Um mit zwei absichtvollen Fehlschlüssen aufzuräumen:
- Niemand ist für Schwangerschaftsabbruch. Eine Abtreibung ist aber manchmal die weniger schlechte von zwei schlechten Optionen. Die Abwägung und Entscheidung kann letztendlich nur die ungewollt schwangere Frau treffen.
- Die Bereitstellung von Information hinter dem Wort Schwangerschaftsabbruch auf der Website einer Ärztin ist keine Werbung, sondern zeugt von ärztlicher Fürsorge und Kompetenz.
Das Amtsgericht Gießen hat heute die Ärztin Kristina Hänel zu 6000 Euro Geldstrafe verurteilt, nachdem sie zum wiederholten Mal von einem evangelikalen „Lebensschützer“ angezeigt worden war. Der „Gehsteigberatungen“ vor Arztpraxen organisiert und durchführt. Der einen Ärzte-Pranger auf seiner Website unterhält. Der Abtreibungen für Mord hält und mit dem Holocaust vergleicht.
Zitat von seiner Website (nicht verlinkt, Seite heißt Babycaust, ihr Betreiber Klaus Günter Annen)
Der Holocaust der Nazis ist der Inbegriff des Grauens im Dritten Reich
Gibt es eine Steigerungsform der grausamen Verbrechen?
Ja, es gibt sie!
Abtreibung ist MORD, es gibt dafür kein anderes Wort!
Es ist ein einziges Wort, das Kristina Hänel in diese … Lage gebracht hat: „Schwangerschaftsabbruch“. Dieses Wort steht auf der Webseite der Ärztin, neben Begriffen wie „Familienplanung“ und „Lungenfunktionsuntersuchung“.
Ob der Hinweis auf der Webseite denn noch immer existiere, will die Richterin wissen. „Es gibt keinen Grund, daran etwas zu ändern“ … Der Hinweis sei mit einem Link unterlegt, nur ein Klick auf diesen führe zu einem Dokument mit Informationen über Abbrüche ganz allgemein, über die verschiedenen Methoden und jeweiligen Risiken und über die Möglichkeit, den Abbruch in der Praxis Hänels vorzunehmen.
„Es handelt sich also um eine Information über eine Information, und die ist nicht strafbar“, sagt Frommel. „Es handelt sich nicht um eine appellative Äußerung im Ton eines ‚Kommen Sie zu mir, Verhütung ist viel zu anstrengend’.“ Die Handlung des Anbietens erfülle keineswegs den Straftatbestand des Werbens.
Der Paragraf stamme aus dem Jahr 1933, führt Frommel weiter aus. Er sei damals eingeführt worden, um jüdische und kommunistische Ärzte zu kriminalisieren. … Er passe nicht zur Gesetzesreform von 1995, wonach Schwangerschaftsabbrüche in Deutschland verboten, aber unter bestimmten Bedingungen straffrei seien. …
„Wir haben uns jetzt angehört, warum Sie meinen, dass der Paragraf nicht verfassungskonform ist“, sagt die Richterin. „Nun müssen wir aber ja erst mal feststellen: Er existiert.“ Und auch der Staatsanwalt betont: „Die Diskussion, die wir hier führen, ist eine rein rechtliche.“ Warum Hänel die Information auf ihrer Webseite eingestellt habe, fragt der Staatsanwalt. „Weil Patientinnen das Recht auf Information haben“, sagt Frommel. …
Im Vorfeld der Verhandlung sei viel darüber gesprochen worden, dass das Gesetz nicht mehr zeitgemäß sei und Frauen unrechtmäßig in ihren Rechten beschränke. „Die Verteidigung würde gerne eine Gesetzesänderung herbeiführen“, sagt er. „Dabei wird aber die aktuelle Rechtslage verkannt. Für die Gesetzgebung ist die Legislative zuständig. Die gesetzliche Norm hat hier Anwendung zu finden – wenn nicht, wäre das Rechtsbeugung.“
„Sie reden von Wortlaut und Rechtsbeugung“, erwidert Frommel. „Wir wissen alle, dass es solche Staatsanwälte wie Sie gibt und als Hochschullehrerin weiß ich, dass es Jurastudenten gibt, die über die Wortlautauslegung nicht hinauskommen.“ Über fehlende Information sei noch nie ein einziges Leben geschützt worden – „Das Gegenteil ist der Fall.“
Am Ende folgt das Gericht dem Antrag der Staatsanwaltschaft: Hänel wird zu 40 Tagessätze zu 150 Euro verurteilt und trägt die Kosten des Verfahrens. Der Gesetzgeber habe sich klar ausgedrückt, sagt die Richterin: „Er wünscht nicht, dass Schwangerschaftsabbrüche öffentlich diskutiert werden, als wären sie etwas Alltägliches.“
Ich konnte nicht glauben, daß dieser Satz wirklich gefallen ist, aber auch SPON gibt die Richterin so wieder:
Der Gesetzgeber möchte nicht, dass über den Schwangerschaftsabbruch in der Öffentlichkeit diskutiert wird, als sei es eine normale Sache.
Frauen haben zu allen Zeiten, in allen Kulturen und selbst unter Androhung der Todesstrafe unerwünschte Schwangerschaften beendet. Das mag zwar nicht in beliebte Muttermythen und andere Arbeitsplatzbeschreibungen für Frauen passen, es ist aber so. Wenn etwas immer schon, überall und unter allen Umständen stattfindet, was ist das dann? Wenn es denn keine „alltägliche“ oder „normale Sache“ ist, über die öffentliche Diskussion nicht gewünscht wird?
Die sich eigentlich stellende Frage ist: unter welchen Umständen treiben Frauen ab und in welchem Umfeld wird Abtreibung angesiedelt?
Eine der möglichen Antworten: Frauen werden immer noch für unfähig gehalten, mündige Entscheidungen darüber zu treffen, ob sie eine Schwangerschaft austragen, ein Kind gebären und es knapp 2 Jahrzehnte versorgen können. Eine Abtreibung bleibt nur dann straffrei, wenn Frauen vorher zwangsberaten wurden. Die Tötung von ungeborenem Leben ist bei Mord und Totschlag angesiedelt und: der Gesetzgeber möchte nicht, daß Schwangerschaftsabbrüche öffentlich diskutiert werden, als wären sie etwas Alltägliches.
Der Gesetzgeber will nicht, daß sich Frauen selbst informieren, warum sonst wird seriöse Information wie über Hänels Seite geahndet? Der Arztpranger bei babycaust (die nahezu einzige Informationsquelle, wenn eine einen abtreibenden Arzt in ihrer Nähe sucht) wird aus seltsamen Gründen nicht bestraft.
Und im Hintergrund steht die unsägliche Formulierung des Verfassungsgerichts, die Schwangere habe eine „Austragungspflicht“.
Daran mißt sich auch der Grad der Zivilisiertheit einer Gesellschaft. Wenn Frauen in Not und Ärzte, die ihnen helfen, kriminalisiert werden, rückt auch die Nötigung zurück zu den Kleiderbügeln in den Bereich des Denkbaren. In Deutschland läßt sich bereits jetzt keineswegs überall eine Arztpraxis oder Klinik finden, wo ungewollt schwangere Frauen adäquate Beratung und ggbfs. die Möglichkeit zu einer Abtreibung finden. „Lebensschützer“ bedrängen nicht nur Frauen in schweren Lebenslagen, sie errichten analoge und digitale Pranger für Ärzte und diskreditieren sie zunehmend erfolgreich, verhindern zum Beispiel, daß sie einen Mietvertrag für ihre Praxis bekommen.
Viele ÄrztInnen seien heute abgeschreckt von der Aussicht, mit Anzeigen der LebensschützerInnen überzogen zu werden – und führten die Abbrüche lieber gar nicht erst durch, sagt Christian Albring, Präsident des Berufsverbands der Frauenärzte in Deutschland. Frauen sind durch den Paragrafen 219a zudem von MittlerInnen wie ihren ÄrztInnen oder Beratungsstellen abhängig. …
Recherchieren sie selbst im Netz, landen sie aber fast zwangsläufig auf den Seiten der AbtreibungsgegnerInnen.
Würde nur ein kleiner Bruchteil der Energie, mit der sich „Lebensschützer“, der Gesetzgeber und Juristen wie besagter Staatsanwalt und besagte Richterin für den Schutz von ungeborenem Leben engagieren, den bereits geborenen Kindern und ihren Menschenrechten zuteil – die Welt wäre ein besserer Ort. Und es gäbe garantiert weniger abgebrochene Schwangerschaften.
Männer, die sich im Rahmen der Sexismus-Diskussion fragen, wie sie Frauen unterstützen können: hier wäre eines der Betätigungsfelder. Setzen Sie sich für die straffreie Möglichkeit zur Abtreibung ein, es ist nicht zu fassen, daß das immer noch nötig ist! Stärken Sie Frauen, sich zu informieren und ihre eigene Entscheidung zu treffen. Unterstützen Sie Frauen bei deren Umsetzung – auch, wenn Ihnen ihre Entscheidung nicht gefällt.
In ungefähr 9,7 von 10 Fällen gefällt sie ihr auch nicht, weil: niemand ist für Abtreibung.
Bitte zeichnen Sie Kristina Hänels Petition an den Bundestag mit
Abtreibungsgegner benutzen den §219a regelmäßig, um Ärzte anzuzeigen, zu belästigen, einzuschüchtern. Sie führen auf ihren Websites Listen von Ärzten und Kliniken, die Schwangerschaftsabbrüche durchführen und listen dort auch die unzähligen Strafanzeigen auf, die bisher gestellt wurden.
Es gibt in Deutschland ausführliche gesetzliche Regelungen sowohl im Bereich des Arztwerberechts als auch im Rahmen des Strafgesetzbuchs die Bestimmungen zum Schwangerschaftsabbruch. Der §219a ist veraltet und überflüssig. Er behindert das Anrecht von Frauen auf sachliche Informationen. De facto entscheiden die Beratungsstellen, wo die Frauen zum Schwangerschaftsabbruch hingehen können, da viele Ärzte eingeschüchtert sind und ihre sachlichen Informationen von den Websites herunternehmen aus Angst vor Strafverfolgung. Auch und gerade beim Thema Schwangerschaftsabbruch müssen Frauen freie Arztwahl haben und sich medizinisch sachlich und richtig informieren können.
Ich bin für das Recht von Frauen, sich im Internet über angebotene Leistungen von Ärzten und Ärztinnen zum Schwangerschaftsabbruch zu informieren. Informationsrecht ist ein Menschenrecht. Der §219a behindert dieses Recht.
Foto (beschnitten): Wikimedia Commons
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Das Plakat ist von 1932 (Screenshot bei Twitter)
Meredith Haaf kommentiert in der Süddeutschen:
Eva Horn kommentiert bei SPON:
Liebe Dame von Welt,
danke für die Informationen und Links, die über das hinaus gingen, was ich mir selbst zusammen gelesen.
Danke auch für den Hinweis auf die Petition, die ich bis dato noch nicht wahr genommen, inzwischen auch weitergeleitet.
Auch ich danke, ich habe das zwar alles mitbekommen und auch die Petitionen gezeichnet, wäre aber aus Zeitgründen nicht dazu gekommen selbst etwas dazu zu schreiben und werde meinen Lesenden Ihren Artikel von daher ans Herz legen wenn jemand mehr Infomation möchte. Erst letzte Woche stellte ich in einem, zwar fiktiven, Beitrag auf einem meiner Blogs den Fall einer ungewollt schwangeren Frau da, die nicht abtreiben darf, was einige zum Nachdenken brachte, wohin sich Vieles bewegt.
Mir ist völlig unerverständlich warum eine Ärztin keine Informationen geben darf (und damit vielleicht einen Suizid der Schwangeren verhindern, also ihrem Auftrag Leben zu retten nachkommem), aber ProFamilia etc. zum Beispiel auf Hinweis von Ämtern Frauen in ALG II-Bezug, die nicht abbrechen wollen zum Abbruch beraten soll, damit nicht noch ein „Esser“ zu Welt kommt.
O° da sollten Jobcenter und ProFamilia aber sehr aufpassen, daß sie nicht vor Gericht landen – das ist nicht nur widerwärtig und das Allerletzte, das ist auch strafbar.
Die Schwangerenkonfliktberatung ist qua gleichnamigem Gesetz nicht eigentlich ergebnisoffen. Sondern sie hat die Schwangere mit dem Ziel zu beraten, die Schwangerschaft nicht abzubrechen. Darüberhinaus steht auch im §218 was zur Nötigung Schwangerer zum Schwangerschaftsabbruch und die Strafmaße dafür.
Da haben Sie Recht. Aber es gibt immer wieder Fälle wie es scheint – siehe zum Beispiel in Sozialhilfehilfeforen gelegentlich erwähnt, manchmal landet das auch unabhängig davon in den Medien, einige Frauenberatungsstellen kennen das auch, sofern sich betroffene Frauen an die wenden -, wo Jobcentern das egal ist, Hauptsache ein Posten in der Bedarfsgemeinschaft weniger. Die Frauen bzw. Familien in der Situation sind wahrscheinlich so überfordert in dem Moment und so geschockt von dieser „Aufforderung“, dass sie keine rechtlichen Schritte gegen das JC einleiten (können).
Ich bin ziemlich entsetzt über den ganzen Vorgang. Dass vermeintlich christliche Idioten anderen Menschen vorschreiben wollen, wie sie zu leben haben, ist leider nichts neues. Dass die Gerichte sich hier haben vor den Karren spannen lassen, ist schon unerhört. Das Urteil ist ein Skandal.
Die Formulierung „Austragungspflicht“ ist hart an der Grenze zum Brechreiz. Das ist Nazidiktion. Da haben also Männer (und Frauen?) gesetzten Alters, alle weit jenseits der Familienplanung und in wirtschaftlich äußert komfortabler Position, ex Cathedra befunden, die Schwangere hätte (im Namen des Volkes?) ein Kind auszutragen, dass sie nicht will, aus welchen Gründen auch immer. Diese Gründe haben die Frau was anzugehen und evtl. noch den Kindsvater, ansonsten nur das medizinische Personal, ggf. noch selbst gewählte psychologische/seelsorgerische Vertrauenspersonen. Was erlauben sich die Damen und Herren Richter da eigentlich, in die persönlichste Sphäre eines Menschen mit einer absurden Verpflichtung, die nach meiner Einschätzung keine legitime Herleitung haben kann, einzugreifen? Das ist eine bodenlose Unverschämtheit und eine Anmaßung, für die mir die Worte fehlen.
Müssen sich Männer vor einer Vasektomie eigentlich auch „pro Life“ zwangsberaten lassen?
Ja, auf diese Weise wird wieder die Frau als Gebärmaschine diskutiert und zwar mit zunehmender Frequenz diskutiert.
Nicht nur, daß Frauen dabei jedes Recht auf Selbstbestimmung, auf körperliche und psychische Integrität abgesprochen wird, ich frage mich auch allmählich, wie sehr diese „Lebensschützer“ Kinder hassen müssen, indem sie ihnen ein Leben als unerwünschtes Kind verordnen wollen. Frauen füllen eine Mutterrolle nicht automatisch gut aus, sondern die Rahmenbedingungen für (noch) ein Kind müssen stimmen. Ob sie das bei einer ungwollten Schwangerschaft wider Erwartung und vielleicht doch tun könnten, kann letztlich nur die ungewollt schwangere Frau beurteilen. Es ist bodenlos, daß sich abtreibende Frauen und abtreibende Ärzte als Mörder etikettieren lassen müssen.
Ich hatte nach der Wende geglaubt, daß sich Frauen mit §218a halbwegs arrangieren können. In letzter Zeit aber beschleicht mich die Furcht, daß das bei den Tötungsdelikten angesiedelte Gesetz, die Nichtstrafbarkeit unter bestimmten Voraussetzungen ruckzuck auch wieder in ein generelles und strafbewehrtes Verbot zurückverwandelt werden kann. Ein Blick nach Polen reicht und ein Urteil wie das gestrige mehrt meine Furcht. Nicht nur der offensichtlich idiotische §219a muß weg, auch §218 ff. muß mindestens reformiert werden. Das gleiche gilt für den Schutz des ungeborenen Lebens – das ist eine auch gesetzgeberisch anspruchsvolle Abwägung, zwischen den Menschenrechten von Frauen und den Rechten von Embryonen.
Weswegen ich inständig hoffe, daß der Fall von Kristina Hänel so schnell wie möglich beim Bundesverfassungsgericht landet und die gesellschaftliche Diskussion bis dahin nicht abebben wird.
Ich finde es absolut unerträglich, daß „Lebensschützer“ auf die ärztliche Versorgung von Frauen in Not mittels Rufmordkampagnen und Nötigungen bereits jetzt schon so dermaßen viel Einfluß nehmen konnten. Es gibt nicht sehr viele Überzeugungen, für die ich mich auf meine alten Tage notfalls auch wo anketten würde, für das Recht auf straffreie Abtreibung auf jeden Fall.
Es ist so frustrierend und es macht mich krank, gerade diese Diskussion auf verstrahltem „Lebensschützer“-Niveau immer wieder und wieder führen zu müssen. Aber es ist wohl so: es kann rein gar nichts als gegeben betrachtet werden und jede Generation fängt immer wieder von vorne an. Es ist zum Heulen.
Bei vasektomiewilligen Männern wird nur nachgefragt, ob sie schon Kinder haben, damit dem armen Kerl nicht nach dem Eingriff einfällt, er hätte doch gern noch einen Stammhalter. Da geht es aber, soweit ich das verstehe, um das seelische Wohlbefinden des Mannes, nicht um irgendwelche Kinder. Und wie es aussieht steht der Kinderwunsch des Mannes natürlich weit über dem möglichen Nichtkinderwunsch der Frau…
Ich war gerade auf dieser „Babycaust“-Seite – ein mehr als unappetitliches Erlebnis (und das nicht nur wegen des grausigen Retro-Webdesigns). Wer als Mann derart besessen von blutigen Föten und schwangeren Bäuchen ist wie dieser Herr Annen, sollte vielleicht mal therapeutische Hilfe in Erwägung ziehen.
Ich fühlte mich schon versucht, dem Herrn Annen eine Postkarte zu schreiben und ihm zu versichern, daß er ganz offensichtlich nicht abgetrieben wurde und sich dementsprechend verhalten könnte.
Auch so manche Frau auf der Suche nach einem abtreibenden Arzt in ihrer Nähe wird therapeutische Hilfe nach dem Besuch seiner üblen Seite in Erwägung ziehen und die sind mir gefühlt näher. Die allermeisten Frauen machen sich die Entscheidung Schwangerschaft ja/nein alles andere als leicht und es ist so dermaßen perfide, sie mit Bildern von zerstückelten Embryonen im soundsovielten Monat zu erfreuen und ihnen systematisch Schuldgefühle zu machen. Die Entscheidung ist auch ohne schwer genug.
Man könnte die Arztliste von dieser Website doch einfach auf einer anderen Seite spiegeln und dort betroffenen Frauen öffentlich zur Verfügung stellen. Wieso hat das noch niemand getan? Oder hat schon jemand … ?
Ich denke auch, dass so ein Abbruch für Frauen alles andere als eine leichte Entscheidung ist, es ist vielleicht die schwerste, die sie in ihrem Leben treffen müssen. Ich weiß nicht, wie sich diese religiösen Fanatiker das denken – dass Frauen mal ebenso zwischen One Night Stand und Kaffeeklatsch in die Abtreibungsklink spazieren und danach munter und sorglos wieder hinaus?
Ich hatte gestern irgendwo gelesen, daß ein österreichischer Arzt eine Liste deutscher Abtreibungsärzte und -kliniken als freundlichen Service für Frauen ins www gestellt hat – leider habe ich versäumt, mir den Namen zu merken oder den link parat zu legen – hole ich die Tage nach, falls ich ihn wiederfinde.
Jedenfalls war deren Google-Ranking lausig, was man von dem von „Babycaust“ leider nicht behaupten kann. Ich weiß nicht, ob ich ir.gend.et.was aus diesem Abgrund gespiegelt sehen wollte und vermute auch, daß eine Arzt-/Klinikliste auf einem deutschen Server schneller gelöscht wäre als jede Kinderficker-Seite. Eine solche Seite wäre vermutlich nach §219a strafbar. Was womöglich auch für die Liste von Herrn Annen gilt, knickknack – Sie bringen mich da auf Gedanken.
Für religiöse Fanatiker sind Frauen eine Art sündige Kinder und sie die Erziehungsberechtigten. So viel im Wortsinn perverse Sexual-Phantasien und voyeuristische Ambitionen wie Frauen- und Homosexuellen-Hasser hat kein Hedonist.
Wäre ich nicht so ein eifriger Verfechter der Meinungsfreiheit, so würde ich doch glatt mal empfehlen, die Website des Herrn Annen durch den Filter der neuen Hatespeech-Gesetze zu jagen. Damit das Ding auch mal zu irgendwas gut ist. Wenn Sie wissen, was ich meine … Was auf dieser Website über Ärzte, Schwangere und auch über Homosexuelle steht, dürfte so ziemlich alles abdecken, was gemeinhin so unter Verunglimpfung, Beleidigung und Hetze verstanden wird. Von der Holocaust-Relativierung ganz zu schweigen.
Vermutlich meinen Sie den Bericht über den Arzt in Östereich, der die Liste für Deutschland führt.
„Werbung für Schwangerschaftsabbrüche verboten“
(In Österreich sieht man das öffentliche Informationsverbot in Deutschland mit Skepsis.)
24.11.2017 Aktuelles und Gesellschaft – ARTE Journal
Als Download noch ein paar Tage in der Mediathek oder im Browser ansehen.
— In HD
— niedrigere Auflösung, Datei dann kleiner
Mich beschäftigt auch schon lange, wie die zunehmende Entrechtung der Frauen, die Schwangerschaft zunehmend als Krankheit betrachtet, Vorsorgeuntersuchungen die Frauen als Risikofaktoren für ihre Ungeborenen definiert und die unzureichenden Honorare der Hebammen bis hin zum Kaiserschnitt als Normalfall der Entbindung. Bei mir läuft das alles unter Gesundheitsindustrie, wobei landauf landab Ethiklehrstühle zur Akzeptanzbeschaffung eingerichtet wurden. Nicht zu vergessen, Behinderte, Alte und der „Schöne Tod“.
Leider führen die links ins Nirvana, die Suche bei arte spendierte aber den Namen des österreichischen Arztes, den ich nicht mehr wußte: Dr. Christian Fiala. Guter Mann!
Auf dessen Website findet sich ein schöner Satz:
Und hier besagte Suchmaschine für Adressen zum Schwangerschaftsabbruch in ganz Europa.
Hmnuja, ein Grund, daß Schwangerschaften zunehmend als Krankheit betrachtet werden, ist, daß Frauen medizinisch gesehen zunehmend „Spätgebärende“ sind und damit „Risikoschwangerschaften“ austragen – auch, wenn die Pauschalität dieser Etiketten schräg ist. Daß Schwangerschaft und Familie in Ausbildung und Berufspraxis (besonders am Anfang der Karriere) nicht vorgesehen sind, bzw. junge schwangere Frauen wenig Unterstützung bekommen, ist kein Gesundheitsindustrie-Problem, sondern ein wirtschaftlich-politisch-gesellschaftliches Problem. Vier Fünftel aller Schwangerschaften in Deutschland finden jenseits des 35. Lebensjahres statt.
Entgegen landläufiger Meinung wird übrigens auch Sperma ab 25 nicht besser.
Angesichts der Abschaffung der Hebammen (Honorar für eine Geburt: 270 Euro) und der Schließung von mehr als 40 Geburtskliniken und -stationen seit 2014 stellt sich sowieso die Frage, wie man sich das eigentlich vorstellt: Frauen sollen gefälligst schwanger werden und bleiben und auch noch alleine entbinden?
Ich kriege auch gerade schon wieder Pickel, denn ich schreibe, als handele es sich um lauter jungfräuliche Empfängnisse und Geburten.
„Leider führen die links ins Nirvana.“
Markieren Sie alles zwischen den Anführungsstrichen also von https bis mp4, dann Rechtsklick und Link öffnen in neuem Tab, Fenster oder einfach öffnen. So gehts unter Firefox. Die Zeichenfolge hatte ich eingegeben, warum das nochmal gekapselt wurde bei der Präsentation weiß ich nicht.
Ich hab’s vorhin auch mit Firefox probiert und landete aus merkwürdigen Gründen bei ‚Dieses Video ist nicht mehr verfügbar‚, jetzt geht’s aber und ich lege die links hinter die Worte, ok?
Eigentlich suchte ich aber die von Dr. Fiala veröffentlichte und in Deutschland unzulässige Liste, bzw. Suchmaschine als Information für ungewollt Schwangere über Praxen und Kliniken, die Abtreibungen durchführen.
Information, ohne erst knietief durch zerstückelte Föten waten und sich Mörderin nennen lassen zu müssen.
Allein entbinden? Macht man das nicht im Taxi? Wozu also Hebammen und Geburtskliniken!
Wärmstens empfehlen möchte ich den Blog von irgendwie jüdisch: …wird der Frau das Recht übertragen, über die Unterbrechung einer Schwangerschaft in eigener Verantwortung zu entscheiden. Der mit Abstand beste Text, den ich in den letzten Tagen zum Thema gelesen habe.
Hab den Text gerade gelesen. In der Tat sehr gut, sehr empfehlenswert. Danke fürs Finden.
Eigentlich geht das Problem ja schon eine Stufe eher los: Frauen müssen sich ja schon rechtfertigen, wenn sie heutzutage keine Kinder wollen – aber nur, wenn sie verheiratet sind (Ist meiner Frau schon öfter passiert. Männer sind da wiederum außen vor). Sind sie es nicht und leben „nur“ in einer festen Beziehung oder gar einer, die nicht der „Norm“ entspricht oder auch ohne Beziehung, dann müssen sie sich wiederum fürs Kinderkriegen rechtfertigen. Es ist in Deutschland viel zu sehr üblich, dass beim Kinderkriegen Gott und die Welt mitredet, obwohl es sie einfach mal nix angeht. Ich weiß nicht, woher das kommt. Beim Thema Abtreibung ist das dann noch viel verschärfter, da haben schon „von Amts wegen“ viel zu viele Leute was mitzureden, und etliche, die es wiederum nix angeht, geben auch noch ihren Senf dazu. An dieser Haltung muss sich was ändern. Kinder kriegen oder auch nicht ist zuallererst die Sache der Frau, dann – je nach Situation – noch Sache des Partners. Alle anderen haben sich da nicht einzumischen, oder nur dann, wenn es sie unmittelbar was angeht (wie z.B. Ärzte).
Sie haben völlig recht, Frauen müssen sich ständig rechtfertigen und das ist ein Unding – ob sie in Beziehung leben oder lieber allein, ob sie Kinder wollen, ob sie keine wollen, wann sie Kinder wollen, ob sie mit Kindern arbeiten gehen oder ob sie lieber in Vollzeit Familienarbeit verrichten wollen – egal, ihnen werden übergriffige Fragen gestellt. Männer wird kaum eine dieser Fragen gestellt (s.a. jungfräuliche Empfängnis und Mutti wird’s schon richten).
Da bin ich gespalten. Selbstredend liegt die letztliche Entscheidung bei der Frau. Gleichzeitig kann man das aber auch als Arbeitsplatzbeschreibung verstehen.
Wenn wir mal kühn träumen würden und uns eine Gesellschaft vorzustellen versuchen, die Kinder liebt und will und Familien in deren! Sinn unterstützt, wäre die viele Arbeit rund um die Gören nicht mehr ganz so viel. Sehr oft wird ja nicht deswegen abgetrieben, weil gar kein Kind gewollt ist, sondern, weil ein Kind jetzt unmöglich ins Leben zu integrieren ist oder weil ein weiteres Kind und noch eine Schwangerschaft über die Kräfte geht. Wären Kinder in mehr Leben integriert und gäbe es mehr Kräfte als hauptsächlich die der Frau, gäb’s mehr Kinder, mehr entspannte Frauen und überhaupt mehr Spaß und mehr Konjunktiv passte jetzt nicht in diesen Satz.
Danke für`s aufmerksam machen auf die Petition. Babycaust… vielleicht wäre es an der Zeit für §§ die ignorante und unpassende Vergleiche verbieten. Nein, ist natürlich nicht ernst gemeint und meinem Brechreiz geschuldet. Dass sich Menschen nicht entblöden ihren Intellekt auf diese Art bloß zu stellen, ist natürlich ihr gutes Recht.
Am Rande des Themas – Jaques Testart, Le monde diplomatique: Superembryo
Der Gesetzgeber habe sich klar ausgedrückt, sagt die Richterin: „Er wünscht nicht, dass Schwangerschaftsabbrüche öffentlich diskutiert werden, als wären sie etwas Alltägliches.“
Völlig unsäglich, das. Aber klar, zu viel Information ist Gift für die Volksseele, zerbrecht euch doch darüber nicht eure hübschen Köpfchen. Fällt mir Reinhard Mey ein: „Der Minister nimmt flüsternd den Bischof beim Arm: Halt du sie dumm – ich halt’ sie arm!“
Der Arztpranger bei babycaust (die nahezu einzige Informationsquelle, wenn eine einen abtreibenden Arzt in ihrer Nähe sucht)
Ha, Schuss ins eigene Knie, Herr Annen. Obwohl ich keiner Schwangeren wünsche, auf die Seite zu stoßen. Dann doch besser bei Herrn Fiala schauen. Herrgott, man kann gar nicht genug kotzen…
Da hier vorweihnachtliche Stille (oder der Dezember-Blues) eingekehrt ist:
http://marx-forum.de/Forum/gallery/index.php?image/985-weihnachtsmusik/
Die Schweden und Norweger streamen die meiste Weihnachtsmusik. Auch Deutschland nimmt eine Spitzenposition ein. Das geringste Interesse an Weihnachtslieder zeigen Brasilianer.
Das Interesse an Weihnachtsmusik steigt nicht mit der Zahl der praktizierenden Christen.
Die statistische Analyse der Musik-Streamingdaten von 2016 in 35 Ländern zeigt: Weihnachtslieder werden vermehrt in Ländern und Regionen gehört, die im Dezember die wenigsten Tageslichtstunden und das schlechteste Wetter haben. Jede zusätzliche Stunde Dunkelheit vermehrt den Konsum von Weihnachtsmusik um 3 Prozent. Wenn es an einem Tag noch regnete, stieg der Konsum um ein weiteres halbes Prozent. Weihnachtsmusik ist eine Droge. Leider bekommen wir häufig eine Überdosis. ;-)
Little Drummer Boy: https://www.youtube.com/watch?v=DT1fA59oH7Q
Erholsame Feiertage wünscht
Wal B.
Anja Maier, taz – Fahnen hoch und Hosen runter
Ja, bei der Rausnahme aus dem StGB würd ich auch ansetzen. Ob und wie Beratungspflicht und bei wem, hm, das sollen Beteiligte verhandeln, mehr Angebote sind nötig.
Antje Schrupp bei evangelisch.de: Du sollst nicht töten: Abtreibungsverbote und christliche Ethik
Dinah Riese, taz:
Juliane Löffler, Pascale Mueller – Wir haben Zahlen der Strafanzeigen zum Abtreibungsparagrafen 219a analysiert
Lesen Sie den ganzen Artikel und sehen Sie sich die Grafiken an!
Thomas Fischer ist gereizt! (wäre er eine Frau, würde man seine Reaktion vermutlich hysterisch nennen)
Anfang Mai erschien in der taz ein Artikel von Gaby Mayr: Rechtsprechung mit Schimmelansatz, in dem sie Personen/Vorgeschichte des Tröndle/Fischer beleuchtet und dazu offenbar nicht ganz so gut recherchiert hat (irgendwo hatte ich den auch verlinkt und daraus zitiert). Nun Fischers Antwort darauf bei meedia: Deutschlandfunk, taz und Gaby Mayr auf heißer Spur – ein Betroffenheits-Stück über Zitate und Qualitätsmedien
Ginge es nicht um ein wichtiges Thema, könnte man sich an der Keilerei fast beinahe erfreuen.