NomNom: Kaninchen

 

Wahrscheinlich wird mich das jetzt ein paar Leser kosten: beim Anblick kleiner Tieren neige ich weniger dazu, sie überaus niedlich zu finden, sondern zu schätzen, wie viele Leute ich mit ihnen satt bekäme. Mit diesem Blick betrachte ich Hühner (2-3 Leute), Enten (3-4), Milchlämmer und -ziegen (6-12) und eben auch Kaninchen (in der Entenkategorie). Dazu kommt erschwerend, daß ich liebend gern gut zubereitete Tierteile in die Hand nehme und abknabbere und daß ich jedes Essen Spitze finde, das sich fast von selber kocht – nachdem ich eine Flasche Rot-/Weißwein oder trockenen Sherry darüber gegossen habe.

Erfreulicherweise werden Kaninchen in Deutschland nackig verkauft, denn es gehört nicht zu meinen Lieblingsbeschäftigungen, sie zu häuten. Das ist diffizil und erstaunlich anstrengend und ich schlachte und rupfe lieber 3 Hühner als 1 Kanickel abzuziehen. Der Grund übrigens, warum Kaninchen oft mit Kopf verkauft werden, ist ein in unseren privilegierten Breiten fast schon historischer, denn in Hunger- und Mangelzeiten wurden Katzen (Dachhasen) als Kaninchen ausgegeben. Wenn Pfoten und Kopf abgetrennt sind, kann man sie kaum voneinander unterscheiden. Nein, Katzen esse ich nicht. Aber zu Hund wurde ich mal in Nordvietnam eingeladen. Es wäre extrem unhöflich gewesen, diese Einladung auszuschlagen oder im Essen herumzustochern und es war: köstlich. Dafür wird übrigens keiner Witwe ihr Schoßhund entrissen, sondern das sind eigens dafür gezüchtete Speisehunde, teurer als Rindfleisch.

Sind Nahrungstabus nicht eigentlich extrem interessant? Menschen, für die Hund ein teures und seltenes Luxus-Winteressen ist, wird speiübel schon beim Gedanken an faule Milch also known as Käse. Mir wurde übel beim Anblick daumenlanger fetter Larven von ichweißnichtwas, frisch aus dem Reisfeld in den Reisbauern-Mund gesteckt. Ich liebe Gambas in jeder Variante, die sich von den Larven hauptsächlich durch die Farbe unterscheiden, rohe Austern (4 reichen), Sushi, Sashimi und Matjes. Passionierte Schinkenesser können mühelos verdrängen, daß sie mit den Schinkenlieferanten eine mehr als 90-prozentige genetische Übereinstimmung haben und daß Schweine sehr intelligente und empfindsame Tiere sind. Die wiederum von den Angehörigen zweier Weltreligionen als absolutes Nahrungstabu – unrein – betrachtet werden.

Aber auch der Verzicht auf tierisches Eiweiß allein rettet die Welt nicht. Wer das für sich in Anspruch nehmen möchte, beschäftige sich gelegentlich mit z.B. dem Plastikmeer in der Halbwüste zu Almeria und in so mancher Gegend im südlichen Italien. Wo nicht nur ökologische Katastrophen ihren Lauf nehmen, weil durch die Tiefbrunnen der Grundwasserspiegel ins Bodenlose sinkt und wegen der bewässerungsbedingten Versalzung der Böden außerhalb der Gewächshäuser kein Baum, kein Strauch mehr wächst. Sondern wo auch „Illegale“ aus z.B. Ghana unsere Tomaten pflücken, weil der Export von Tomatenmark aus der EU (inzwischen auch aus China) den ghanaischen Tomatenanbau unrentabel und sie arbeitslos machte.

Der Weg zu weniger Malträtierung von Mitgeschöpfen und Umwelt liegt nach meiner Meinung nicht in moralinsauren Zeigefingern, sondern in bewußtem Genuß. Fleisch ist für mich immer ein Festessen, das ich Gästen und mir vielleicht ein oder zwei Mal im Monat auftische. Die übrige Zeit esse ich (von Schinken abgesehen) vegetarisch, oft vegan und kaufe möglichst lokal/saisonal/bio. Hier geht es um ein solches Festessen, man nehme also:

1 möglichst glücklich gelebt habendes Kaninchen (nein, Tiefkühlkanichen aus China fallen definitiv nicht darunter)

1 gut bemessenen Bund Suppengrün (Sellerie, Möhren, Lauch, Petersilienwurzel)

1 halbes Pfund kleine Zwiebeln (oder Schalotten)

1 Flasche von dem, was Sie zum Essen trinken wollen: trockener Sherry, Weiß- oder Rotwein

1 Handvoll grüne (Sherry/Weißwein) oder schwarze Oliven (Rotwein), evtl. ein bißchen durchwachsener Speck

1 Handvoll getrocknete Tomaten (in der Rotweinversion machen sich zusätzlich ein paar getrocknete Pflaumen, in Weißwein getrocknete Aprikosen sehr gut)

Lorbeer, Salz, Pfeffer, Knoblauch, Olivenöl, evtl. Tomatenmark

Es empfiehlt sich, das Kaninchen zärtlich mit einem scharfen Messer und dem Auseinanderdrehen der Gelenke selbst zu portionieren: Kopf ab, Vorder- und Hinterläufe ab, den Rücken quer in zwei Hälften teilen und mit den Bauchlappen und Küchengarn in kompakte Rollen verwandeln. Kaninchenknochen sind zum Teil hohl und wenn der Vertrauensmetzger es mit dem Beil zerhackt, spuckt man hinterher Splitter. Wenn es schon zerteilt sein sollte, ist es deswegen schlau, sorgfältig nach etwaigen Splittern zu suchen (etwas ähnliches gilt für Kaninchen vom Jäger, auf Schrot zu beißen macht keine Freude). Das Kaninchen wird anschließend gewaschen und abgetrocknet, das Suppengrün in nicht zu kleine Stücke gehackt (so ungefähr fingergliedgroß), die Zwiebeln gepellt, die Oliven ggbfs entsteint (der Speck gewürfelt), getrocknete Tomaten (Pflaumen, Aprikosen) und Gewürze bereitgestellt.

In einem möglichst schweren Bräter oder einem Wok mit Deckel wird Olivenöl erhitzt und darin Oliven (Speck) und die Kaninchenteile angebraten. Sobald das liebe Tier überall ein bißchen Farbe hat, gesellen sich Suppengrün, Zwiebeln und ungepellter Knoblauch (Menge nach Geschmack und offiziellen Terminen am nächsten Tag) dazu. Wenn die angeschwitzt sind, wird der Wein (Sherry) angegossen und der Bratensatz vom Boden gelöst, anschließend kommen die getrockneten Früchte, Salz, Pfeffer und 3 bis 4 Lorbeerblätter dazu.

Ja und das war es jetzt schon fast mit der Kocherei. Sie müssen jetzt bloß noch die Hitze reduzieren, damit die ganze Herrlichkeit nur leise köchelt, gelegentlich umrühren und das Fleisch wenden (besonders bei der Rotweinversion, sonst bleibt ein Teil blass, während der Rest dunkelblaurot wird) und nach einer guten halben Stunde den Deckel abnehmen, den Herd wieder ein bißchen anheizen und die Sauce (mit – Rotweinversion – etwas Tomatenmark) um ungefähr ein Drittel einkochen lassen. Wer Knoblauch liebt, gibt jetzt noch mit Salz zerquetschten dazu.

Dazu schmeckt Quinoa, Reis, Pell- oder Ofenkartoffeln oder gutes Weißbrot, bitterer Salat wie Endivie oder Chicoree in einer Vinaigrette oder ein paar gebratene Champignons oder Spinat oder Mangold, fix mit gehackten Zwiebeln und Salz angeschwitzt und mit einem Schlückchen Sahne (Pfeffer, Muskat) abgeschmeckt – wie es Ihnen beliebt.

Mit etwas Glück bleibt noch etwas übrig. Dann lösen Sie das Kaninchenfleisch aus, schmecken die Sauce nochmal ab (Pfeffer!) und kochen sich dazu die besten Tagliatelle, die Sie finden können (gern die mit Ei). Kaninchennudeln am nächsten Tag sind noch ein Fest.

Guten Appetit, das Leben ist schön!

 


Foto: Lostrobots, der Hase mit den Bernsteinaugen, Edmund de Waals ererbtes Netsuke und wundervolles Buch, Wikimedia Commons. Bevor ich Teller mit Essen fotografiere statt Essen zu essen (mit Andacht), friert die Hölle zu.

Ein jederzeit gern gesehener Kaninchengast ist übrigens einer, der den passenden Wein zum Essen und Amarone della Valpolicella für danach mitbringt und mit dem die Gesprächsthemen gar nicht wieder alle werden. Was für ein schöner Abend und was für herrlicher Wein!


11 Kommentare zu „NomNom: Kaninchen

        1. Extra für Sie, zur Aufheiterung – der betende Hase von Walter Moers (Screenshot bei der Mainpost)

          Notfalls kann ich aber auch damit leben, daß Ihnen was am der Blog einfach nicht zusagt. Es reicht, mir das 1 Mal mitzuteilen.

          Vielleicht lesen Sie aber noch unten im Anspann über Der Hase mit den Bernsteinaugen nach und vielleicht sogar über die Geschichte der Familie Ephrussi. Über Edmund de Waal (Autor/Nachkomme) und sein anderes Buch Die weiße Straße habe ich mal etwas ausführlicher geschrieben.

          Es gibt kaum ein mit der Hand gefertigtes Artefakt aus ganz gleich welchem Material, das ohne Blut, Schweiß und Tränen entstanden wäre. Auch Köche haben immer Schnitte und Brandverletzungen.
          Schmerz ist oft der Preis für Schönes. Schmerz macht Schönes nicht weniger schön und kostbar.

  1. Mir läuft das Wasser im Munde zusammen, beim Lesen. Angesichts der Tatsache, dass eine meiner heutigen Gäste, auf den Duft von Fleisch in diesen Tagen mit Brechreiz reagiert, gibt es heute Auflauf. (Blumenkohl und Kartoffeln) Auch sie hat das Rezept gelesen. Wir wollen es zusammen kochen, mal schauen, wann.

    1. Hach, das ist in der Tat ein schönes Freundinnenkochrezept, man hat nämlich jede Menge Zeit, um sich gegenseitig was Feines ins Glas zu füllen und ausgiebig zu plaudern.
      Guten Appetit für den Auflauf, geschmolzener Käse macht die Welt auf jeden Fall zu einem besseren Ort!

      Bei mir gibt’s gleich Pizza, der Hefeteig säuert schon 2 Tage im Kühlschrank – mit frischen Tomaten, paar Oliven und Kapern, einem blättrig geschnittenen Champignon, ein paar Blättchen Majoran und Anchovisfitzelchen und natürlich mit Mozarella, schmackofatz.

      Danke @alle für das freundliche Feedback, freut mich sehr, daß Ihnen der Küchentext gefallen hat!

  2. Deutschland ist Europameister“

    Hat manchmal Vorteile, in der Provinz zu wohnen, weil da kriegt mensch Milch und totes Fleisch auch da, wo das noch (milchgebende) Lebende nebendran muht. Jedenfalls, um meinen ökologischen Fußabdruck möglichst kleinzuhalten und weil Fahrradfahren im hügeligen Gelände zwar gesund aber auch kraft- und zeitaufwändig ist und ich sowohl als auch für andere Dinge brauche, mehrere Sachen mit dem Auto erledigt, Geld in der Kreisstadt beim Automaten geholt, nebenbei noch in der Gärtnerei dort nach torffreier Anzuchterde gefragt (hatten die nicht), in nem Restposten/Billig/Krimskramsladen noch ein paar Baueimer als Pflanzkübel geholt und dann doch nen Sack Anzuchterde mit Torf. Aufm Weg zur Arbeit komm ich da an nem Stall vorbei (ehemalige LPG, die haben aber in ihren Ställen nur 100 Kühe, welche zumindest als Färsen (jungfräuliche Kuh) oder Bullen auch die Weide sehen ) und die haben Milch quasi direkt von der Kuh und auch Rind frisch geschlachtet. Drei Scheiben Roastbeef, die gibts heute abend, und gegenüber von dem Stall mit eigener Fleischerei gibts eine Leite (https://de.wikipedia.org/wiki/Leite_(Hang)) mit Buchen- und Eichenwald. Da grade Frühling ist, ist unter den noch kahlen Bäumen alles grün mit Bärlauch, also hatte ich in zehn Minuten bißchen mehr als ein Pestoglas voll gerupft, natürlich Blatt für Blatt und behutsam und nicht alle von einer Wurzel. Pesto allerdings mit in der Kaffeeschlagmühle geschrobelten Sonnenblumenkernen und ebenjenes Öl und halt Salz, wird lecker…

    Was ich bei den Steaks nicht verstehe, da wird im Trash-TV immer so ein Gewese gemacht, mit superteurem Herd, Temperaturfühler etc. und dann isses doch nicht mehr medium rare blabla…
    So als jemand, der nix kann, aber alles macht (wobei mir der: https://www.youtube.com/watch?v=xZLNigZba7U u.a. die Kinder, Band und ungefähr 1000 Tattos voraus ist ); kurz in die heiße Pfanne hauen, dann weißnicht ca. 10-20 min in den Ofen bei ca. 100 °C, anschneiden am Rand, wenns da au point (medium done) ist, nochmal kurz in die Pfanne. Das mit dem Salzen ist ne Glaubensfrage, beim 1. Mal Pfanne jeweils auf die schon angebratene Seite, bißchen Butter drauf, gut ist. Dazu gibts heute allerdings Schnittlauch, natürlich selbstgefangen im eigenen Garten .

    Und nun zur Straße der Besten:
    „Acht Millionen Kubikmeter Torfprodukte werden in Niedersachsen jährlich produziert und zusätzlich 1,8 Millionen Kubikmeter vorwiegend aus dem Baltikum importiert.“
    https://www.abendblatt.de/ratgeber/wissen/article107962808/Deutschland-ist-Europameister-im-Torfverbrauch.html
    und auch hier: https://www.salzburg.gv.at/umweltnaturwasser_/Documents/wwf-hintergrundinformation.pdf
    10 Mio m³ sind eine Fläche von 3,33…*3,33… [km²] einen Meter hoch mit Torf zugeschüttet. Oder pro Nase 0,125 Liter, ne Kaffeetasse voll.
    Ich hab da keinen Bock (mehr) drauf und werde wohl auch noch die Anzuchterde selbermachen. Allerdings dazu erstmal Altvorräte an NPK (Nitrat, Phosphat, Kalium) Dünger aufbrauchen, steht ja auf den Torfsäcken, wieviel die nangehauen haben. Für übernächstes Jahr dann komplett selber mit Schafswolle und Hornspänen, Mist und Sand, der Boden hier ist Lehmkeuper. Ist halt auch aufwändig, da die Erde für die Anzucht erstmal komplett unkrautfrei sein muss, sprich getrocknet und das Grünzeug rausgelesen, vermischt und gelagert muß die halt auch noch werden.
    Ich weiß auch nicht, wo die Leute das Zeug säckeweise Jahr für Jahr hinkippen, klar vergammelt der Torf mehr als wenn mensch nen Haufen Bärlauch hat und zerknietscht nur ein Gläschen Matsch rauskriegt, im seit mindestens 200 Jahren genutzten Garten habe ich mit mehr oder weniger regelmäßigen Mistverbuddlung eher zuviel als zuwenig Erde…*schulterzuck*

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