Finde die Fehler

  1. Libyan Sea – wo das libysche Hoheitsgebiet endet, ist nach wie vor undefiniert.
  2. Libyan Coast Guard – die ist dafür bekannt, daß sie nicht nur die libysche Küste bewacht, sondern auch jedes Recht auf Rechte von Flüchtlingen/Migranten mit Füßen tritt.
  3. as SAR competent authority – bitte was? Libyen ist ein failed state. Der Verhandlungspartner der EU, die Regierung in Tripolis kontrolliert nicht mal die Hälfte des Landes. Die libysche Küstenwache hat keine auch nur im Ansatz vergleichbare Infrastruktur wie die italienische Guardia Costiera mit dem MRCC in Rom, das bisher alle Search-And-Rescue-Einsätze im südlichen Mittelmeer koordiniert hat. Die libysche Küstenwache ist nicht mal kompetent genug, Schiffbrüchige vor dem Transfer vom Gummiboot zum Rettungschiff mit Schwimmwesten auszustatten. An Bord der Boote der libyschen Küstenwache gibt es keine Ärzte, sondern nur bewaffnete Milizen. Die aus Seenot geretteten Flüchtlinge/Migranten haben exakt null Möglichkeit, einen Antrag auf Asyl zu stellen oder sonstwie Schutz zu finden, sondern sie werden interniert, versklavt, vergewaltigt, gefoltert. Die libysche Küstenwache beschäftigt Warlords, Menschenhändler, Schlepper.

Aus der Anweisung des MRCC in Rom, in Zukunft die libysche Küstenwache anzurufen, wenn ein Boot oder Flugzeug Schiffbrüchige im südlichen Mittelmeer entdeckt, werden drei Dinge deutlich:

  1. Europa versagt, auch gegenüber Italien.
  2. Italien wird jetzt von/mit Faschisten regiert.
  3. Flüchtlinge/Migranten haben gefälligst außer Sicht zu bleiben/sterben.

Den wahrscheinlichen weiteren Verlauf zeigen Lori Hinnant, Adoum Moussa, Tcherno Abarchi, Jerome Delay (Fotos), Associated Press am Beispiel Algerien – Walk or die: Algeria abandons 13,000 migrants in the Sahara

Stellen Sie Eimer/Schnaps bereit, werden Sie wahrscheinlich brauchen.

They are the ones who made it out alive.

Here in the desert, Algeria has abandoned more than 13,000 people in the past 14 months, including pregnant women and children, stranding them without food or water and forcing them to walk, sometimes at gunpoint, under temperatures of up to 48 degrees Celsius (118 degrees Fahrenheit). …

“Women were lying dead, men….. Other people got missing in the desert because they didn’t know the way,” said Janet Kamara, who was pregnant at the time. „Everybody was just on their own.“

Her body still aches from the dead baby she gave birth to during the trek and left behind in the Sahara, buried in a shallow grave in the molten sand. Blood streaked her legs for days afterward, and weeks later, her ankles are still swollen. …

Another woman in her early twenties, who was expelled at the same time, also went into labor, she said. That baby didn’t make it either.

Algeria’s mass expulsions have picked up since October 2017, as the European Union renewed pressure on North African countries to head off migrants going north to Europe via the Mediterranean Sea or the barrier fences with Spain.

(der Text erschien heute nicht nur auf den AP-Plattformen, sondern auch in der Washington Post, bei Haaretz, Houston Chronicle, San Francisco Chronicle, The State, Miami Herald, Star Tribune und x anderen Medien mehr)

Nachtrag 26.6.: die taz heute mit einer deutschen Übersetzung – Algerien mit brutaler Abschiebepraxis. Gewaltmarsch durch die Sahara

 

Es ist eine reine Zeit-, Geld- und Erpressungsfrage, bis die Regierung in Tripolis vor der Forderung Salvinis einknickt, Flüchtlinge/Migranten an der libyschen Südgrenze abzuwehren. Nur noch ein Weilchen europäische Uneinigkeit und Nichtstun und Salvinis Ideen werden zur EU-Normalität. Die Kriminalisierung der Seenotretter-NGOs als „Schlepper“ und „Menschenhändler“, die ihre (O-Ton Salvini) „Ladung Menschenfleisch“ in keinem italienischen Hafen mehr ausschiffen können, hat ja schon sehr gut geklappt.

Salvini gestern abend mit einer wundersam viel freundlicheren Wortwahl:

Als Minister und Vater danke ich der libyschen Küstenwache, die heute 820 Migranten gerettet und zurück nach Libyen gebracht hat.

Was den 820 Flüchtlingen/Migranten jetzt in Libyen bevorsteht, können Sie hier besichtigen. Oder hier, hier, hier, hier und hier.

Nicht, daß es später wieder heißt, man hätte von nichts gewußt.

 


Bild (beschnitten): Screenshot bei Twitter


26 Kommentare zu „Finde die Fehler

  1. Vor Malta dümpelt seit Tagen die Dresdner Lifeline mit 230 aus Seenot Geretteten an Bord, deren Ausschiffung von Malta, Italien und Spanien verweigert wird. Nicht weit weg und in der gleichen Situation ist das dänische Containerschiff Alexander Maersk mit rund 110 Leuten an Bord, s. SPON

    Ein Sprecher der Reederei sagte dem Dänischen Rundfunk, die Situation an Bord sei unhaltbar. „Das Schiff ist einfach nicht für so viele Menschen ausgelegt“, so der Technische Chef von Maersk Line, Palle Laursen. Die 25-Mann-Besatzung sei nicht in der Lage, sich um mehr als 100 Menschen zu kümmern. „Diese Situation erfordert eine Lösung in Minuten und Stunden, nicht in Tagen.“

    Auf dem Mittelmeer wird das Wetter in den nächsten Tagen schlecht, d.h. beide Schiffe geraten absehbar selbst in Seenot.

    Die Botschaft, die von der Kriminalisierung der Seenotrettung ausgeht, ist unmißverständlich und dieselbe wie zu Zeiten der Cap Anamour. Bei NGOs wird das Boot dauerhaft verhaftet (kostet Liegegebühren und Instandhaltung) und die Seenotretter werden angeklagt (kostet Zeit, Geld, Reputation, alles ganz schlecht für Spenden) und bei Handelsschiffen kostet jede Minute, die sie irgendwo herumliegen, ebenfalls sehr viel Geld. Die Botschaft an NGOs, Handelsschiffe, Fischer, Spaßboote lautet: lasst Flüchtlinge/Migranten ersaufen! Andernfalls machen wir Euch Schwierigkeiten! Wir kriminalisieren und ruinieren Euch! Denn wir wollen das Massensterben im Mittelmeer zur Abschreckung!

    1. Ulrich Schulte, taz, im Interview mit Luise Amtsberg, flüchtlingspolitische Sprecherin der Grünen zur Situation auf der Lifeline (und zur „Kompetenz“ der libyschen Küstenwache)

      Luise Amtsberg: Es gibt an Bord zwei Toiletten und eine Dusche. Für 234 Menschen. Die hygienischen Verhältnisse sind entsprechend katastrophal. Inzwischen ist die Krätze ausgebrochen. …
      taz: Wird das Schiff vom Hafen aus versorgt?
      Das ist schwierig, die Entfernung ist sehr groß. Hier liegen Schiffe anderer Nichtregierungsorganisationen vor Anker. Sie laufen aber nicht aus, weil sie wegen der restriktiven Politik der maltesischen Behörden Angst haben, nicht mehr zurück in den Hafen zu kommen. Die Lebensmittel an Bord der Lifeline gehen langsam zu Ende. Schließlich ist das Schiff schon den fünften Tag draußen.
      Wie ist das Wetter im Moment – und wie soll es in den kommenden Tagen werden?
      Der Wellengang ist jetzt schon hoch. Morgen soll es laut Wetterbericht ein Unwetter geben. Dann wird die Lifeline in Seenot geraten. Wenn sich bis dahin nichts an der Situation ändert, werden Menschen sterben. Nimmt der Seegang stark zu und wird das Deck durch Regen oder Wellen rutschig, dann gehen da Leute über Bord. Seekranke werden sich vor Übelkeit nicht mehr festhalten können. Deshalb bleibt ein Zeitfenster von einem Tag, um eine Lösung zu finden.
      Warum funkt der Kapitän nicht jetzt schon „Mayday“?
      Er macht sich strafbar, wenn er das tut. Für das Notsignal gibt es klare Regelungen. Er darf erst Mayday funken, wenn es zu spät ist. …
      Wo hat die Lifeline die Menschen gerettet?
      Das Schiff hat die Flüchtlinge außerhalb der Territorialgewässer Libyens aufgenommen. Es war keine Rettung nach einem Kontakt mit Schleppern, sondern die Lifeline hat die Boote auf dem Radar entdeckt. Die eigentlich zuständige libysche Küstenwache hat widersprüchliche Funksprüche abgesetzt. Erst hieß es, sie übernehme die Rettung – dann hieß es, die Lifeline solle vor Ort bleiben. Als das Schiff der libyschen Küstenwache nicht auftauchte, hat die Lifeline die Menschen an Bord genommen, weil sie sonst ertrunken wären. Ein weiteres Flüchtlingsboot ist dabei abgetrieben und verschollen.
      Warum steuert die Lifeline nicht einen Hafen in einem anderen Staat an?
      Auch der Treibstoff geht zur Neige. Die Maschinen müssen wegen der Systeme ja ständig laufen. Schaltete der Kapitän die Maschinen aus, bräche auch Panik aus. Die Lifeline käme mit ihrem Öl gar nicht mehr zu einem Hafen in einem anderen Land. Außerdem funktioniert die Kooperation mit der libyschen Küstenwache nicht. Sie müsste einen anderen Hafen zuweisen, meldet sich aber einfach nicht mehr.

  2. „Europa versagt, auch gegenüber Italien“…. – Die Scheinheiligkeit der Europäer kennt keine Grenzen. Wer zerstört denn Länder und macht sie zu failed states? Wer steigert denn ständig den Waffenverkauf an Regimes jeder Art? Wer plündert die Bodenschätze der in Bürgerkriege gestürzten Regionen? Wer mischt sich weltweit ein, um Länder zu destabilisieren? Wer erzählt überall herum, wie großartig Europa sei, und lässt die Flüchtlinge dann von den bösen „Erstempfängerländern“, die ihrerseits aufgrund der europäischen Rezepte wirtschaftlich am Ende sind , einsperren oder abweisen, damit sie nicht hineinkommen ins Paradies? Wer? Nicht Italien wird von Faschisten regiert, sondern Deutschland und Frankreich werden in ihrer Scheinheiligkeit vorgeführt. Ohne diese Scheinheiligkeit gäbe es die heutige italienische Regierung gar nicht, und Libyen wäre kein failed state.

    1. Abgesehen davon, daß Italien schon von/mit Faschisten regiert wird: anschließe mich.

      Alessio Perrone, Al Jazeera, lesenswert: Who is Matteo Salvini, Italy’s new radical interior minister?

      Daraus der Schluß:

      Undoubtedly, Salvini now strikes a chord with Italians: a recent survey showed that 72 percent of Italians support his line on immigration. … Salvini could soon pull the plug on Italy’s current government, call elections, and become PM.

      „In an article for The Conversation, I said it was going to happen in two years,“ says Albertazzi. „But I might have erred on the side of caution.“

      1. Ja, sicher. Doch das war abzusehen. italien wollte nicht ausbaden, was andere durch den Ghaddafi-Sturz (um sich des Libyen-Öls zu bemächtigen) eingebrockt haben. Die Dublin-Vereinbarung ist schierer Hohn. Griechenland, fast auch schon ein „failed state“ dank der deutschen Bemühungen, hat ein vollkommen ungelöstes und unlösbares Problem mit den Flüchtlingen. Anscheinend hofft man, einige griechische Inseln zu extraterritorialem Gebiet für Flüchtlingslager zu machen, weil das immerhin besser aussieht, als sie in die Türkei zurückzuschicken. Dafür soll es dann Geld geben … Inzwischen steht das vergleichsweise winzige Griechenland an 4. Stelle der Asylanträge, und wenn Italien dichtmacht oder die Türkei aufmacht, wird das Griechenland den Italienern nacheifern. Wie denn sonst? Von Berlin und Bayern wird der Druck weitergereicht, und am Ende brechen die perpheren Länder ein und wählen faschistische „Alternativen“. Ich brauche keine prophetischen Fähigkeiten, um das vorauszusehen.

    1. Herzlich willkommen, Red Skies over Paradise!
      Vielen Dank für das Interview. Leute, hört Euch das an!

      Wenigstens die Alexander Maersk konnte inzwischen rund 113 Flüchtlinge/Migranten in Pozzallo ausschiffen.

      Ammatuna (der Bürgermeister von Pozzallo, dvw) hatte angeboten, das Schiff einlaufen zu lassen, doch die italienische Regierung weigerte sich bis Montag, einen Hafen für das Schiff bereitzustellen.

      Salvini, Chef der rechten Lega, will vor allem Hilfsorganisationen die Häfen in Italien versperren. So harren etwa 230 Migranten und mehrere deutsche Besatzungsmitglieder seit Donnerstag auf dem Schiff „Lifeline“ der Dresdner Organisation Mission Lifeline im Meer aus. Auch kein anderes Land hat sich bisher bereiterklärt, die „Lifeline“ aufzunehmen.

      1. Web.de meldet soeben, daß die Lifeline – vielleicht – nun doch in Malta anlegen kann.

        Derzeit scheine sich eine europäische Lösung abzuzeichnen, sagte Regierungssprecher Benjamin Griveaux am Dienstagmorgen in Paris im Radiosender RTL. … Griveaux erwähnte, dass der französische Präsident Emmanuel Macron am Vortag mit dem maltesischen Premierminister Joseph Muscat gesprochen habe.

        Bei der maltesischen Regierung hieß es, noch gebe es keine Entscheidung. Es liefen Diskussionen, ob die „Lifeline“ in Malta anlegen dürfe – allerdings nur unter der Bedingung, dass die Migranten dann auf EU-Länder verteilt würden. … Falls das Schiff auf Malta anlegt, wäre Frankreich nach Angaben von Griveaux bereit, ein Team zu schicken, um Asylanträge von Migranten an Bord zu bearbeiten. Auch nach der Aufnahme des Rettungsschiffs „Aquarius“ in Spanien hatte Frankreich Mitarbeiter seines Flüchtlingsamtes geschickt und angeboten, Asylsuchende bei sich aufzunehmen.

        1. Tagesschau – Lifeline darf in Malta anlegen

          Seit sechs Tagen hatte die Crew der „Lifeline“ einen Hafen gesucht, in dem sie anlegen und die Geretteten an Land bringen kann.

          Italien wird einige der an Bord des Rettungsschiffs „Lifeline“ befindlichen Flüchtlinge und Migranten aufnehmen. Der italienische Ministerpräsident Giuseppe Conte sagte, dies habe er seinem maltesischen Amtskollegen Joseph Muscat bei einem Telefongespräch versprochen. Er hoffe, dass andere EU-Staaten nachfolgen würden.

          Auch Frankreich hatte sich offenbar bereit erklärt, die Migranten aufzunehmen. Ein Sprecher der französischen Regierung sagte dem Radiosender RTL, für das Schiff zeichne sich eine „europäische Lösung“ ab. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron habe am Montag in einem Telefonat mit Maltas Regierungschef Muscat über das Schiff gesprochen, sagte der Sprecher. Seine Regierung sei bereit, ein Expertenteam nach Malta zu schicken, um die Asylanträge der Flüchtlinge „individuell“ zu prüfen.

          Malta erwägt, Ermittlungen gegen den Kapitän des Rettungsschiffes der deutschen Organisation Mission Lifeline aufzunehmen. Der habe bei der Rettung der Migranten vergangene Woche Anweisungen der italienischen Behörden ignoriert, teilte die Regierung in Valletta mit. Die Regierung in Rom habe angeordnet, die Bergung der libyschen Küstenwache zu überlassen.

          Mission Lifeline sieht sich allerdings im Recht. Die libysche Küstenwache habe auf ihre Anfrage für eine Rettung nicht reagiert, während die Menschen in Seenot gewesen seien, sagte Ruben Neugebauer, Sprecher der deutschen Hilfsorganisation Sea-Watch, die Mission Lifeline bei der Pressearbeit unterstützt.

          Während der Aquarius laut MSF Sea auf Twitter die Einfahrt in den Hafen von Valetta zum Mannschaftswechsel und Kauf von Vorräten verboten wurde, die muß jetzt bis nach Marseille fahren °_O

  3. Laut MSF Sea auf Twitter hat die libysche Küstenwache vorgestern etwa 1000 Flüchtlinge/Migranten aufgebracht und nach Libyen verfrachtet.

    Gestern war internationaler Tag der Seeleute. Ich glaube, daß noch immer nicht klar ist, welche grundlegende zivilisatorische Bedeutung der Grundsatz der Seenotrettung hat. Seenotrettung inklusive Ausschiffung im nächsten sicheren Hafen, das gilt auch und besonders für schiffbrüchige Flüchtlinge/Migranten. Nicht im nächstgelegenen und auch nicht im von der EU finanzierten aus-den-Augen-aus-dem-Sinn-Hafen eines failed state mit allen daran hängenden Menschenrechtsverletzungen.

    Flucht/Migration ist nicht durch abschreckende Maßnahmen in Form von Massengräbern und Finanzierung/Stärkung von Feinden der Menschenrechte steuerbar, es klappt nicht. Sondern wesentlich eher durch die so vielbemühte wie kaum umgesetzte Bekämpfung der Fluchtgründe in den Herkunftsländern und durch Einwanderungsgesetze in Europa. Seit Jahrzehnten wird beides versäumt und bis die europäischen Hausaufgaben gemacht sind, müssen wir die Kollateralschäden europäischer Wirtschafts- und Machtpolitik aufnehmen. Es sei denn, man hat hier vor, die Allgemeinen Menschenrechte in Exklusiv-Rechte für Menschen mit heller Haut und privilegiertem Geburtsort umzubenennen.

    Wenn Menschen, die sehr oft eine mehrjährige Flucht hinter sich haben, eher ins Wasser springen und ertrinken als von der libyschen Küstenwache zurück in den Horror in Libyen gebracht zu werden, ist das kein Unfall, sondern massenhafter Suizid und das muß in Europa endlich zum Umdenken bewegen. Denn in den reicheren europäischen Ländern gibt es keine „Flüchtlingskrise“, sondern eine Werte-, Verteilungsgerechtigkeits- und Nazikrise.

    1. Dazu passt ganz hervorragend die Übersetzung (Carola Torti) eines Artikels von Daniel Trilling im Guardian beim Freitag: 5 Mythen über die „Flüchtlingskrise“

      Daniel Trilling filettiert die Vorstellungen, die Politik und öffentliche Meinung dominieren: Mythos 1: Die Krise ist vorbei, Mythos 2: Es lässt sich sauber zwischen „politisch Verfolgten“ und „Wirtschaftsmigranten“ unterscheiden, Mythos 3: Es genügt, über menschliche Einzelschicksale zu berichten, um die Ansichten der Leute zu verändern, Mythos 4: Die Krise bedroht europäische Werte, Mythos 5: Die Geschichte wiederholt sich – und dagegen lässt sich nichts machen – ist so lang wie lesenswert!

  4. Marian Schraube beschäftigt sich bei BlattEins mit demselben Thema – Auf Konfrontationskurs (links nicht eingepflegt)

    Das Ziel, italienische Häfen vollständig für Retter und Gerettete zu schließen, gipfelte vergangenen Freitag in einer „technisch-operativen Rundmitteilung“ der Seenotrettungszentrale (Mrcc) der italienischen Küstenwache in Rom „an alle Schiffe, die sich zum Zeitpunkt eines Unglücksfalles in libyscher Zone befinden“: „Schiffsführer, die sich in der Gewässerzone vor Libyen befinden, müssen sich im Notfall im Sinne der Solas-Konvention (Safety of life at sea) ab sofort an das Zentrum in Tripolis und die libysche Küstenwache wenden, um Hilfe anzufordern“.

    Tatsächlich werden seit Sonntag alle Notfälle in der libyschen „SAR-Zone“ vom Mrcc Rom auf die sogenannte libysche Küstenwache übertragen. Als Aufpasser und Verbindungsschiff wird dabei das italienische Kriegsschiff „Caprera“ eingesetzt, für dessen Bemühungen sich der Unterstaatssekretär im Verteidigungsministerium Raffele Volpi (Lega Nord) öffentlich via Twitter bedankte. Über eine eigene, funktionierende Seenotrettungszentrale verfügt Libyen bis heute nicht.

    Entscheidend aber ist, dass der arabische Staat keinen „sicheren Ort“ (place of safety) darstellt, wie es die internationalen Übereinkommen zum Schutz des menschlichen Lebens auf See (SOLAS) und zur Seenotrettung (SAR) verpflichtend vorschreiben: „(W)o das Leben der Überlebenden nicht mehr bedroht ist und ihren grundlegenden Bedürfnissen (wie Nahrung, Schutz und medizinische Versorgung) entsprochen werden kann“.

    1. Moin,
      nur mal so zur Erinnerung, zum Thema Abschiebung vs. sichere Länder/Orte:
      „Die normale zivile Bevölkerung ist zwar Opfer aber ist nicht Ziel von Anschlägen der Taliban.“ Das sei ein „großer Unterschied“. „So gebe es etwa im Norden des Landes und auch in der Hauptstadt sichere Orte“
      Zitat d. M. CDU
      Dieser widerliche, ekelerregende, moralische Offenbarungseid, scheint im Mainstream sowie in den Köpfen fest verankert zu sein. Diese widerwärtigen Menschenfeinde hatten wohl aufgrund der Gnade der späten Geburt, keinen Platz mehr auf der Anklagebank in Nürnberg ergattern können.
      Ich kann gar nicht soviel fressen wie ich kotzen könnte.

  5. Und noch einmal Marian Schraube, BlattEins – „Mission Lifeline“ vor Malta

    Deutschland/Malta – Entgegen anderslautender Meldungen hat das Schiff „Lifeline“ keine Erlaubnis erhalten, einen maltesischen Hafen anzulaufen. Blockade aus Deutschland

    Inzwischen wird das Schiff zwar wahrscheinlich heute abend und trotz Seehofers Blockadepolitik in Valletta anlegen. Der knüpfte aber an die mögliche Aufnahme von Schiffbrüchigen auch in Deutschland (neben 7 anderen europäischen Staaten und maltesische Bedingung für die Anlegeerlaubnis) die Bedingung, daß das Boot beschlagnahmt und die Crew angeklagt wird. In meiner Vorstellung bekommen Lebensretter Bundesverdienstkreuze, nicht Beschlagnahmung ihrer Lebensrettungsmittel und Anklagen. Ich bin zu wütend, um dazu im Moment etwas Angemessenes schreiben zu können. Außer: Seehofer muß weg!

    Mely Kiyak beleuchtet noch einen anderen Aspekt – Unsere Vorruheständler aus dem Voralpenland

    Es ist ohnehin schon entsetzlich genug, dass man jetzt auch noch gezwungen ist, die Kanzlerin in Schutz zu nehmen, obwohl ihre Flüchtlingspolitik eine sagenhafte humanitäre Katastrophe ist, ihr Flüchtlingsdeal, ihre jahrelange Nichtsolidarität mit den Italienern, die Toten im Mittelmeer, ihre damaligen Anbiederungen an Viktor Orbán, die Gesetzesverschärfungen gegenüber Asylsuchenden, das passierte ja alles während ihrer Amtszeit. Aber gemessen an den reaktionären, neofaschistischen Fantasien über die Zukunft Europas von rechts bis ganz rechts und auf der anderen Seite bei ganz links wieder beginnend, wirkt sie mittlerweile tatsächlich wie Mahatma Gandhi. …

    Die CSU ist eine intellektuell plüschige Partei. Ihre Vertreter reden über einen Masterplan, setzen sich in Talkshows und rühmen ein Papier, das sie nicht gesehen haben, aber, es gibt das Papier. Hm, alles klar. Niemand weiß genau, was in den Geheimplänen steht, und vor allem, wo die Geheimpläne sind, aber alle glauben, dass die Geheimpläne den Weg ins Reich Gottes ebnen. Das ist bei den Zeugen Jehovas so, und bei den Zeugen Seehovas funktioniert es offenbar genauso.

  6. Besonders widerlich finde ich in diesem Zusammenhang auch die in den Medien etwas weniger in den Focus gerückte Rolle der SPD, die sich auf die Zuschauerbank verzogen hat. Hier werden Menschenleben zur politischen Disposition getellt, und die Sozialdemokraten machen mit, anstatt die Koalition sofort zu verassen.

    1. Die SPD ist nicht nur politische Heimat eines Thilo Sarrazin, sie ist auch sonst gespalten. Einerseits die Olaf Scholz‘ und Andrea Nahles der Republik, die vor lauter Rechtsdrall und Karrieregeilheit kaum geradeaus gehen können, andererseits gibt es aber auch Politiker wie Prof. Castellucci, dessen Rede (in der gestern von der Linken anberaumten aktuellen Stunde im Bundestag) ich Wort für Wort unterschreiben kann.

      Es war ein klassischer SPD-Fehler, überhaupt in die GroKo mit der Union einzutreten – warum sollte sie sie ausgerechnet jetzt verlassen? Solange noch die vage Möglichkeit der Entlassung von Seehofer/Unionsbruch im Raum steht und die CDU mit der SPD und mit Duldung der Grünen regieren könnte (<-Konjunktiv).

  7. War gestern bei nem Vortrag eines seawatsch-Aktivisten mit anschließendem Soli-Konzert (Krach halt).
    „Aus der Anweisung des MRCC in Rom, in Zukunft die libysche Küstenwache anzurufen,…“ ist doof, weil da entweder keine*r rangeht, besetzt ist, oft kein Englisch und/oder nur ein seltener arabischer Dialekt gesprochen wird, den über die knarzige Telephonverbindung kein*e Hochsprachler*in versteht.

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