Billie Holiday Zu schwarz, zu weiß, zu arm, zu weiblich, zu streitbar, zu liebend, zu selbstzerstörerisch. Zeitlos, mutig, intensiv, subversiv, unfaßlich schön. Lady Day forever!
Billie Holiday and Mister, New York, N.Y., ca. June 1946 (William P. Gottlieb 04271)
Billie Holiday, Lady Day, Elionora Harris, Eleanora Fagan wäre heute, am 7. April 2015, 100 Jahre alt geworden. Wäre sie nicht mit 44 kurz nach dem Tod ihres Soul Mate Lester Young an multiplem Organversagen gestorben, mit Handschellen an ein Krankenhausbett gefesselt und von zwei Polizisten bewacht, um sie erneut wegen Drogenbesitz vor Gericht zu stellen. Ihr Kontostand: 70 Cent, ein Bündel mit 750 Dollar an ihren Oberschenkel geklebt.
„Meine Urgroßmutter war die Mätresse eines Weißen, seine Geliebte, seine Frau in wilder Ehe oder wie auch immer man es nennen will. Seine Sklavin auf der Plantage war sie allerdings auch. Sie hatte ihr eigenes kleines Haus am Ende der Plantage gehabt, während Charles Fagan, der stattliche Plantagenbesitzer, mit seiner Frau und seinen Kindern im großen Haus lebte. Sie bekam sechzehn Kinder von ihm.„
Geboren in Philadelphia als uneheliche Tochter der 19jährigen Sadie Harris-Fagan und des 17jährigen Clarence Holiday wuchs sie bis zu ihrem 10. Lebensjahr bei wechselnden Verwandten in Baltimore auf. Sie wurde mit 11 Jahren zum ersten Mal vergewaltigt und in eine katholische Besserungsanstalt gesteckt. Als ihre Mutter als Prostituierte zu arbeiten begann, hatte sie ihre Schullaufbahn schon hinter sich und arbeitete als Botenmädchen und Putzfrau für das Bordell. Als 13jährige in New York wurde sie zusammen mit ihrer Mutter für 5$ prostituiert. Im Bordell hörte sie Louis Armstrong und Bessie Smith und begann unter ihrem Künstlernamen Billie (nach der Stummfilmdiva Billie Dove) Holiday (nach ihrem Vater) zu singen.
Dem weißen Publikum war sie zu weiß, sie mußte sich das Gesicht schwärzen, den Weißen außerhalb der Bühne war sie zu schwarz, sie wurde gezwungen, Hinterausgänge und Lastenfahrstühle zu benutzen. Sie war die erste schwarze Sängerin, die in weißen Bands sang.
Billie Holiday sang 1939 zum ersten Mal Strange Fruit. Die Plattenfirma war zu feige für eine Aufnahme, entließ Billie Holiday aber für einen Tag aus dem Vertrag, um das Stück für das linke Ein-Mann-Label Commodore Records einsingen zu können. Die Bürgerrechtsbewegung hatte ihren ersten nichtunterdrückten Song.
°Southern trees bear a strange fruit, Blood on the leaves and blood at the root, Black body swinging in the Southern breeze, Strange fruit hanging from the poplar trees.
Pastoral scene of the gallant South, The bulging eyes and the twisted mouth, Scent of magnolia sweet and fresh, And the sudden smell of burning flesh.
Here is a fruit for the crows to pluck, For the rain to gather, for the wind to suck, For the sun to rot, for a tree to drop, Here is a strange and bitter crop.°
°Billie Holiday schenkt dem Protest ein Lied, sie führt ihn nicht an. Sie ist Künstlerin, keine Aktivistin. Sie hat genug mit sich selbst zu tun, mit ihrer Labilität und Verlorenheit, mit Heroin und Kokain. Entzugsversuche, Rückfälle, Razzien, Vernehmungen, Auftrittsverbote, Haft, der Ärger nimmt kein Ende. Die weißen Drogenfahnder sind hinter ihr her; sie deutet es als Rache für Strange Fruit.°
°Die Aufführungen im Café Society waren minutiös inszeniert; Bevor sie das Stück sang, ließ sie das Publikum vorher von den Kellnern um Ruhe bitten. Das Licht wurde während des langen Intros heruntergedimmt und ein einziger Scheinwerfer erhellte Billie Holidays Gesicht. Mit dem Verklingen des letzten Tons erlosch das Licht, worauf sie dann im Dunkeln verschwand°
Gilbert Milstein auf dem Cover des postum 1961 veröffentlichten The Essential Billie Holiday – Carnegie Hall Concert:
„Die Probe war zusammenhangslos, ihre Stimme klang dünn und schleppend, ihr Körper müde gebeugt. Aber ich werde niemals die Metamorphose an diesem Abend vergessen. Das Licht erlosch, die Musiker begannen zu spielen und die Erzählung begann. Miss Holiday trat zwischen den Vorhängen hervor in das sie erwartende Scheinwerferlicht, in eine weiße Robe gehüllt und mit einer weißen Gardenie im schwarzen Haar. Aufrecht und schön, souverän und lächelnd. Und als sie den ersten Teil ihrer Erzählung beendet hatte, begann sie zu singen – mit unverminderter Kraft – mit all ihrer Kunst. Ich war sehr bewegt. Mein Gesicht und meine Augen brannten in der Dunkelheit. Und ich erinnere mich an eine Sache. Ich lächelte.“
Don’t explain…
Weiterführende links:
Des is fei scho schee!
Willkommen, liebe Schachnerin!
Die Diskussion beim Freitag war auch wirklich schön, nicht wahr?
Jede/r brachte was Schönes zum Hören und Wissen mit.
Leider gibt es dort solche Diskussionen nur noch sehr selten, schade drum.
Ui ja, des is fei scho ganz schee schee. Amoi schaung, ob und wia ma da a Musi nei bringt.
<iframe width=“370″ height=“278″ src=“https://www.youtube.com/embed/362JArvhAqg“ frameborder=“0″
LG, Diander
Oh hallo Diander, wie schön, ebenfalls: willkommen!
Hach, Amy…
Wie geht denn das, ein Video direkt in einen Kommentar einzubinden, ohne Werkzeug?
Sie merken, ich kann das alles hier noch nicht wirklich…;-)…
Liebe DvW, ich habe es einfach ausprobiert: einmal den Einbettungscode und einmal den Link. Der Link ist die Lösung der Rätsel. Einfach den youtube-link eingeben, der wird anscheinend direkt übernommen und als Fideooo angezeigt und eingebettet. Der Einbettungscode mit Größenveränderung ist überflüssig. Sehr benutzerfreundlich! ;)))
Muß ich sofort ausprobieren: https://www.youtube.com/watch?v=S3fTw_D3l10
Nochn Versuch https://youtu.be/S3fTw_D3l10
Und noch einer
Wenn der auch nix fruchtet, geht das wohl nicht bei allen YouTube-Videos mit der Benutzerfreundlichkeit.
Ich vermute mal, der Trick ist die Enter-Taste/Zeilenumbruch nach dem Link. Test, Test ohne Enter
Meine eine klappende Version war mit Einbettungscode.
Ach, es ist mir ein Rätsel und darf das auch für heute gern bleiben, ich glaube in der Tiefe meines Herzens sowieso, daß im Radio ein kleines Orchester wohnt. Woraus Sie ableiten können, was für ein Wunder das www für mich ist…;-)
Und mit „enter“
Oh, macht ja voll fett den Unterschied ;)
Dafür bastelt anscheinend wordpress aus einem smiley ohne „Nase“ (-) einen waschechten smiley. Learning by doing.
Noch ne Idee: Ohne Zeilenumbruch vor dem youtube-Link https://www.youtube.com/watch?v=7l8o1gINMHU
und mit Zeilenumbruch davor…
Nee, letzter Versuch (sorry!), nochmal mit Zeilenumbruch davor und dahinter
Weil er mir gerade in die Hände fiel: The Girl done good
Nochn Update:
Die Dokumentation „Amy“ vom britischen Regisseur Asif Kapadia beherrscht in Großbritannien gerade die Kinocharts. In Deutschland läuft das Porträt diese Woche an.
Hier der Bericht mit Trailer aus dem Guardian
http://www.theguardian.com/music/2015/may/01/mitch-winehouse-interview-amy-documentary-film
Hm, dankeschön für den link.
Rabea Weihser verreißt den Film auch, erster Klasse-> Pop wollte sie nie sein
Zitat aus einem anderen Guardian-Artikel-> Never underestimate the appetite for seeing women like Amy Winehouse self-destruct
Ui, gerade in ZDF-Kultur zufällig in Folgendes hineingezappt, das könnte der DvW auch gefallen :-)
http://www.zdf.de/ZDF/zdfportal/programdata/cd946bca-3138-33a7-9ff7-c183e90cd233/5fee144b-db70-4835-903d-accb183ebe14?generateCanonicalUrl=true
Die ZDF-Mediathek hasst mich, die scheint Berlin irgendwie schon für Polen zu halten, jedenfalls habe ich bei vielen Sendungen Geoblock-Hinweise.
Gefunden habe ich aber ein YouTube-Video, das mir beim ersten Anhören G.U.T gefällt, danke schön für den Tip!
Das hat mir immer besser gefallen, je länger ich zugehört habe: danke!
Ja, so ging das heute Nacht Klein-Diander auch. Die Ohren waren eigentlich uhrzeitgeschuldet schon auf Halbmast, richteten sich aber im Verlauf zunehmend wieder auf ;-)
Das ist interessant!
Elizabeth Blair, npr: The strange story of the man behind ‚Strange Fruit‘
Abel Meeropol hat nicht nur das ikonische Lied geschrieben, sondern er und seine Frau haben auch die beiden Söhne von Ethel and Julius Rosenberg (wegen Spionage für die UDSSR 1953 hingerichtet) als ihre Kinder aufgenommen.