Vor einem Jahr war die Kölner Polizei so schlecht vorbereitet und so unterbesetzt, daß gegen Menschen geschossenes Feuerwerk, Diebstähle, sexuelle Übergriffe in der Menschenmenge zwischen Hauptbahnhof und Dom nicht unbedingt interessierten. Im Vorfeld wollte die Polizei keine Erkenntnisse gehabt haben (Seite 6 im Bericht des NRW-Innenministers), obwohl in NRW seit Jahren organisiert agierende Gruppen von Dieben bekannt sind. Am nächsten Tag wurde von einer ruhigen, weitgehend ereignislosen Silvesternacht berichtet, trotz 1.267 Notrufen zwischen 20h und 7h, aus denen 863 Einsätze hervorgingen, davon 53 am Kölner Hauptbahnhof.
Das änderte sich: bis zum 10. Februar lagen 1.054 Strafanzeigen vom Kölner HBF vor, davon 454 wegen sexualisierter Übergriffe. Am 16. Juni waren es laut Staatsanwaltschaft Köln 1.182 Anzeigen, 497 davon wegen sexueller Übergriffe, darunter 5 Anzeigen wegen vollendeter und 16 wegen versuchter Vergewaltigung. 8 Beschuldigte befanden sich im Juni in Untersuchungshaft. Verurteilt wurden 6 Männer, einer davon zu einer Gefängnisstrafe.
AfD, *gida und Konsorten feierten die Silvesterübergriffe in u.a. Köln als Weihnachten und Geburtstag an einem Tag. Der Umsatz der notleidenden Pfefferspray-Industrie stieg in ungeahnte Höhen. Der Einsatz von Pfefferspray gegen Menschen ist übrigens im Krieg verboten, was aber weder die Polizei auf Demonstrationen noch die vielen neuen Frauenrechtler schert.
Die Ereignisse des vergangenen Jahres sollten sich auf keinen Fall wiederholen. 1.700 Polizisten schoben Dienst in der Kölner Innenstadt und am Hauptbahnhof. Junge Männer mit dunkler Hautfarbe wurden zu generalverdächtigen „Nafri“ (nordafrikanische Intensivtäter) erklärt, sie wurden kontrolliert, eingekesselt, in Züge gesetzt und aus Köln verbannt. Aus einem Zug im Bahnhof Köln-Deutz wurden 300 Männer mit dunkler Hautfarbe geholt und erkennungsdienstlich behandelt. „Auch in Dortmund, Düsseldorf, Essen und Münster sichtete und beobachtete die Polizei Gruppen nordafrikanischer Männer. Dabei sei in mehreren Hundert Fällen die Identität der Männer festgestellt worden, teilte die Landespolizei in Duisburg mit.“
Racial Profiling ist grund, völker- und europarechtswidrig.
Daß die Kölner Polizei nicht nur Racial Profiling in großem Maßstab betreibt, sondern den Begriff „Nafri“ auch fröhlich twittert, ihre Wortwahl/den Einsatz rechtfertigt und darin noch den Dank und die Unterstützung der Kölner Oberbürgermeisterin Reker findet (ebenjene Frau Reker, die Frauen in Menschenmengen zum Halten „einer Armlänge Abstand“ rät), zeigt nur den traurigen Umstand, wie selbstverständlich Rassismus in Deutschland geworden ist.
„Unsere Frauen“ müssen schließlich vor dem „Schwarzen Mann“ geschützt werden. Anders gesagt: Patriarchen streiten, wer befugt/nicht befugt ist, Frauen zu befingern.
Die Kölner Polizei hat … nichts anderes getan, als ihre alltägliche Praxis ganz offen und ohne Schnörkel als das auszusprechen, was sie ist: Rassismus. Dafür wäre ihr eigentlich zu danken. Denn das hätte der Beginn einer Debatte sein können, die sich gegen diese Form der Diskriminierung wendet. Ob eine solche allerdings entsteht, ist mehr als zweifelhaft. Denn ein nicht kleiner Teil der Bevölkerung im Deutschland des Jahres 2017 scheint schon wieder so weit zu sein, Rassismus gutzuheißen, wenn er der Gesundheit des Volkskörpers nützt.
Vor sexualierter Gewalt schützt weder Videoüberwachung noch Rassismus, sondern Krav Maga.
Foto: Raimond Spekking (beschnitten)
Tagesspiegel: Das Raster der Polizei in Köln
Es ist gelogen, daß es erst in der Silvesternacht 2015/16 zu heftigen Ausschreitungen am Kölner Hauptbahnhof kam.
dradio, aus der Sendereihe ‚Verunsicherte Gesellschaft‘: Die Kölner Silvesternacht und die Folgen
Weiter im Tagesspiegel:
In den social media feiern AfD, *gida und Co schon wieder so derartig Weihnachten und Geburtstag auf einem Tag, daß sich die taz zu einem Faktencheck zur Silvesternacht veranlaßt sah: Die Phantom-Banden der Rechten
Und wem noch nicht übel genug ist, liest am besten die Antworten auf Tweets (gestern und heute) von z.B. Jan Böhmermann und Christoph Lauer.
Falls jemanden zwei Urteile zu Racial Profiling bei der Bundespolizei interessieren –
2012 OVG Rheinpfalz: Pressemitteilung des Gerichts, der Anwaltskanzlei Adam und ein Artikel bei der Rechtslupe.
2015 Verwaltungsgericht Stuttgart: Pressemitteilung des Gerichts, Urteil und Begründung auf der Seite der Kanzlei Adam und ein Artikel im Migazin.
Wenn ich das richtig verstehe, dürfen Bundespolizisten deutlich mehr als der Rest der Polizei, die für anlaßlose Kontrollen eine Begründung wie z.B. „Gefahrengebiet“ benötigen. Wo die Bundespolizei eingesetzt wird, z.B. Bahnhöfe, Flughäfen, Züge, Grenzen, scheinen sie das „Gefahrengebiet“ quasi im Gepäck zu haben. Der schmale Grat zwischen legaler anlaßloser Kontrolle und verbotenem Racial Profiling verläuft dort, wo nur Nichtweiße ins Visier genommen werden und nicht glaubhaft dargelegt werden kann, daß das „fahndungsrelevant“ ist (ein Begriff, den die Kölner Polizei zur Diskussion beisteuerte).
Christian Bangel kommentiert bei Zeit Online: Nordafrikaner nach rechts
Danke, so sehe ich das auch.
Falls irgendjemand glaubt, Racial Profiling sei eine Innovation der jüngsten Silvesternacht, der liest am besten und zum Beispiel bei Mohamed Amjahid 2014 nach: Alle überprüfen oder keinen
Weil es zum Thema paßt: am 26.1. ab 19h hält Klaus Theweleit einen Vortrag über Das Lachen der Täter. (Rechter) Terror und Männlichkeit bei der Amadeu-Antonio-Stiftung (Novalisstraße 12 in Mitte, Anmeldung bis 19.1.)
Simone Peter, die die Selektion aller nach „Nafri“ Aussehenden kritisiert hatte, rudert jetzt zurück – nachdem gestern schon andere Grüne der Polizei einen Persilschein ausgestellt hatten.
Wenn ich das richtig übersehe, gilt institutionalisierter Rassismus bei der Polizei jetzt nur noch bei davon Betroffenen, Kabarettisten, einzelnen Linken und Journalisten als kritisierbar. Alle anderen ziehen sich auf „Hat doch prima gewirkt“ o.ä. zurück. Es scheint irgendwie nicht in Köpfe zu passen, daß man gleichzeitig eine gut mit Stellen und Technik ausgestattete Polizei notwendig finden, froh über kaum sexualisierte Übergriffe sein und jedes Gesäge an Artikel 3 furchtbar finden kann.
Dazu passt Jochen Bittner, der den Täter aus Nordafrika gleich als doppelt kriminell ausruft: Wegen der Tat und wegen seiner Undankbarkeit. Ich habe mich übrigens getäuscht – Publizisten wie Bittner bereiten die Komplettabschaffung des Art. 16a GG vor, während ich Lämmchen dachte, es werde fortan nur noch an Verwaltungsstellschrauben gedreht.
Link: http://www.zeit.de/2017/01/asylrecht-kriminelle-einwanderer-einwanderung-gewalt/komplettansicht
Hm, man muß für *hüstel* konservative Rechtsstürmer nicht unbedingt FAZ oder Welt lesen und noch vor Ende dieses Jahres wird das Grundgesetz als linksradikales Pamphlet gelten.
off topic: mir schwillt gerade der Hals anläßlich zweier Meldungen des mdr: Keine Ermittlungen gegen SPD-Landeschef Lischka und Kubitschek gewinnt Rechtsstreit gegen Lischka
Kubitscheks Widerstand-leicht gemacht-in-8-Schritten und seine kaum verblümten Gewaltaufrufe darin sollten allerspätestens jetzt zur Beobachtung durch den Verfassungsschutz veranlassen!
Bemerkenswert finde ich, daß Kubitschek auf diesem Fuß empfindlich ist, was bedeutet, daß er weniger auf dasVolk™ abzielt (für das seine Beobachtung durch den Verfassungsschutz wahrscheinlich eher unter Auszeichnung fiele) als auf gemäßigtere Bürger.
Ein bißchen lustig ist, daß Kubitschek im entsprechenden Artikel bei der Sezession von sich selbst fast durchgängig als „wir“ spricht. Interessant auch die Kommentatoren dort, darunter Ex-Pfarrer Thomas Wawerka. Ayayay.
Tatsächlich: Der Herr von Schnellroda und sein Gutshofvolk sind off-topic. Nicht nur hier.
Thank you for belehring…;-)…
Gemeinsame Nenner, mit denen sich Gemeinsamkeiten und wenigstens entferntere Themenbezüge herstellen ließen: beide sind bei aller Gesetzesskepsis klagefreudig, Kubitschek freut sich bestimmt auch über Bittners feinsinnige Erörterung, ich hielte es für grob fahrlässig, den Multiplikator aus Schnellroda oder den aufstrebenden Zeit-Journalisten ignorieren zu wollen und mir schwillt bei beider Texten der Hals.
„Thank you for belehring …;)…“
Gern geschehen. Und es wird nicht mehr vorkommen.
„Eine Gruppe dunkelhäutiger Männer geht auf die linke Tür zu. Alle werden abgewiesen. Der Polizist zeigt auf die rechte Tür. Alle gucken verwundert. Führen nicht beide Türen auf den Vorplatz? Und haben sie vor sich nicht schon ganz viele Leute durch die Tür gehen sehen? Was soll’s – die Gruppe dreht ab und versucht es an der rechten Tür. Dort kommt sie durch. Mit ihnen versucht eine Gruppe aus drei Pärchen die rechte Tür zu nutzen. Aber der Polizist schüttelt den Kopf, streckt seinen Arm aus und zeigt auf die linke Tür. Dort mischen sich die Pärchen in den Pulk und passieren ohne Probleme.“
aus: Wer feiern darf und wer nicht
Tja, das ist in der Tat angewandter Rassismus. Wie sollte man das anders nennen..?
Hallo! Herzlich willkommen, Janto Ban!
Huhu!
Margarete Stokowski, SPON: Fragen bleiben erlaubt
Reden ist immer gut. So lange wird nicht geschossen.
Lese:
Fabian Köhler, piqd: Die nächste wahrgewordene Undenkbarkeit: Wie Racial Profiling wirklich wirkt
Monitor, WDR (2014): Kontrolle nach Hautfarbe: Wie der Staat Minderheiten schikaniert
Vice: Wie es sich anfühlt, wegen des Aussehens von der Polizei kontrolliert zu werden und ebenda von Anett Selle: Maschinenpistolen, Taschenkontrollen und „Racial Profiling“: Die Nacht am Kölner Hauptbahnhof
Sandhya Kambhampati, Correct!v: Racial Profiling: In neun Monaten hat mich die Berliner Polizei 23 Mal kontrolliert
Johannes Schneider, Tagesspiegel: Wie bitte geht eine normale Debatte?
Alexander Isele, nd: Warum Racial Profiling die Menschenwürde verletzt
Alf Frommer aka Siegstyle: 5 Bevölkerungsgruppen, die wirklich überprüft werden müssten.
Daniel Bax, taz: In der weißen Blase
Patrick Gensing: Wenn der Zweck die Mittel heiligt
Was ist noch schlimmer als Rassisten bei der Polizei?
Inkompetente Rassisten bei der Polizei.
Lalon Sander, taz: „Nafris“ zählen für Anfänger