
Ich war 11, als ich zum ersten Mal blutete, als Erste in meiner Klasse. Im Biologieunterricht war zwar ein grober Überblick über die menschliche Fortpflanzung vermittelt worden, das Blut zwischen meinen Beinen und die Schmerzen im Bauch machten mir trotzdem Angst. Meine Mutter händigte mir wortlos eine pißgelbe knisternde Plastikhose und dicke Baumwollbinden mit Fortsätzen an den Schmalseiten aus, die durch Laschen innen an der Knisterhose zu fädeln waren. Ich war fest davon überzeugt, daß jeder schon anhand des Knistergeräuschs von meinem erbärmlichen Ausnahmezustand wissen mußte – für den unwahrscheinlichen Fall, daß ich es nicht sowieso schon – trotz der windelartigen Binde – zu signalroten Flecken an der Oberbekleidung gebracht hätte. Weiße Jeans, helle Sofas, breitbeiniges Sitzen waren ab da tabu. Verschämt und im Flüsterton mußte der Sportlehrer um Befreiung gebeten werden, schlimmer war nur noch die Sportlehrerin, die keine Wehleidigkeiten duldete. Ich investierte einen Großteil meines Taschengelds in Tampons, die in meinem Elterhaus als neumodisch, anstößig und gefährlich galten. Der o.b.-Packung entnahm ich mehr hilfreiche Information als dem Biologieunterricht und der Moralinsäure meiner Mutter (was hätte ich für eine Menstruationskappe gegeben, aber die waren noch nicht erhältlich)
Wenige Jahre später brauste mein damaliger Prinz auf und fühlte sich sehr stark entmännlicht, als ich ihn bat, mir Tampons aus dem Supermarkt mitzubringen. Kein Mensch schämt sich, Heftpflaster oder Verbandsmull offen auf den Tisch zu legen. Bei Tampons ist das etwas anderes. Nein, das ist noch nicht sehr lange her, gerade mal 30 Jahre. Gut 20 Jahre sind vergangen, seit man mich unterrichtete, daß die Menstruation – eine Geschichte voller Mißverständnisse – ganz natürlich, sauber und diskret in der weiblichen Handfläche stattfindet. Bis heute ist Menstruationsblut in der Werbung stets blau und durchsichtig – bestimmt eines der vielen Beispiele der Geschichte voller Mißverständnisse und gar keine Verklemmtheit, bewahre!
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