Neue Zürcher Zeitung: Die Kämpfe zwischen der Minderheit der Rohingya und der burmesischen Armee eskalieren
Frankfurter Rundschau: Militante Rohingya lösen schwere Kämpfe aus
Das folgende hinkt – wie jeder Vergleich mehr oder minder hinkt – aber wie empfänden Sie eine solche Schlagzeile: „Aufstand im Warschauer Ghetto löst Vernichtung von Juden aus?“
Die Rohingya werden von der UN schon seit Jahren als die am meisten verfolgte Minderheit der Welt benannt.
Im Nordwesten des Vielvölkerstaates Myanmar leben sie seit Jahrhunderten, ihre Geschichte ist ideologisch umstritten. Sie selbst sehen sich als autochthone Volksgruppe im früheren Königreich Arakan, heute Rakhine, die vor rund 1000 Jahren zum Islam konvertierte. Nach einer anderen Version sind sie Nachfahren muslimischer Händler der monsungestützten asiatisch-arabisch-ostafrikanischen Küstenschiffahrt ab dem 8. Jahrhundert. Die Rede ist auch von königlichen Deportationen aus dem heutigen Bangladesh im 17./18. Jahrhundert. Viele wurden von den britischen Kolonisatoren im 19. Jahrhundert als Verwaltungsangestellte und Landarbeiter in Nordwest-Burma angesiedelt. Vermutlich ist an jeder der Versionen etwas dran – Fakt ist jedenfalls, daß seit Jahrhunderten dunkelhäutige Muslime in Burma leben. Rohingya heißt zunächst nur ‚Bewohner von Rakhine‘, ist also kein Synonym für ‚Muslim aus Myanmar‘, obwohl Aktivisten das seit den 90er Jahren zu etablieren versuchen. Die Regierung in Myanmar entrechtet die Rohingya systematisch, unter dem Vorwand illegaler Einwanderung aus Bangladesh.
Schon im Zuge der Unabhängigkeit von den Briten 1948 wurden Ressentiments gegen alle nicht-buddhistischen Minderheiten geschürt, z.B. gegen die meist christlichen Karen (ein von Missionaren verbreiteter Sammelbegriff für x unterschiedliche Minoritäten). Sie leben längs der burmesisch-thailändischen Grenze, werden seitdem verfolgt und sie wehren sich dagegen. Erst vor 5 Jahren wurde ein offizieller Waffenstillstand zwischen der burmesischen Armee und der Karen National Liberation Army ausgehandelt. In Burma leben 135 verschiedene Minoritäten, die Majorität ist buddhistisch, es gibt jeweils weniger als 5% Christen, Hindus und Muslime.
Der Widerstand der Rohingya gegen die Unterdrückung durch die buddhistische Majorität war und ist ungleich viel kleiner als der der Karen. Seit der Unabhängigkeit fanden 19 große Militäroperationen gegen sie statt, in deren Rahmen zahllose Rohingya getötet wurden, ihr Besitz, ihre Dörfer und Moscheen niedergebrannt, ihr Land geraubt, Frauen massenhaft vergewaltigt, ihre Infrastrukturen systematisch zerstört und viele zur Flucht über die Grenze nach Bangladesh gezwungen wurden.
1982 erließ die Militärdiktatur ein Gesetz, das den meisten Rohingya die Staatsbürgerschaft entzog, sie gelten als illegale Immigranten aus Bangladesh. Seitdem sind sie Freiwild. Sie haben keine Bürgerrechte, dürfen nicht ohne weiteres reisen, unterliegen einer unter drakonischen Strafen durchgesetzten 2-Kind-Regel, sie erhalten kaum medizinische Versorgung und keine höhere Schulbildung. Für Rohingya gibt es so gut wie kein Wahlrecht mehr, dafür aber Sondersteuern, Zwangsarbeit, Heiratsbeschränkungen, Manipulationen bei der Registrierung von Geburten und Todesfällen, illegale Inhaftierungen, Folter, Vergewaltigungen, Morde – kurz: sie sind vollkommen rechtlos. Außerdem gibt es die national-faschistischen buddhistischen Mönche der 969-Bewegung, die die Minderwertigkeit und Verabscheuungswürdigkeit von Muslimen predigen und die seit dem Ende der Militärdiktatur immer einflußreicher werden.
Völkermord ist definiert als:
eine der folgenden Handlungen, die in der Absicht begangen wird, eine nationale, ethnische, rassische oder religiöse Gruppe als solche ganz oder teilweise zu zerstören:
a) Tötung von Mitgliedern der Gruppe;
b) Verursachung von schwerem körperlichem oder seelischem Schaden an Mitgliedern der Gruppe;
c) vorsätzliche Auferlegung von Lebensbedingungen für die Gruppe, die geeignet sind, ihre körperliche Zerstörung ganz oder teilweise herbeizuführen;
d) Verhängung von Maßnahmen, die auf die Geburtenverhinderung innerhalb der Gruppe gerichtet sind;
e) gewaltsame Überführung von Kindern der Gruppe in eine andere Gruppe.
Verharmlosung und Ignoranz des seit Jahren stattfindenden Genozids an den Rohingya bleibt jedenfalls zuverlässig straffrei.
In Burma leben noch rund 1 Million Rohingya, darunter mindestens 120.000 von ihrem Land Vertriebene seit 2012 in Lagern, die in der New York Times als 21st Century Concentration Camps beschrieben werden. Rund 1,5 Millionen flohen schon ins Exil, nach Bangladesch, Indien, Pakistan, Thailand, Malaysia, Saudi-Arabien, in die Vereinigten Arabischen Emirate, Australien, Europa, USA, sogar nach Nepal kurz nach dem Erdbeben. Überall bleiben sie aber wegen ihrer Staatenlosigkeit weiterhin rechtlos und sind auf Gnade angewiesen, falls sie nicht gleich schon auf der Flucht versklavt wurden.
Was in deutschsprachigen Medien als „Kämpfe auslösen“ und „Kämpfe eskalieren“ bezeichnet wird: Mitte August verübte die Arakan Rohingya Salvation Army (ARSA) koordinierte Attentate auf rund 30 Polizeiposten, mit 12 Toten. ARSA erklärte diese Attentate zu einer Reaktion auf die an der Rohingya-Minderheit verübten Gräuel durch Myanmars Armee. Bereits im Oktober des vergangenen Jahres gab es ARSA-Attentate, 9 Polizisten und 5 Soldaten wurden ermordet. Die Gruppe wird angeführt von einem offenbar im pakistanischen Exil geborenen und in Mekka aufgewachsenen Rohingya, Ata Ullah. Es ist unklar, aus wie vielen Rebellen sie besteht, wie sie bewaffnet sind (verschiedene Videos zeigen hauptsächlich junge Männer mit Macheten), ob sie erwähnenswert großen Zuspruch in der muslimischen Zivilbevölkerung hat, ob sie mit Islamisten aus anderen Staaten in Verbindung steht und von ihnen unterstützt wird (letzteres ist vermutlich eine reine Zeitfrage und würde dann den Vorwand liefern, Myanmar entgültig muslimfrei zu machen).
Die Revanchen des burmesischen Militärs trafen, wie üblich, vor allem die Zivilbevölkerung, nach den Attentaten im Oktober wurden etwa 400 Rohingya getötet, mehr als 87.000 flohen nach Bangladesh. Wie viele aktuell getötet wurden, ist noch unklar.
Aung San Suu Kyi jedenfalls ließ in der vergangenen Woche schon mal verlauten, die internationale humanitäre Hilfe sei in Wirklichkeit Hilfe für Terroristen.
Derzeit sitzen Zehntausende im Niemandsland zwischen Myanmar und Bangladesh fest, weitere Zehntausende flohen über den Grenzfluß Naf nach Bangladesh, wo bereits eine knappe halbe Million aus Myanmar geflohener Rohingya lebt und wo zur Zeit – Monsun – größere Teile des Landes überschwemmt sind. In Asien starben mindestens 1.500 Menschen im diesjährigen Monsun, ungeachtet des weit größeren medialen Interesses an den Überschwemmungen in den USA. Wie schon gesagt: Verharmlosung und Ignoranz des seit Jahren stattfindenden Genozids an den Rohingya bleibt jedenfalls zuverlässig straffrei.
tl, dr:
Detaillierter Hintergrund:
Final Report of the Advisory Commission on Rakhine State
Bild: Screenshot bei Al Jazeera, gibt viele schlimme Fotos und Videos auf Twitter
Wie immer: danke für die Zusammenfassung und die Materialsammlung.
Ach, liebe Trippmadam – danke fürs Danke (um welche Uhrzeit lesen Sie denn schlimme Blogs?)
Um diesen Blog hatte ich mich seit einer Woche herumgedrückt – seit die ersten Fotos und Filme in meiner Twitter-Timeline auftauchten, von verzweifelten Exil-Rohingya (und von Erdogan-Jüngern à la Martin Lejeune).
Beim Genozid gegen die Rohingya zeigen sich schon seit vielen Jahren die erbärmlichen Schwächen der deutschsprachigen Medienlandschaft. Die Schuhe zog mir die beiläufige und mangelhafte Berichterstattung vor 2 Jahren aus – als Abertausende Boat People aus Myanmar und Bangladesh in der Andamen-See auf steuerlos gemachten Booten ohne Trinkwasser und Nahrung trieben, nachdem die USA gegen den thailändischen Sklavenhandel interveniert hatten und die gut geölte Kette aus Flucht und Versklavung kurz zum Stillstand kam. Es gibt kein einziges deutschsprachiges Medium, das zum Beispiel und unter anderem über den Zusammenhang zwischen unseren Garnelen und Zwangsarbeit berichtet, wie der Guardian das seit Jahren tut. Aus dem deutschsprachigen Raum reiste auch niemand nach Südostasien, um sich – ASEAN-Gipfel voraus – selbst ein Bild von der Situation zu machen, wie das für die New York Times selbstverständlich ist.
Auch das bitterböse Thema Staatenlosigkeit wird in deutschsprachigen Medien kaum einer Erwähnung für wert befunden, obwohl es auch viele nach Deutschland Geflüchtete betrifft, von Mahalmi über Palästinenser bis zu den neueren Flüchtlingen aus x Staaten, in denen die Ausstellung eines Personalausweises oder gar Reisepasses nicht selbstverständlich ist. Staatenlose werden in Deutschland lieber als „arabischer Mafia-Clan“, „Asylbetrüger“ und „Scheinsyrer“ verhandelt, es gibt für Staatenlose kaum Integrationsmaßnahmen, mit den üblichen Kettenduldungen wegen Abschiebehindernissen wenig Perspektiven zur Lebensplanung, nur zögerlich Naturalisierungen und dann wundert man sich über erhöhte Kriminalität. Als hätte Hannah Arendt nie gelebt und kein einziges Wort über Staatenlosigkeit geschrieben.
Selbst die taz, die u.a. durch die Kooperation mit le monde diplomatique eigentlich eine noch recht gute Auslandberichterstattung pflegt, hält den Genozid für „Kämpfe in Myanmar“, für einen „neuen Krieg“, für eine „Krise“ und für die „bisher größte Herausforderung für die rund ein Jahr alte Regierung von Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi“. Ich halte Schlagzeilen und Wortwahl dieser Art in Verbindung mit dünner Berichterstattung für fahrlässig und verantwortungslos. Aung San Suu Kyi und ihre Regierung sind an den Menschenrechten der Rohingya exakt null interessiert. Für Rohingya hat sich seit Ende der Militärdiktatur rein gar nichts zum Besseren verändert, sondern die Hetze der 969-Bewegung scheint immer gesellschaftsfähiger zu werden.
Eben deshalb danke, weil man eben so wenig in den üblichen Medien darüber liest. (Was die Uhrzeit betrifft: mit den Wechseljahren ist meine Schlaflosigkeit schlimmer geworden. Ansonsten habe ich aber keine einschlägigen Beschwerden, so dass ich noch dankbar sein muss. ;-) )
Freuen Sie sich auf den post-klimakterischen Leichtsinn…;-)…
Der kommt, versprochen!
Belegt durch von Human Rights Watch erhobenen Satellitenbildern (Screenshot ebenda) wurden allein in 1em Rohingya-Dorf 700 Häuser niedergebrannt:
Auch Zeit Online wartet nur mit einer aufgehübschten Agenturmeldung auf: Viele Tote bei Kämpfen in Myanmar
Tatsächlich und bereits am 28.8.17:
Am 1.9.17:
Guterres weiß sehr gut, daß die humanitäre Katastrophe längst etabliert ist, z.B. für die rund 120.000 seit 2012 internierten Rohingya. Und weil er Diplomat ist, erwähnt er auch gar nicht, daß Aung San Suu Kyis Regierung Ende Juni UN-Mitarbeitern die Visa verweigert hatte und die Gewalt der Armee gegen Rohingya lieber von einem ehemaligen Armee-Angehörigen untersuchen lassen wollte. In deutschsprachigen Medien wurde darüber gar nicht berichtet, der Guardian:
Arne Perras, Süddeutsche: Es ist verstörend, wie unterschiedlich der Westen Leid wahrnimmt
Inzwischen sind es weit mehr als 2.000 Tote, rund 40 Millionen Menschen sind von den Überschwemmungen in Südasien betroffen.
Fortify Rights am 1.9.17:
Hannah Beech (vor Ort), New York Times (2.9.17): Desperate Rohingya Flee Myanmar on Trail of Suffering. ‘It Is All Gone.’
ein umfassend informativer Artikel mit einem 4einhalb-Minuten-Video und Fotos.
Jacob Judah on the Myanmar border, Guardian/Observer (2.9.17): Thousands of Rohingya flee Myanmar amid tales of ethnic cleansing
James Hookway, Wall Street Journal: Myanmar Says Clearing of Rohingya Is Unfinished Business From WWII
Simon Lewis, Wa Lone, Reuters: Nearly 90,000 Rohingya escape Myanmar violence as humanitarian crisis looms
Oliver Holmes, Guardian: Myanmar blocks all UN aid to civilians at heart of Rohingya crisis
John Brown, Haaretz: As Violence Intensifies, Israel Continues to Arm Myanmar’s Military Junta
Daily Mail/afp: Bangladesh forces 2,000 Rohingya off remote island
Screenshot bei Twitter
BBC: Mediterranean rescue ship moves to Myanmar to save Rohingya
Reuters: Myanmar’s Suu Kyi under pressure as almost 125,000 Rohingya flee violence
BBC – Myanmar conflict: Rohingya refugee surge hits Bangladesh
Channel NewsAsia: Suspected landmines maim Rohingya fleeing Myanmar
amnesty international – Myanmar: Restrictions on international aid putting thousands at risk
Volker Pabst kommentiert in der NZZ:
Tasnima Uddin, Independent: What created the blueprint for Rohingya genocide in Myanmar? Western colonialism
Lennox Samuels, The Daily Beast: Burma’s Nobel Peace Prize Winner Aung Suu Kyi Winks at Rohingya Massacres
Mehdi Hasan, The Intercept: Burmese Nobel Prize Winner Aung San Suu Kyi Has Turned Into an Apologist for Genocide Against Muslims (links nicht eingepflegt)
Jonathan Head, BBC:
Zeit Online hingegen leistet sich immer noch aufgehübschte Agenturmeldungen, die man nur dann zuordnen kann, wenn man sich vorher anderswo informiert hat – andernfalls fällt das folgende unter grobe Klitterung: Rohingya-Rebellen rufen Waffenstillstand aus
Da sich hier kaum jemand für den Genozid an den Rohingya interessiert und ich nur noch monologisiere, beende ich den Medienservice.
Vielleicht sehen Sie sich ja eher Bilder an. Laut Human Rights Watch wurden inzwischen 105 Dörfer in Rakhine niedergebrannt:

Quelle
In Bangladesh richtet die Armee gerade ein Internierungslager für 400.000 Rohingya ein, das ist in etwa die Hälfte der in den letzten Jahren und aktuell aus Myanmar Geflüchteten:

Quelle
Fehlen noch rund 500.000, dann ist Myanmar muslimfrei, mission accomplished.
War da nicht mal was mit „Nie wieder“?
Der Genozid an den Rohingya fällt definitiv unter „wieder“ und es interessiert hier kaum wen. Dieser Blog wurde stolze 138 Mal aufgerufen, das ist selbst für meine bescheidenen Maßstäbe unterwältigend.
Persecution, Forced Displacement, and Genocide of Rohingya, Kachin, Shan, Karen and other minorities of Myanmar, Dr. Gregory H. Stanton (Research Professor in Genocide Studies and Prevention at the School for Conflict Analysis and Resolution, George Mason University, Arlington, Virginia), daraus:
Saskia Sassen, HuffPost: The Assault On The Rohingya Is Not Only About Religion — It’s Also About Land (nicht alle links eingepflegt):
Wa Lone, Andrew R.C. Marshall, Reuters: ‚We will kill you all‘
Hannah Beech, New York Times: Rohingya Militants Vow to Fight Myanmar Despite Disastrous Cost
Doch verehrte Dame, ich interessiere mich sehr fuer Ihre Berichterstattung.
Merkwuerdigerweise konnte ich die letzten Monate hier in Indonesien Ihren Blog nicht aufrufen, seit heute geht es aus unerfindlichen Gruenden wieder.
Ihre Myanmarberichte sind mit das erste was ich hier durchlese um die Links durchzuforschen brauche ich aber noch ein paar Tage um die alle durchzulesen (ein paar kannte ich schon).
Da ich schon lange in Indonesien lebe ist fuer mich eine Medienpraesenz in englischer Sprache selbstverstaendlich geworden, da englischsprachige Medien (also nicht nur aus UK, USA, Australia, NZ u. S. A.) ueber aussereuropaeische Horizonte generell informieren.
Dt. Sprachige Medien sind erschreckend provinziell.
Ihre Einschaetzung, dass die Islamisten von der westl. Ignoranz in naher Zukunft von diesem Genozid profitieren, teile ich.
Hier in Indonesien war das Thema in allen Medien dauerpraesent, da es ja auch um Glaubensbrueder/schwestern geht, aber da als Mitglied des ASEAN sich die Regierung es sich nicht erlauben will klare Worte zufinden, profelieren sich hier die konservativen und islamistischen Verbaende wie die FPI oeffentlichkeitswirksam zum Thema Rohingya.
Sehr schwierige Situation fuer mich und progressive lokale Organisationen hier.
Die von dem Militaer (TNI) gegruendeten und gesponsorten fundamentalistischen Kriminellen der FPI bestimmen z. T. den Diskurs und befinden sich auch noch auf der moralisch richtigen Seite.
Das ist ein wichtiger Punkt, der in deutschsprachigen Medien so gut wie gar nicht vorkommt: die ASEAN-Staaten pflegen sozusagen als ihre Gründungs-DNA die strikte Nichteinmischung in die inneren Angelegenheiten anderer Mitgliedsstaaten. Deswegen fiel auch die vergleichsweise sehr harsche Kritik an der burmesischen Ausbürgerungspolitik beim ASEAN-Gipfel vor zwei Jahren (während parallel Tausende meist Rohingya auf steuerlos gemachten Booten in der Andamensee dümpelten) hier kaum jemandem auf. Es ist sowieso erschütternd, wie wenig sich die deutschsprachigen Medien für Entwicklungen außerhalb von Europa/USA interessieren, ja: erschreckend provinziell.
Ich habe mich schon seit einer ganzen Weile nicht mehr um Updates der Rohingya-Blogs gekümmert, aus zwei Gründen: die Blogs liest kaum jemand und ich halte es kaum noch aus, denn das Elend in Bangladesh wird täglich größer, der UNHCR versagt an den Rohingya schon seit Jahren auf ganzer Linie und privat finanzierte NGOs können das aktuell kaum auffangen.
Abgesehen davon und von den stetig steigenden Flüchtlingszahlen wurde hauptsächlich vermeldet, daß die israelische Regierung auf ihren Waffengeschäften mit der burmesischen Regierung beharrt und das war mir ein zu rutschiger Abgrund militaristischer Starrköpfigkeit mit Gewinnabsicht, über dessen Vorgeschichte ich viel zu wenig weiß.
Keine Ahnung, ob Sie Fortify Rights kennen – eine a.m.S. sehr solide arbeitende NGO und immer sehr gut informiert. Ansonsten erweist sich Twitter als erstaunlich gute Nachrichtenschleuder, unter dem Hashtag Rohingya läßt sich ein erster Eindruck gewinnen, welche Kräfte sich für die Rohingya interessieren (und welche nicht).
Der wahrscheinliche weitere Verlauf ist erschreckend absehbar – es wird vermutlich mehr Militante wie ARSA geben und die werden in Myanmar und wahrscheinlich auch in Bangladesh den Anlaß bieten, eine runde Million Menschen noch weiter zu entrechten. Das zum speziell deutschen Thema „Nie wieder“, es ist zum Weinen.
http://www.taz.de/Klage-der-Herero-gegen-Deutschland/!5476165/
„Die Begründung des deutschen Antrags zeigt überdies erneut, dass dem juristischen Begriff „Genozid“ eine Schlüsselbedeutung zukommt, etwa beim Vorwurf der Herero und Nama, sie seien im Zusammenhang mit dem Genozid enteignet worden. Das ist historisch zutreffend! Allein der Anwalt Deutschlands weist diesen Vorwurf, der wohl auch dazu dienen soll, Wiedergutmachungsforderungen zu begründen, dadurch zurück, dass er den Begriff des Genozids, der 1948 internationales Recht wurde, als nicht rückwirkend gültig erklärt. „Der juristische Begriff des Völkermordes“, so das Schreiben, „ist auf die mutmaßlichen Gräueltaten, die zwischen 1885 und 1909 stattfanden, nicht anwendbar.“
Es ist nur noch von „Gräueltaten“ die Rede
Auch dies verdeutlicht, warum Deutschland sich so schwer mit dem Begriff des Völkermordes tut. In Namibia kursiert das Gerücht, auch die deutsche Delegation bei den laufenden Regierungsverhandlungen würde vom Begriff des Völkermordes abrücken, stattdessen lieber von „atrocities“ (Gräueltaten) sprechen – ein Begriff, bei dem man keine juristischen Folgen befürchtet. Der deutsche Botschafter in Namibia sprach öffentlich in letzter Zeit ebenfalls von Gräueltaten statt von Genozid.“
Die (zukünftige) Entschädigung gehört nicht dem Staat Namibia sondern den Herero und Nama!
Unsere als „Wiedergutmachung“ bezeichneten (und höchst übersichtlichen) Zahlungen an Israel fußen nach dieser Anwaltslogik auch auf Rechtsbruch.
Einerseits verjährt Genozid nie, andererseits gibt’s den erst seit 1948? Ebenso, wie die Menschenrechte unvordenkliches Recht sind, kommen auch schreckliche Verstöße dagegen immer schon vor.
Der Umgang unserer Regierung/Behörden mit der Verantwortung für Verbrechen gegen die Menschlichkeit ist unerträglich und zwar egal, ob gegenüber Herero und Nama, Juden, Zwangsarbeitern, Opfern des SS-Terror in Italien usw. – es ist immer die gleiche widerwärtige Knickrigkeit. Als ob „Gräueltaten“ der Entschädigung für wert befunden würden…
Es ist auch unwürdig für mich als Staatsbürger. Da setze ich im real life auch an in Gesprächen. Landläufig wird das Rumgeeire durchaus wohlwollend betrachtet: „Da kommen dann alle angeschissen und wir blablabla…“
Mit Recht (was ja, am Rande, das in „“ auch beinhaltet) und warum regeln unsere Volksvertreter das nicht und machen sich diesbezüglich nicht mehr angreifbar, wenn der moralische Zeigefinger kommt („Ihr Deutschen müsst den Ball gaanz flach halten…“) ?!?
Und damit ich nicht zu sehr abschweife; warum erkennen wir als BRD den Genozid an den Rohingya (wird wohl noch paar mehr Minderheiten in Burma betreffen, die nicht auf Parteilinie sind) nicht an und sorgen dafür, daß da wenigstens sowenig wie möglich verrecken, vergewaltigt etc. werden?
Da muß ich auch nicht an das Rote Kreuz/Halbmond spenden, dafür habe ich einen steuerfinanzierten Staat, der sich da eben kümmert. Und wenn ein niedriger zweistelliger Mio-Betrag nicht reicht, dann eben mehr Geld und wasweißich Blauhelme, THW, die ganze Brigade halt. Ebenso aktives diplomatisches Einsetzen für die Leute.
Weil das mit Geld und Positionierung verbunden wäre, weil man sich nicht in die inneren Angelegenheiten anderer Staaten einmischt, weil Aung San Suu Kyi sone schöne Nobelpreisträgerin ist, weil die Rohingya Muslime sind und weil demnächst sowieso alles wieder in bester Butter ist.
Die nach Bangladesh geflohenen Rohingya werden von Myanmar re-patriiert. Sie (inklusive minderjähriger Waisen) müssen bloß nachweisen, daß sie burmesische Staatsbürger sind.
Ich mag darüber im Moment nicht mal bloggen, weil es mich so würgt.