Minihamster im Etui

Minihamster im Etui ist ein Anagramm von Heimatministerium.

Weniger witzig: das soll in Zukunft der Leitung von Horst Seehofer und dem Innenministerium unterstehen.

Wer hat’s erfunden? Genau: die Bayern. Dort ist es allerdings Teil des Finanzministeriums und Trostpreis für Markus Söder. Das bayerische Heimatministerium widmet sich der Aufwertung des ländlichen Raumes, Breitbandausbau, W-Lan auf jedem Marktplatz, E-Government, regionalen IT-Centern, ländlichen Fachhochschulen, Aufweichung der Bauvorschriften für mehr Gewerbegebiete, leistungsfähiger Landwirtschaft (Rückgrat des ländlichen Raumes), kommunalem Finanzausgleich zugunsten strukturschwacher Orte im Zonenrandgebiet, Heimatpakt und -kampagne, kurz:

Heimat heißt: zu Hause sein, zu Hause bleiben und sich zu Hause fühlen. Dafür haben wir die Heimatstrategie entwickelt.

 


 

Heimat wurde hier vor einer Weile schon einmal aufgegriffen und zu umschreiben versucht – als persönliches und individuelles Gefühl, oft in Verbindung mit Vergangenheit und Verlust, als räumlichen Ort, an dem man die Witze versteht, die Schleichwege kennt, nicht ununterbrochen hinterfragt wird, als Rechtsraum, als das Recht auf Rechte als zwingende Voraussetzung für Heimat.

Sehr lesenswert dazu finde ich einen Blog von irgendwie jüdischHeimat?

Bestimmt nicht jeder einzelne Mensch selbst, wo Heimat ist? Für die einen sind es die Menschen, die sie umgeben, für andere der Ort, in dem sie Zuflucht fanden, sie nicht mehr verfolgt werden, wieder andere finden ihre Heimat dort, wo die Ahnen schon lange lebten. Heimat kann so vieles sein. Es ist ein unbestimmter Ort. Für jeden etwas anderes, manchmal nur in Nuancen unterschieden, doch immer individuell. Ich wusste, was und wo Heimat für mich ist. Ich kehrte zurück in meine Stadt. Ich kehrte zurück in ein Land, in dem man mir noch immer sagt, meine Heimat sei Israel, um im nächsten Moment das Existenzrecht dieses Staates abzusprechen – und damit auch mir? Ich kehrte zurück und werde immer wurzelloser. Ist hier noch meine Heimat? Was ist Heimat noch mehr als Sprache? Als Geschichte? Als Landschaft? Reicht das, um Heimat zu sein? Ich zweifle. Ich werde wurzelloser in einer Welt, in der sich Menschen an überkommen geglaubtes festklammern. Ich stelle mir immer mehr die Heimatfrage, in einem Land, das nun den Faktor „Heimat“ mit einem einseitigen Mann, der sein Ziel darin sieht zu polarisieren, statt zu einen, als Kopf zu einem Teil eines Ministeriums macht. Ich lebe in einem Land, in dem man plant, Heimat vorzugeben. Ich lebe in einem Land, in dem es legitim ist, anderen Menschen vorzuschreiben, wo ihre Heimat sei.

Ich halte es inzwischen noch mehr für einen Riesenfehler von Demokraten und Linken, die Ausgestaltung des Begriffes rechten Lautsprechern zu überlassen. Rechte Lautsprecher haben keine Idee, wie Gegenwart und Zukunft für die gesamte Bevölkerung lebenswert gestaltet werden kann. Rechte Lautsprecher kennen nur die von ihnen selbst heraufbeschworenen Dystopien, gegen die sie sich als Not- und Bürgerwehr empfehlen. Mit rechten Lautsprechern wird Heimat zum Instrument, um Fremde und Gefährder identifizieren, sie aus ihrer Heimat exkludieren, sie vorbeugend strafen und in jedes Grundrecht eingreifen zu können.

 


 

Um zu begreifen, wo die Reise hingeht und um die bundespolitischen Konsequenzen eines Innen- und Heimatministeriums à la Horst Seehofer erahnen zu können, hilft ein Blick auf den Entwurf des bayerischen Polizeiaufgabengesetzes. Sollte das in der jetzigen Form Gesetz werden, bekäme die Polizei so viel Macht wie seit 1945 nicht mehr. Sie würde zu einer gigantischen Überwachungs- und Strafbehörde ausgebaut.

Hartmut Wächtler, Mitbegründer des republikanischem Anwaltsvereins, erklärt in 10 Minuten, wie grundgesetzwidrig der Gesetzesentwurf ist, ergänzend dazu Markus Reuter, Netzpolitik und Tim Geyer und Benedikt Niessen, Vice.

Die bayerische Polizei darf bei Gefährdern – also bei Personen, von denen sie annimmt, es ginge eine Gefahr von ihnen aus – nicht nur bestimmen, wo sie zu wohnen/nicht zu wohnen haben, sondern sie auch ohne Nachweis einer Straftat in Unendlichkeitshaft nehmen (ist bereits Gesetz). Sie darf das Brief- und Fernmeldegeheimnis nicht nur brechen, sondern auch Inhalte verändern und löschen. Sie darf jede Kommunikation behindern und unterbinden und zu diesem Zweck lügen und betrügen. Sie darf bei unübersichtlicher Lage (also immer) Demonstrationen unbegrenzt filmen, „Systeme zur automatischen Erkennung und Auswertung von Mustern, bezogen auf Gegenstände und das Verhalten von Personen“ einsetzen, in die informationelle Selbstbestimmung eingreifen und mittels ihrer Drohgebärden das Versammlungsrecht beschneiden. Sie darf Racial Profiling mit Hilfe der erweiterten DNA-Analyse betreiben.

Heribert Prantl kommentierte die in Bayern bereits Gesetz gewordene Unendlichkeitshaft im Juli 2017:

Das alles ist eigentlich unvorstellbar; bei diesem Gesetz „zur Überwachung gefährlicher Personen“ denkt man an Guantanamo, Erdogan oder die Entrechtsstaatlichung in Polen. Die Haft ad infinitum wurde aber im Münchner Landtag beschlossen. Die CSU sollte sich schämen; die Opposition, deren Aufstand nicht einmal ein Sturm im Wasserglas war, auch. Dieses Gesetz ist eine Schande für einen Rechtsstaat.

Es führt im Übrigen auch die Fußfessel für Personen ein, von denen eine Gefahr ausgeht. Man sollte die Fessel, am besten auch für die Hände, den Abgeordneten anlegen, die für so ein Gesetz stimmen.

Und das gilt auch für die SPD-Führung, die nicht nur ein einstelliges Wahlergebnis zugunsten der AfD anstrebt, sondern wirklich und wahrhaftig einer GroKo inklusive Heimatministerium zugestimmt hat.

SPD-Basis, hilf!


Foto: Andreas Bohnenstengel Wikimedia Commons


28 Kommentare zu „Minihamster im Etui

  1. Markus Decker, Berliner Zeitung – Worum kümmert sich eigentlich das Heimatministerium? – mit einem weiteren Aspekt:

    Aus dem Ministerium verlautet, Noch-Amtsinhaber Thomas de Maizière (CDU) habe sogar einen Teil der Kompetenzen loswerden wollen, weil ihm das Feld zu unübersichtlich geworden sei. Neben den großen Blöcken Migration und Sicherheit ist das Haus ja noch zuständig für jede Menge andere Themen: von Datenschutz, Demografie und Integration über E-Government, Cybersicherheit, Katastrophenschutz und öffentlichen Dienst bis zu Sport und Religion. Sogar Protokollaufgaben für die Regierung gehören dazu. Nun gibt es nicht weniger Kompetenzen, sondern mehr. Die Abteilung Heimat dürfte sich um die Entwicklung ländlicher Räume kümmern. Seehofer sagt, Ziel seien gleichwertige Lebensbedingungen in Deutschland und die Entwicklung von Dörfern und Städten. Tja, und die Zuständigkeit für das Bauen, derzeit noch im Umweltministerium angesiedelt, füllte früher mal ein ganzes Ministerium aus. Dabei reicht der Platz im Bundesinnenministerium schon für die bisherige Belegschaft nicht aus.

    Leute, die das Ministerium von innen kennen, staunen, was da künftig geleistet werden soll. „Mein lieber Mann!“, sagt einer. Doch der Seehofer könne das stemmen. Der alte Kämpe sei schließlich weniger ein Beamter als de Maizière, sondern vielmehr ein Politiker, der die großen Linien ziehe und alles andere dem Apparat überlasse.

  2. Heimatministerium? Echt jetzt? Dann bestehe ich aber auch auf das Einsamkeits- und ein Apfelkuchenministerium. Mir geht die Diskussion um den Heimatbegriff und das ganze identitäre Geschisse furchtbar auf die Nerven (damals wie heute), obwohl ich natürlich den Ansatz verstehe, dasThema nicht den „Rechten“ zu überlassen. Aber wie soll man „Heimat“ denn abseits von Oktoberfest, Kruzifixen und Pferdeärschen definieren? Als „unbestimmten Ort“? Als Gefühl? Bauchlinke Einhorn-Politik gibt’s es derzeit doch schon genug.

    Meine „Heimat“ wäre wahrscheinlich der Strausberger Platz. Würde der morgen in die Luft gesprengt werden, würde mich das aber auch nicht stören. Die unfreundliche Frau, die mich damals immer im Schreibwarenladen bedient hat, würde ich auch nicht vermissen. Die Menschen sind einfach zu sentimental.

    P.S. Ein wirklich hübsches Anagramm ;-)

    1. Aber wie soll man „Heimat“ denn abseits von Oktoberfest, Kruzifixen und Pferdeärschen definieren? Als „unbestimmten Ort“? Als Gefühl?

      Wie Heimat definiert wird, bleibt bitte auch weiterhin jedem selbst überlassen, mir geht’s um den Erhalt der rechtlichen Voraussetzung für Heimat (und deren Definition): Grund-, Menschen-, Bürgerrechte.

      Apropos das ganze identitäre Geschisse: die aktuelle Durchsage des offiziellen Steigbügelausrüsters der apokalyptischen Reiter.

      Daß im großen britischen Königreich kürzlich das Amt einer Einsamkeitsministerin ins Leben gerufen und der Staatssekretärin für Sport und Zivilgesellschaft übertragen wurde, wissen Sie?

      1. Don Alphonso, die alte Lederhose, ist tatsächlich ein Identitärer wie er im Buche steht (fragt sich nur in welchem, im Strafgesetzbuch, der Bibel, bei Hedwig Courths Mahler?). Keine seiner Kolumnen kommt ohne Lobgesänge auf die bayerische Heimat und die gute alte Zeit aus. Dennoch lese ich ihn ab und zu gerne, er ist halt auch ein unterhaltsamer Stilist.

        Zu Ihrer Frage: Meine liebe Dame, Sie werden wohl langsam vergesslich!

        (Dit stümmt! Wie sollte ich das alles sonst auch aushalten? Der guten Ordnung halber: link repariert und diesbezügliche Konversation gelöscht, dvw)

  3. Angewandte Heimatverteidigung in Bayern – Bernd Kastner und Inga Rahmsdorf, Süddeutsche:

    Der Freistaat Bayern verschärft seinen Kurs gegenüber neu angekommenen Flüchtlingen. Unabhängigen Rechtsberatern hat die Bezirksregierung von Oberbayern nun den Zutritt zu Erstaufnahmeeinrichtungen untersagt; dazu gehört das „Transitzentrum“ in Manching und Ingolstadt. Die Restriktionen sind bundespolitisch bedeutsam, gelten doch bayerische Aufnahme- und Abschiebezentren als Vorbild für die bundesweit vorgesehenen „Anker“-Zentren, wie die geplante große Koalition die Aufnahme-, Entscheidungs- und Rückführungseinrichtungen nennt.

    Unmittelbar betroffen von der neuen Linie ist der „Infobus“, ein bunt bemaltes umgebautes Wohnmobil, in dem seit 2002 auf den Arealen der Erstaufnahmeeinrichtungen in München eine unentgeltliche Asylberatung angeboten wird. Getragen wird der Infobus von Amnesty International und dem Münchner Flüchtlingsrat, mehr als 2500 neu angekommene Asylsuchende seien so allein 2017 mit dem Ablauf des Asylverfahrens vertraut gemacht und auf ihre Anhörung beim Asyl-Bundesamt vorbereitet worden, berichtet Infobus-Leiterin Elisabeth Fessler. In ihrem Team arbeiten Dolmetscher für zahlreiche Sprachen.

    16 Jahre nach dem Start des Infobusses begründet die Bezirksregierung ihre neue Linie auf Nachfrage der Süddeutschen Zeitung damit, dass sie in den Aufnahmezentren einen „geschützten Wohnbereich“ schaffen müsse, damit die Flüchtlinge „zur Ruhe kommen können“. Außerdem seien sicherheitsrechtliche Aspekte und der Brandschutz relevant.

    Im Koalitionsvertrag zwischen Union und SPD ist vorgesehen, „Anker“-Zentren zu etablieren, um die Asylverfahren noch schneller und effizienter zu machen. Vorgesehen ist auch eine „unabhängige und flächendeckende Asylverfahrensberatung“; wie diese gestaltet sein soll, ist aber offen. CSU-Chef Horst Seehofer soll als Innenminister in Berlin künftig für die Asylpolitik zuständig sein.

  4. Was wäre ein linkes Gegenkonzept für „Heimat“? Heimatlos? Das ist ein Mangel, aber nichts Positives.
    Dame von Welt schlägt vor: Heimat sei ein geschützter Rechtsraum. Zitat: „mir geht’s um den Erhalt der rechtlichen Voraussetzung für Heimat (und deren Definition): Grund-, Menschen-, Bürgerrechte.“

    Aber ein Rechtsstaat allein schafft nicht Heimat, in der wir uns zu Hause fühlen können.

    Mein Vorschlag für eine linke Alternative für Heimat heißt „Kommune“ (in Großstädten auch Stadtviertel). Das ist der politische, soziale und wirtschaftliche Ort, in den wir uns einbringen können/sollten. Falls das funktioniert, ist Heimat(kommune) etwas Selbstgeschaffenes, nicht etwas Vorgefundenes – also wirklich ein Teil von uns.

    (Sorry, dass ich meine Mailadresse geändert habe, aber WordPress hat meine übliche Mailadresse „gekapert“).

    1. Böses WordPress…;-)…

      Na klar ist Kommune, Kiez, Dorf, Region eine Heimatgröße, die sehr vielen Menschen entspricht, die vom Selbstschaffen, von der Möglichkeit zur Einflußnahme lebt und auf diese Weise Teil ihrer Bewohner wird und umgekehrt. Das wird ja unentwegt praktiziert und zwar in Benediktbeuern ebenso wie in Berlin-Kreuzberg, nach den Vorstellungen der jeweiligen Bewohner.

      Es sollte darüberhinaus aber allen frei stehen, wie groß ersiees Heimat(en) definiert, zum Beispiel schreibt irgendwie jüdisch im oben verlinkten Blog.

      Immer mehr fühlte ich, dass meine Heimat dieser alte Kontinent hier ist, in dem ich überwunden glaubte, was andere Alltag nannten. Ein Kontinent in dem ich Offenheit, Humanismus, Bildung über Dingen stehen sah, wie Titel, Geld, Hautfarbe, gesellschaftliche Stellung.

      Der springende Punkt ist die Möglichkeit zu Selbstdefinierung und Selbstschaffen. Damit wird Heimat gezähmt und nicht durch Definitionen von außen oder gar von oben, was Heimat ist und was nicht, wer eine haben darf und wer nicht.

      dame.von.welt hält den Rechtsrahmen der Grundrechte nicht für Heimat, sondern für die Voraussetzung dafür. Sie hält die Grundrechte auch nicht für einen geschützten Rechtsrahmen, sondern sieht ihn bedroht. Und sie wäre sehr stark erfreut, wenn Demokraten und Linke sich endlich darauf als gemeinsamen Nenner einigen könnten: es gibt nichts Revolutionäreres und Moderneres als die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte nebst Folgekonventionen.

  5. Was Israel angeht; ich hab den Staat und dessen Existenzrecht u.a. so verstanden, daß Israel als Antwort auf die Shoa jedem (verfolgten) Juden auf der Welt als Zufluchtsort dient. Inwieweit das die BRD garantiert, als Antwort auf die Shoa, weiß ich allerdings nicht. Wird wohl genauso verhindert werden wie die Bezeichnung Genozid für die toten Herero, Nama, … oder abgehandelt wie das Hickhack um Porajmos (https://de.wikipedia.org/wiki/Porajmos).

      1. Danke! Das heißt, wenn die Schweiz ihre jüdischen Staatsbürger entrechtete, hätten die hier höchstens nen „normalen“ Asylanspruch?!?
        (Falls ein/e Schweizer/in mitliest, ist wegen hypothetisch ;) .)

  6. Was das Heimatschutzministerium angeht; ist das MfInneres ja schon, für Infrastruktur ist das Verkehrsministerium zuständig und Bildung und Kultur ist in großen Teilen Ländersache.
    Und wenn ich die BRD richtig verstanden habe, ist diese nicht aus Langeweile oder zur Füllung von Artikeln über Pisa-Studien föderalistisch, sondern um ein IV. Reich zu verhindern…

  7. Ja, Heimat ist das, was wir selber machen, nicht das, was ein Ministerium will und tut.
    Deshalb ist ein „Heimatministerium“ auch eine Drohung und kein Versprechen.

    1. Und hier sone Drohung auf den Punkt gebracht, von der großartigen Sibylle Berg – Man mag es nicht, das Fremde

      Reflexe unhinterfragt auszuleben, ist das Ding der Stunde. Man nennt es Meinungsfreiheit, man nennt es: unsere Werte verteidigen, und es legitimiert das Zusammenschlagen von Menschen mit einem anderen Melaninanteil in der Haut, oder einer kleinen Kappe auf dem Kopf. Es legitimiert, alles abzulehnen, was anders aussieht als man selber. Zu dünn, zu dick, ein zu spitzes oder zu rundes Gesicht, zu dunkel, zu weiss, zu grosse Ohren – kurz: die Minderheit.

      Und nie sind es in Zeiten der wirtschaftlichen (gefühlten oder realen) Stagnation Banken, Steueroasen, Panama Papers oder Privatisierungen von gesellschaftlichem Eigentum, die den Hass der Massen mobilisieren. Immer ist es der Fremde. Ist einfacher. Lässt sich besser vermitteln.

      Von Politikern, Populisten, den Medien. Auf sie mit den Mistgabeln. Das hat sich bewährt. Das lenkt so schön ab. Die Triebabfuhr, Sie wissen schon. Über Jahrtausende waren es die Juden, heute sind es die Juden und die Muslime, und die Schwarzen, morgen sind es die Sozialhilfeempfänger, die RollstuhlfahrerInnen und die Rothaarigen (vermutlich eh Juden), es ist egal. Es ändert sich – nichts.

      Alles, was sich Menschen antun, all der Hass, das Leid, das Elend, der Tod, alles basiert auf Manipulation. Auf Hetze. Auf Apellen an eklige Instinkte, die man überwinden könnte. Schon immer haben die Armen einander dafür umgebracht, dass Reiche reicher wurden. Vielleicht bekommt man die Neigung, alles, was einem nicht gleicht, misstrauisch zu betrachten, nie vollkommen aus dem menschlichen System.

      Die Tiere, sie ahnen es. Aber man kann Menschen dazu anhalten, sich zusammenzureißen, zu lernen. Ihre Vorurteile zu überwinden. Leider war das noch nie im Interesse jener, die die Macht in einem Land repräsentieren. Denn Menschen, die einander hassen, sind zu allem bereit. Menschen, die zusammenhalten, eine Gefahr. Für wenige.

  8. Daniel Schreiber, Zeit Online – Deutschland soll werden, wie es nie war – ist anderer Meinung und plädiert dafür, ‚Heimat‘ den Rechten zu überlassen.

    Lange war das Wort nichts als eine Bezeichnung für den Geburtsort oder den Landstrich, in dem man seinen bleibenden Aufenthalt hatte.

    Das änderte sich jedoch zum Ende des 18. und zu Beginn des 19. Jahrhunderts, als der Begriff zum ersten Mal jene romantische Verklärung erfuhr, die wir ihm heute noch zukommen lassen: „Heimat“ stand nun für Ideen von Zugehörigkeit, Verwurzelung und regionaler Lebensart. Diese Verklärung war zuallererst eine Begleiterscheinung des Nationalgedankens, der im damals zersplitterten Kleinstaatendeutschland aufkeimte und einige Jahrzehnte später zur Gründung des Deutschen Reiches führte. Sie war aber auch eine Reaktion auf die sozialen und politischen Umwälzungen jener Zeit – eine Reaktion auf Landflucht, Industrialisierung und auf die europäischen Kriege, die ganzen Landstrichen regelmäßig neue nationale Identitäten aufdrückten. Damit wurde ein moderner Begriff geprägt, der vor- und antimoderne Ideen zum Ausdruck brachte. Die Idylle, die das Wort beschreiben sollte, war schon zum Zeitpunkt ihrer Beschreibung unwiderruflich verloren. Genau genommen hatte es sie eigentlich auch nie gegeben.

    Die Idee von Heimat, die damals ihren Anfang nahm, war wenig mehr als eine Projektion von kollektiven Sehnsüchten, Ängsten und Nostalgien. Sie war ein Sinnbild für etwas, das man anders nicht zum Ausdruck bringen konnte. Sie beschrieb einen irrealen, rückwärtsgewandten Sehnsuchtsort.

    Dieses Erbe zieht sich durch alle Inkarnationen, die der Heimatbegriff in der wechselvollen deutschen Geschichte durchlaufen hat – und es hat diesen Begriff schon immer für politische Instrumentalisierungen prädestiniert. In der Tat gab es kein politisches System in unserem Land, das ohne ihn ausgekommen wäre. Das Deutsche Kaiserreich erfand die Heimatschutzbewegung. Die Weimarer Republik erkannte in den unterschiedlichen regionalen Identitäten des Landes die Wurzel der „Vaterlandsliebe“. Heimat war der zentrale begriffliche Baustein der nationalsozialistischen Blut-und-Boden-Ideologie. Die junge Wirtschaftswunder-Bundesrepublik versuchte mit weißgewaschenen Heimatfilmen die schmutzige Vergangenheit zu vergessen. Im „Heimatkunde“-Unterricht der DDR diente der Begriff zur ideologischen Indoktrination. Immer beschrieb Heimat eine mehr schlecht als recht an die Realität gebundene Wunschvorstellung – eine Wunschvorstellung, die existierte, um sie politisch nutzbar zu machen. „Heimat“ hat noch nie existiert, ohne dass sie politisch instrumentalisiert worden wäre.

    Bernhard Schulz, Tagesspiegel, thematisiert das Bau-Ressort, das ebenfalls dem Horstministerium unterstellt wurde – ein schönes politisches Signal, das ohnehin überforderte Innenministerium in Zeiten amtlicher Wohnungsnot noch mit einer zusätzlichen Aufgabe zu versehen – Ein Ministerium verschwindet

    Horst Seehofer wird – immer vorausgesetzt, die Groko kommt tatsächlich zustande – der Minister eines Ressorts, das die Bundesrepublik Deutschland noch nicht gesehen hat. Innen, Bauen und „Heimat“ unter einem Dach – wenn, dann ist hier das Epitheton „Superministerium“ am Platz.

    Über den Tätigkeitsbereich „Heimat“ wird aufs Heftigste lamentiert. Worüber nicht geredet wird, ist die Ansiedlung des Bereichs Bauen und Stadtentwicklung beim Innenressort. Dabei ist das der eigentliche Paukenschlag. Denn die Wohnungsproblematik – plakativer noch „Wohnungsnot“ – wird eines der zentralen Themen deutscher Politik der kommenden Jahre sein, in Bund, Ländern und Gemeinden gleichermaßen. 1949, zur Gründung der Bundesrepublik, herrschte bitterste Wohnungsnot. Folglich war das Bundesbauministerium eines der ersten mit Kabinettsrang, 1961 um Städtebau erweitert; 1972 auch noch um „Raumordnung“ – es war das sozialdemokratische Jahrzehnt der Planungsgläubigkeit.

    Wie auch immer, an der Berechtigung und Notwendigkeit eines eigenen Ministeriums wurde nicht gezweifelt, und erst der allseits triumphierende Neoliberalismus rückte die staatliche Wohnungsvorsorge in den Hintergrund. Mit der zu Ende gehenden Regierung Merkel III musste sich das Bauwesen mit dem Umweltschutz die – in diesem Falle – Ministerin teilen. Jetzt aber, Anfang 2018, da die Versäumnisse der vergangenen zehn, fünfzehn Jahre in allen deutschen Städten schmerzlich spürbar sind, werden Bauwesen und Städtebau in ein aufgeblasenes Super-Innenministerium verlegt. Was immer man vom Wartestands-Minister Seehofer halten mag – und das muss überhaupt nichts Schlechtes sein –, als Verfechter staatlicher Bau- und Wohnungspolitik ist der eingefleischte Sozialpolitiker bislang nicht aufgefallen.

  9. Naja, das mit dem Verschwinden des Bauressorts und wohl spätestens 2021 auch noch Verkehr/Infrastruktur ist doch logisch, es wird alles privatisiert und der Markt ist ja immer noch der beste Regulator…

    Wenn mensch es mal runterbricht, könnte Heimat quasi das Private sein wo der Staat sich raushält aber eben dafür sorgt, daß die Regeln, und da stimme ich der Dame uneingeschränkt zu, also die Menschenrechte gewahrt sind. Und das beinhaltet halt ein bezahlbares Dach über den Kopf, eine funktionierende Infrastruktur, die nicht totgespart wird, sauberes Wasser und eine Polizei, die sich auch an die Regeln hält und Freund und Helfer ist nicht Staatsbüttel, ein zu unterstützendes Gemeinwesen, Würde im Alter und bei anderen Gebrechlichkeiten…
    (Ich schrob nicht über irgendein Taka-Tuka-Land in Afrika sondern über die BRD!)

    1. …über deM Kopf… *oops*
      Frau Berg hat aber auch nen Fehler im Text: ApPell. Kenn ich mich als Jung- und Thälmannpionier mit aus *lol*.

  10. Hannah Arendt: „Die Heimat verlieren heißt die Umwelt verlieren, in die man hineingeboren ist und innerhalb deren man sich einen Platz in der Welt geschaffen hat, der einem sowohl Stand und Raum gibt.“ (Totalitäre Herrschaft, 607)
    Heimat ist für Hannah Arendt der „Standort in der Welt“, der dem Menschen „die Bedingung dafür bildet, dass seine Meinungen Gewicht haben und seine Handlungen von Belang sind.“ (Totalitäre Herrschaft, 613).
    Ich denke: Das Vorgefundene („die Umwelt, in die man hineingeboren ist“) ist die Domäne des Konservativismus und der Fremdbestimmung.
    Das Selbsttätige und Selbstbestimmte ist dagegen der Kern aller Emanzipation. Eine solche Heimat kann immer und überall entstehen, wo wir als Mitbürger einbezogen und respektiert sind.
    Wo Staatsvertreter sich daran machen, Heimat einzugrenzen, wollen sie damit alles Neue, alles Selbstbestimmte und alles Fremde ausgrenzen.

    1. Ich denke: Das Vorgefundene („die Umwelt, in die man hineingeboren ist“) ist die Domäne des Konservativismus und der Fremdbestimmung.

      Das halte ich für einen Kurzschluß, denn es ist alles andere als ausgeschlossen, sich auch in der „Umwelt, in die man hineingeboren ist„, „einen Platz in der Welt“ zu schaffen, Inklusion und Respekt zu vertreten/erfahren und selbsttätig, selbstbestimmt und progressiv zu agieren. Hannah Arendt behandelt in Ihrem ersten Zitat den Verlust von Heimat und Bürgerrechten, nicht die Gestaltung von Heimat.

      Das Selbsttätige und Selbstbestimmte ist dagegen der Kern aller Emanzipation.

      Eher Ziel und Konsequenz von Emanzipation.
      Wären da nicht Ihre beiden Schlußsätze, könnte man Ihren Kommentar lesen, als wäre es zwingend nötig, die Geburtsheimat zu verlassen und auch, als sei Hannah Arendt irgendwie selbst schuld an ihrer Staatenlosigkeit, weil konservativ und fremdbestimmt. Nein, ich glaube nicht, daß Sie das aussagen wollten.

  11. http://www.taz.de/!5482959/
    „Diese Abwehr fixiert sich auf den sogenannten Soros-Plan. Orbán wirft ja dem ungarischstämmigen Milliardär und Philanthropen George Soros vor, Europa mit Flüchtlingen überschwemmen zu wollen.

    Soros unterstützt in Ungarn nicht nur die liberale Central European University, sondern auch NGOs, darunter einige, die sich für Flüchtlinge einsetzen. Denen soll es jetzt an den Kragen gehen. Das Mittel ist das „Stopp Soros“-Gesetzespaket, dessen Verabschiedung durch das Parlament sicher ist.

    Kaum Spenden
    Da dank der fremdenfeindlichen Stimmung im Land für Flüchtlingsbetreuung kaum gespendet wird, leben diese Organisationen vor allem von Geldern aus dem Ausland. Sie werden sich einer Prüfung durch das Innenministerium unterziehen müssen. Sollten sie diese bestehen, wird auf Gelder aus dem Ausland eine 25-prozentige Strafsteuer erhoben. […]“

    Einer der liebsten Buddies der CSU. Zeit- und geldspendende Helfer in Ungarn und international sind die Ärsche der Nation. Da wirds sehr gefährlich und das kann halt nicht „unser Ziel“ als BRD sein!

    Ich rate mal, daß auch so ne Aktion: http://www.fr.de/sport/olympia/panorama/armee-der-schoenen-kims-cheerleader-bei-olympia-im-dauereinsatz-a-1448941 an irgendwelchen Stammtischen mit CSU-Hoheit durchaus seine Zustimmung findet.

    (Die beiden letzten Sätze gelöscht – zero Themenbezug, rassistisches Dummgequatsche, dvw)

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