienen. Hinter jedem schmierigen Herrenwitzbold steht mindestens eine Frau, die allen anderen Frauen mitteilt, daß sie sich mal nicht so anzustellen hätten.

          1. Nicht nur das. Sie machen auch selber schmierige, sexistische Witze über Frauen und freuen sich, wenn darüber gelacht wird. Habe davon heuer genügend auf speziellen Frauen-Karnevalssitzungen gehört und umgeschaltet.Nur noch ekelhaft und primitiv.

    1. Es lohnt sich schon, sich die gesamte Veranstaltung anzusehen. Ich war überrascht, daß es im tiefen Westen immer noch so reaktionär zugeht. Für große Teile des Publikums ist Kramp-Karrenbauer fünf vor Sodom und Gomorra, weil sie (und nicht irgendein Mann) den CDU-Vorsitz innehat.

  5. Mensch, endlich wieder ein Artikel von Ihnen. Hoffentlich muss ich nicht wieder ein Viertel Jahr auf den nächsten warten. :)
    Es gibt kaum bis gar keine guten Blogs mehr.

    Zu Karneval: Gaaanz früher war das mal so, dass Karneval „sich die Unterlinge ungestraft über ihre Obrigkeiten lustig machen können“. Seit mindestens einem knappen Jahrhundert ist Karneval eher „beängstigend und eine Zumutung“.
    Auch ich bin wie Sie voreingenommen und habe für dieses typisch deutsch kleinbürgerliche „einmal im Jahr ist ‚ausflippen‘ angesagt und wer sich nicht dran hält kriegt ein auffe Schnauze“-Scheiß nur Verachtung übrig (ehrlich).
    Ich habe meine Kindheit in Münster verbracht, da meine Familie „kulturel“ aus einer großen Hansestadt im Nordwesten stammt und da auch mental immer noch verhaftet waren, war Karneval immer ein Graus. Rosenmontag hieß das bei uns immer „Niedersachsentag“, weil wir ab 7:00 Uhr Morgens im Auto saßen und gen Nordseeküste nach Ostfriesland fuhren.
    Anekdoten am Rande: Ich war mal, dass muss so 1987/88 gewesen sein, in MS auf einer echten Büttenredeveranstaltung (tja, als Punky Anfang Zwanzig empfanden das meine Kumpels und ich als eine Art von „subtilen“ Humor).
    Da war ein „Starredenschwinger“ irgendwo aus Süddeutschland, kleine Kotzprobe:“Die Grünen und der Umweltschutz ziehen unsere Kemie in Schmutz“-tatatatatata-„Die Sozies unn die Schwule, solln‘ raus aus deutsche Schulen“-tatausw.usf.
    Das, genau das, war und ist für mich dt. Karneval. Mir war klar, warum, als ich Volljährig wurde, ich ganz schnell wieder nach Bremen zog.

    1. Mich freut das Bloggen seit einer Weile nicht mehr so, ich habe das Gefühl, mich nur noch zu wiederholen, daß andere die Dinge viel besser auf den Punkt bringen und ich mißtraue meiner Aufregeritis. Weswegen ich keine Ahnung habe, wie lange Sie auf den nächsten Blog warten müssen, aber: vielen Dank für Ihre Treue!

      1. Da ich kann ich doch gleich nachlegen. Vor Jahren war ich mal hier. Dann irgendwie mit Anderem beschäftigt und heute suchte ich mal nach „schönen“ Blogs und fand diesen hier wieder. Gefällt mir gut, WIE sie schreiben und über WAS sie schreiben. Danke.

  6. Die ist neben dem Kopf auch noch blöd.

    Kramp-Karrenbauer zeigte Unverständnis für die Art und Weise, wie über ihre Äußerungen diskutiert wurde. … Wenn man weiter „so verkrampfe“, bestehe die Gefahr, das „ein Stück Tradition und Kultur in Deutschland“ kaputtgehe.

    … Nach dem Fall der Berliner Mauer 1989 seien die Deutschen das glücklichste Volk auf der Welt gewesen. „Heute habe ich das Gefühl, wir sind das verkrampfteste Volk, das überhaupt je auf der Welt rumläuft. Das kann doch so nicht weitergehen.“

    1. Sie ist ein Schreihals und schreit Parolen in die Welt. Ich gehöre auch zu DE und war nicht der glücklichste Mensch der Welt, weil ich sah, wie Kohl und Konsorten sich damit schmückten und etwas etwas einfädelten, was ganz und gar nicht gut war: Das Ausbeinen der DDR mit plötzlich Millionen arbeitslosen Menschen…

      SIE hat das Gefühl, dass WIR das verkrampfeste… usw. Man sehe sie sich an. Sie kann keine Kritik vertragen, sie kann nicht „Sorry“ sagen, Ich denke,dass ihr der Text doch nicht vorgegeben war und sie sich selber Gedanken machen musste, wie sie sich verteidigt. Da kommt dann das wahre Gesicht. „Jetzt, die Gelegenheit ist günstig. Unter dem „Schirm“ des Karnevals kann ich endlich mal loswerden, was ich sonst nicht sagen darf.“ So etwa muss die Intention gewesen sein.

  7. Natürlich wäre es schöner, wenn sich im Karneval mehr über die AFD oder irgendwelche Bonzen lustig gemacht werden würde, stimmt, warum allerdings Minderheiten vom Spott ausgenommen sein sollen, ist mir nicht klar. Niemand erhält Spottschutz, sonst macht es keinen Sinn.

    1. Weil, wenn man Minderheiten zum Spott der Allgemeinheit macht, der Weg nicht weit ist in alltägliche Diskriminierung.und Lebensbedrohung. MInderheiten sind die schwächsten Glieder in der Gesellschaft. Sie brauchen unseren Schutz und nicht unser Auslachen.

    2. Niemand erhält Spottschutz, sonst macht es keinen Sinn.

      Hmnuja. Kramp-Karrenbauer hat das „dritte Geschlecht“ (was sowieso schon Strunx ist, es geht um die °dritte Option°) nicht verspottet, sondern geleugnet. Sie amüsiert sich über verunsicherte Sitzpinkler, eigentlich aber und über die Bande gespielt über Frauen, die in aller Regel die Klos putzen und deswegen Sitzpinkler oft bevorzugen. Nach meiner Erfahrung hängt das tatsächlich am Putzen, alle Männer (Freunde, Bekannte, WG-Genossen, Kollegen usw.), die selbst Klo putzen, pinkeln drinnen im Sitzen.

      Warum es mir nicht einfiele, mich speziell über Intersexuelle zu erheben und lustig zu machen, können Sie im Schattenbericht nachlesen – falls sich mal wer über Genitaloperationen an unmündigen Kindern aufregen möchte, mit einer Trefferquote bei der Geschlechtszuordnung von nicht mal 40%.

      Es gab vor Jahren ein ganz großartiges Feature im dradio – Sag es keinem anderen – aus dem unter anderem klar wird, daß wir im 18. Jahrhundert schon mal wesentlich weiter waren als heute.

      1. „Nach meiner Erfahrung hängt das tatsächlich am Putzen, alle Männer (Freunde, Bekannte, WG-Genossen, Kollegen usw.), die selbst Klo putzen, pinkeln drinnen im Sitzen.“
        Bingo! Als langjähriger und überzeugter WG Bewohner kann ich das nur unterstreichen. Erst als ich mit gerade 19 Jahren von zuhause ausgezogen bin, wurde ich zum „Sitzenpinkler“, hatte vorher doch Mutti immer das Klo geputzt.
        Was mich aber trotzdem sehr verwundert, ist das es in manchen Kreisen immer noch die Diskussion „sitzen vs. stehen“ gibt.
        So eine Auseinandersetzung habe ich ehrlich gesagt letztmalig in den 1990zigern mitbekommen. Neben, eigentlich „aufgeklärten“ Männern (das dümmste „Argument“ war, dass dies „unnatürlich“ sei) waren es interessanterweise Frauen aus mehr oder weniger bürgerlichem Spektrum, die sich über mein sitzenpinkeln lustig gemacht haben.
        Das hat wahrscheinlich tatsächlich mit Ihren Ausführungen zu tun (siehe Kommentar vom 05.03. 5:48Uhr).

        1. Was mich aber trotzdem sehr verwundert, ist das es in manchen Kreisen immer noch die Diskussion „sitzen vs. stehen“ gibt.
          So eine Auseinandersetzung habe ich ehrlich gesagt letztmalig in den 1990zigern mitbekommen.

          We are having backlash. Es ist bei weitem nicht nur das Sitzpinkeln und Kloputzen, wozu erschütternd viele immer noch Diskussionsbedarf haben. Sondern so gut wie alles in den letzten 70 Jahren Errungene steht zur Disposition.

          1. Weiß nicht, ob Against Me! Fred oder gar eine*r anderen geneigten Leser*in was sagen; die sind durchaus auch außerhalb der Punkerblase bekannt.
            Frage (21 von oben, 8 von unten gezählt): „…zum einen wegen der Weigerung vieler Bands, in North Carolina zu spielen, wegen eines trans-menschenfeindlichen Gesetzes dort,…“
            Antwort: „Es ist unglaublich, dass das Thema es so in die Öffentlichkeit geschafft hat. Es begann mit dem Gesetz HB2 in North Carolina. Das Landesgesetz dort verbietet es Städten und Gemeinden, LGBT-freundliche Verordnungen zu erlassen, was in der öffentlichen Wahrnehmung auf den Aspekt der Toilettennutzung reduziert wurde. Dabei geht es um so viel mehr, das Gesetz beschneidet beispielsweise die Rechte von LGBT-Menschen, wegen Diskriminierung Klage einzureichen. …“
            https://www.ox-fanzine.de/web/itv/5587/interviews.212.html
            Am besten das Interview ganz lesen und Laura Jane Grace solo mit backing band (keine Angst, ist ohne richtigen Krach ;) ) dabei hören: https://www.youtube.com/watch?v=11GZjbaVrQI :)

            Ich hab bechlossen, daß, wenn die Toilettenfrage bei öffentlichen Gebäuden in real life Plaudereien mit Frau KKs Zielgruppe aufkommt, draufhinzuweisen, daß dementsprechend genauso wie bei Wickelräumen bei Neu- und Umbauten allerspätestens ab 2021 den neuen Bauvorschriften Folge zu leisten ist, also jede Diskussion sinnlos.
            Nehmen die mir bestimmt ab; warum sollen nur Reaktionäre alternative Fakten verbreiten *lol*…
            Das Jahr aktualisiere ich jedes Jahr, bis es wirklich soweit ist.

  8. Die AfD hat jetzt AKK als Nichtfrauwesen bezeichnet, die selbst die dritte Toilette brauche, die sehe so aus. In der AfD hat AKK ihren Meister bekommen, geschieht ihr recht.

    Studio Glumm,
    ja, darüber kann man streiten. Mir ist manches auch zu politisch korrekt. Leider habe ich jetzt keine Zeit zur Ausführung.

      1. Ideal wäre der Zustand, dass man über alle Minderheiten spotten kann, weil sie respektiert werden. Wenn sie es nicht sind, sollte der Spott zumindest reflektiert sein. Über eine Minderheit nicht zu spotten kann auch bedeuten, dass man sie lediglich mitleidig betrachtet und lieber schweigt. Spott als Ausdruck von Anerkennung wäre ein anzustrebendes Ziel. Vermeidung von Spott aus Mitleid bemäntelt.

        Ein Witz sollte lustig sein so wie ein Rat hilfreich sein sollte. Aber das liegt ja meist im Auge des Betrachters.

        1. Spott als Ausdruck von Anerkennung wäre ein anzustrebendes Ziel. Vermeidung von Spott aus Mitleid bemäntelt.

          Der Weg zum anzustrebenden Ziel, soll der aus obligatem Test-Spott bestehen, an dessen Schenkelklopfgrad der Respekt gegenüber der Minderheit gemessen wird?

  9. Hab eine Ergänzung zum Thema auf http://undenkbar.blogsport.de/2019/03/07/ergaenzung-zum-toitschen-karneval-bei-dame-von-welt/ gestellt, tl;dr:

    – Ein Anderer Karneval als entspannender Kontrapunkt aus einer anderen Welt aktuell auf arte:
    https://www.arte.tv/de/videos/053916-000-A/alles-karneval/
    – Das Nubbelverbrennen (Danke für den Hinweis!) firmiert in Haiti gelegentlich noch unter dem den christlich-katholischen Kontext erhellenden Namen „Bwile Jwif“…

    À propos „daß andere die Dinge viel besser auf den Punkt bringen“: Die dame.von.welt möge zur Kenntnis nehmen, dass es anderen angesichts ihres Blogs genauso geht…

    1. Ich glaube, daß man fein unterscheiden muß zwischen dem alt-testamentarischen Motiv des Sündenbocks (auf das die Nubbelverbrennung zurückgehen dürfte) und dem christlichen Antijudaismus, im Wandel der Zeiten.

      Der historische Antisemitismus war dessen pseudo-wissenschaftliche Ablösung und außerdem ein exklusiv europäischer Exportschlager, nicht nur in die muslimische Welt. Man kann in jedem Fall eher von jüdisch-muslimischen Kulturen sprechen als von der vielbemühten jüdisch-christlich-abendländischen.

    1. Apropos „Chuzpe und Kaltschnäuzigkeit“, Tilman Kuban, Junge Union:

      Im Grunde kann man den Kramp-Karrenbauers und Kubans fast beinahe dankbar sein, daß sie es so deutlich machen: die CDU/CSU ist reaktionär.

    1. Selten war mir Angela Merkel so sympathisch.

      Meanwhile, passend zum Weltfrauentag:

      Die CDU-Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer hat die Debatte über ihre umstrittenen Karnevals-Äußerungen zur Einführung von Toiletten für das dritte Geschlecht für beendet erklärt. Die Diskussion habe gezeigt, dass die linke politische Seite nicht mehr in der Lage sei, die wirklichen Fragen in Deutschland zu thematisieren

      Wisster Bescheid.

      1. „Die Diskussion habe gezeigt, dass die linke politische Seite nicht mehr in der Lage sei, die wirklichen Fragen in Deutschland zu thematisieren.“
        Was Frau KK zum Fasching kostümtechnisch darstellen wollte?
        Warum Söder bei Rasurprodukten fastet?
        *schulterzuck*

      2. „Ich erkläre die Diskussion für beendet“.
        Peng!
        Ja da ist er wieder der autoritäre Geist, als alles noch so schön „gemütlich“ war und bevor diese „Kulturverbrecher“ der 68ziger alles so „linksgrün“ versifft haben.

  10. https://mobile.twitter.com/sduwe/status/1104546654693269504

    Angekommen :
    R. Beckmann trällert dem Mattusek ein Geburtstagsständchen.
    Das Fleischauer und die Steinbach anwesend sind verwundert nicht wirklich, aber das mit Mario Alexander Müller ein wegen Körperverletzung vorbestrafter Funktionär des IB Ablegers, Kontrakultur-Halle dabei ist…
    Soviel Öffentlichkeit hätte ich doch nicht für möglich gehalten.

    1. Tja, müde Nummer und das nur der “gut-alten-Zeiten-wegen”. Der Beckmann ist Medienprofi genug um zu wissen auf was er sich da eingelassen hat. Da nützt es ihm auch nix den, ach so, kritischen Text den er da angeblich auf der Party geträllert hat auf seiner FB Seite zu posten.
      Dem Matussek ist das sowieso Latte, der postet auf seiner FB Seite wiederum ein Photo von Herrn Beckmann wie er für ihn ein Ständchen bringt und hat die gewünschte Publicity. Der wollte sich quasi den Adelschlag von Beckmann abholen und dieser hat prompt geliefert.
      Punktlandung würde ich mal sagen.

      1. Ich finde es schade, wenn man eine Entschuldigung und Distanzierung nicht einfach mal akzeptieren kann, sondern stattdessen Misstrauen und halbe Verschwörungstheorien liefert. Eigentlich typisch rechtes Verhalten. Das macht nicht nur Fred, sondern das fiel mir schon bei der Begutachtung der Twitter-Reaktionen auf. Haufenweise pseudoaufgeklärte Leute, die dem Beckmann nun noch ordentlich eins mitgeben. Vermutlich ist dieses dümmliche Misstrauen, das als scheinaufgeklärte Ratio daherkommt, typisch deutsch. Insofern ist alles in Ordnung.

        1. Was soll der Blödsinn, „VT“, „typisch deutsch“ (was ist das? Und jetzt bitte keine ‚pseudo aufgeklärten, ach so kritischen Klischees) und „sich aufgeklärte Ratio“. Ihr Pathos ist btw „typisch deutsch“, um bei Ihren Worten zu bleiben..
          Ich empfinde sein Auftritt als falsch und seine Erklärung als eine Beleidigung an den Verstand.
          Für mich ist Erkennbar, dass es in bürgerlichen Kreisen überhaupt keine Berührungsängste mit radikalen Rechten gibt, da diese spießige Wahrnehmung (siehe Eingangsartikel) eine Schnittmenge darstellt – „da wo er [der Bürger] nicht ist, ist Darknet“ a.a.O.
          Man kann das historisch Verfolgen, der bürgerliche Liberalismus und Konservativismus, also die so genannte „Mitte“, hat zu jeder Zeit gerne auf den Faschismus zurückgriff damit ihr Kampfköter den „Systemfrieden“ wieder herstellt(e).
          Es verwundert mich daher nicht, dass Beckmanns Geburtstagsständchen längst nicht solche Wellen schlägt wie Akks „Karnevalswitz“.
          Stattdessen wird von bürgerlicher Seite das „Goldene Hufeisen“ immer und immer wieder hervorgebracht. Jetzt gerade wieder im Fall von Christchurch und dem Manifest. Ein Arschloch das sich selbst als Faschist bezeichnet wird wegen den ökologischen und arbeitspolitischen Passagen als „links“ bezeichnet, wohl wissend das „Ökologie“ und „Arbeitspolitik“ auch den Nazis nie fremd waren.
          Ich merke gerade ich schweife ein wenig ab, aber ich bin sauer darüber das hier ein Kommentator mich in eine Ecke stellen will, mir „Pseudoaufgeklärtheit“ unterstellt, aber bei jeden Vorwurf den er mir macht sein Ego aus allen Knoplöchern quillt.

          PS: Es ist schon ein Treppenwitz der Geschichte, dass ausgerechnet diejenigen die „Lügenpresse, Lügenpresse“ brüllen und behaupten das Journalisten „mehrheitlich Grünwähler“ sind, von denen gerade salonfähig gemacht werden.

  11. Ich sehe das so wie Juri Sternburg, den dvw weiter oben in der taz zitiert:

    Nun gut, kein Grund also, sich weiter auf ihn, Beckmann, einzuschießen. Dafür ist es umso interessanter, was er über die Party schreibt. „Kaum noch alte Freunde, dafür viele neue rechte Gesinnungskumpel.“

    Als typisch deutsch bezeichne ich hier diese Rechthaberei, dass Beckmann einen Fehler gemacht hat, der nicht verziehen wird. Er hat sich selbst von der Party und den Gästen und dem Gastgeber politisch distanziert und seinen Besuch als einen Fehler bezeichnet. Das reicht dem öffentlichen Gerichtshof aber nicht. Was soll er tun? Auf Knien rutschen? Oder ist er für diese Leute jetzt abgestempelt? Für immer? Und wo ist denn genau die Beleidigung des Verstandes in der Beckmannschen Erklärung?

    Beckmann steht für diesen selbstgerechten Gerichtshof nun offenbar für den Konservativen, der Faschist wird, ohne Chance auf Rehabilitierung.

    Mich erinnert das an eine Kommentatorin kürzlich auf Facebook. Weil Konstantin Wecker irgendwas problematisches gemacht hat, war sie froh, noch nie eine Platte und Konzertkarte von Wecker besessen zu haben. Kunst, Musik: Alles wird gerne geopfert, weil Wecker einen falschen Satz gesagt hat. Kunst wird also wertlos, Abfall, wegen einer politischen Äußerung.

    Das sind unmenschliche Verfahren, die mich an die Auswüchse von 68 erinnern, ein letztes Glimmen von RAF, Mao-Kult und ähnlichem. Der lange Schatten der Nazis und des Preußentums, deren Geist Teile des vermeintlich Linken immer noch besetzt halten.

    Mit Hufeisen und radikalisiertem Bürgertum und Ökologie in Bezug auf Nazis kann man Matussek und weite Teile seiner Gäste in Bezug bringen, aber eben nicht Beckmann. Zumindest nicht aufgrund dieses Auftritts. Aber das ist eben typisch deutsch: kein Verzeihen, sondern Rechthaben, um des Rechthaben willens.

    1. Als Beleidigung empfinde ich sein Statement auf FB – „Gehst du hin oder bleibst du weg? Ich habe lange überlegt, dann beschlossen meinen Gitarrenkoffer zu nehmen und ihn mein vergiftetes Geschenk mitzubringen, meine Version des Bob Dylan – Klassikers
      „Things have changed“. Er sollte was zu kauen haben. Schluckbeschwerden bekommen.“

      Mal ganz davon ab, was bildet sich der Beckmann ein, für was weiß ich nicht für eine moralische Instanz hält der sich?
      Wie ich schon schrub, Mattusek pellt sich einen auf Beckmanns „Klassiker Version“, für ihn zählten nur die FB Schnappschüsse, die er ja Dank Beckmann auch bekam. Aber klar, Dylan bekehrt sie alle!
      Wie gesagt, dass hätte er wissen müssen oder er ist tatsächlich so naiv.
      Stattdessen auf FB eine moralinsaure Erklärung, wo es natürlich nur um seine, Beckmanns, Befindlichkeit geht. In meinen Augen nicht gerade Reflektiv, das wirkt dann doch eher wie ein nachtreten.
      Wenn Beckmann tatsächlich vorher Bauchschmerzen hatte da hin zu gehen, dann wäre er weg geblieben oder er hätte auf seiner FB Seite das ehrlicher reflektiert.
      So musste er feststellen das sein Auftritt doch nicht so „dufte“ war und somit versteht sich dann auch das Nachtreten via FB, aber wie gesagt, inhaltlich war das nichts.
      Auch warum „soll“ ich mit Beckmann nachsichtiger sein als mit weniger disponierten Journalisten (wäre die Öffentlichkeit sehr wahrscheinlich auch nicht, mir fällt gerade spontan das gehässige Nachtreten gegen Wagenknecht, nach ihrem Rücktritt ein, ganz unabhängig was man von ihr hält oder nicht)?
      Ach ja, da der „mittige“ Journalismus sich nicht zu schade ist nicht selten antifaschistische Arbeit zu defamieren oder gleich gleichzusetzen mit Faschismus, passt es doch „prima“, dass Beckmann Mattuseks ehemalige K-Gruppen Zugehörigkeit in jungen Jahren erwähnt (und da kommt dann wieder ganz versteckt und nebenbei das Hufeisen hervor).

      Disclaimer : Titanic kann das natürlich besser als ich auf den Punkt bringen.
      http://www.titanic-magazin.de/news/nach-beckmann-konzert-andere-tolle-mittel-um-nazis-zu-bekehren-10351/

    2. Und wo ist denn genau die Beleidigung des Verstandes in der Beckmannschen Erklärung?

      Hmnuja, Beckmann möchte uns glauben machen, daß er auf dieser Geburtstagsparty auf „viele neue rechte Gesinnungskumpel“ von Matussek stieß. Beckmann ist seit Jahrzehnten im Mediengeschäft etabliert, weswegen man annehmen kann, daß er die ebenfalls anwesenden Edelfedern von Zeit, Spiegel, Welt, Focus, Cicero, ARD, ZDF usw. seit langem beruflich wie privat kennt. „Kaum noch alte Freunde, dafür viele neue rechte Gesinnungskumpel„?

      Der Jungen Freiheit kann man als Matussek-O-Ton entnehmen, daß der wiederum auf Beckmanns („Reinhold ist ein lieber Kerl„) letztem Geburtstag war, er spricht von einer strippenden Frau und einer kreisenden Sportzigarette. Weswegen ich Beckmanns Distanzierung inhaltlich nicht recht glauben kann, sondern das bestenfalls unter Schadensbegrenzung für seine weitere Laufbahn im Mediengeschäft fasse. Immerhin. Die Spiegel-Distanzierung – alle Mitarbeiter distanzierten sich selbstverständlich von rechtsextremem Gedankengut – fand ich noch weniger glaubwürdig – schließlich hält man sich dort einen Fleischhauer, der jede Woche „Nazis rein“ schreibt.

      Paar Bemerkungen noch zu bürgerlichen Hufeisen und dem Terror in Christchurch: ich habe mir gestern das 74-seitige Manifest angetan und war schockiert, daß ich darüber kaum schockiert war. Der Inhalt ist bis auf zweidrei Formulierungen (wie z.B. „Eco-Fascist“) der übliche öde Müll von „Umvolkung“, „Überfremdung“, „muslimischen Geburtenraten“, den wir inzwischen in jeder Bundestagssitzung hören, tagtäglich in den Medien lesen und im öffentlich-rechtlichen Fernsehen sehen.
      Überrascht hat mich, WIE sehr er sich auf Europa bezieht.
      Nachdenklich macht mich die quasireligiöse Gläubigkeit, mit der er z.B. seine Waffen beschriftet hat – magisches Denken in Reinkultur.
      Frauen kommen (abgesehen von einer seiner Vorbilder in den USA, PoC und Trump-Anhängerin) NUR in Form besagter Geburtenraten vor, worin ich meine These, daß Frauenfeindlichkeit DIE Querfront schlechthin ist, ein weiteres Mal bestätigt finde.

      Ich finde übrigens, Sie haben beide recht. Und stelle mir jetzt etwas Popcorn bereit, um einer weiteren Zerfleischung von linken Männern um Äquivalente der Zahl der Engel auf der Nadelspitze auch gerecht werden zu können.

  12. Also, wenn die Dame von Welt schon extra Popcorn bereitgestellt hat:

    Lieber Fred, folgende Stelle ist ein Schlüsselsatz bei Ihnen, über den Sie noch einmal nachdenken sollten:

    warum „soll“ ich mit Beckmann nachsichtiger sein als mit weniger disponierten Journalisten (wäre die Öffentlichkeit sehr wahrscheinlich auch nicht, mir fällt gerade spontan das gehässige Nachtreten gegen Wagenknecht, nach ihrem Rücktritt ein

    Tja, vielleicht, weil man nicht gehässig nachtreten sollte?

    Und Moral darf Beckmann auch nicht haben? Seine Dylan-Version hat nicht funktioniert? Ich würde sagen, doch, sie hat funktioniert. Bei verständigen Zeitgenossen, beipsielsweise bei mir. Aber nicht bei Ihnen. Sie gehen, wenn ich mir das so recht überlege, Matussek auf den Leim. Der will, dass Ihre Deutung des Beckmann-Besuchs die Oberhand gewinnt: „Beckmann ist Matusseks Kumpel, zwischen die passt kein Blatt Papier, auch wenn er das jetzt nicht öffentlich zugibt.“

    Wie auch immer: Beckmann war bei Matussek, bedauert das, Sie nehmen ihm das nicht ab. Wie weiter? Ist Beckmann ab sofort rechtsradikal? Wäre ja die logische Folge, wenn man ihm seine Distanzierung nicht abnimmt. Wollen wir ab sofort nicht mehr vom Moderatoren Beckmann reden, sondern vom rechtsradikalen Moderatoren Beckmann? Ich kenne kein einziges Beckmann-Zitat, dass das hergäbe, aber vielleicht kennen Sie eins.

    „Das hätte er wissen müssen“, schreiben sie. Hat er aber nicht. Deshalb geben Sie bitte kein Pardong. Seien Sie konsquent! Beckmann ist ein Faschist! Das kriegen Sie als guter Deutscher sicher hin.

    Und noch was: Matussek war K-Gruppler? Dann würde passen, dass er nun rechtsradikal ist. Oder wollen Sie diese skurrilen Mao-Fans ernsthaft als Antifaschisten bezeichnen?

    1. Um das an dieser Stelle abzukürzen: ich schlage vor, Sie @genova @Fred tauschen Emailadressen aus und führen Ihre which-side-are-you-on-Posse als Privatveranstaltung fort.

      Abschließend Armin Langer, SPON, Der Hass betrifft uns alle:

      Was tun gegen diesen Rechtsextremismus, der Grenzen überwindet und sich global vernetzt? Auch der Widerstand dagegen muss intersektional und global vernetzt sein. Der Mensch neigt dazu, sich ausschließlich um die Sicherheit der eigenen Gemeinschaft zu kümmern:

      Juden kämpfen gegen Antisemitismus,
      nicht-weiße Menschen gegen Rassismus,
      queere Personen gegen Homo- und Transphobie,
      Frauen gegen Sexismus
      und Menschen mit Behinderungen gegen Behindertenfeindlichkeit.

      Dabei werden wir von den gleichen radikalen Menschen bedroht. Statt vereinzelte Aktionen brauchen wir ein koordiniertes Auftreten, um unseren Zusammenhalt zu stärken – ohne das Selbstverständnis der einzelnen Gruppen „vereinheitlichen“ zu wollen. Und das nicht nur bundes-, sondern weltweit, gegen jede Art von Diskriminierung und Marginalisierung. Wir müssen uns für die Freiheit aller einsetzen, um unsere eigene Freiheit zu schützen.

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