Eigentlich nicht Hühnerfrikassee, sondern -blankett, die helle Mehlschwitze kommt zu Ehren und heißt hier sehr zu recht Sauce Velouté aka Samtsoße – der Trick: ausdauerndes Rühren. Das ist ein entspanntes Festessen für Sie und mindestens 3 Gäste, die Zubereitung dauert alles in allem etwa 2 Stunden, es kostet relativ wenig Geld, ist einfach zu kochen und unterscheidet sich von den gleichnamigen Fälschungen in Kantinen und Supermarktgefriertruhen grundlegend.
Man nehme, für die Brühe:
1 möglichst glücklich gelebt habendes Huhn
2-3 Möhren
1 gute Handvoll Sellerie
1 Stange Lauch (das weiße, bzw. hellgrüne davon)
3 kleine Zwiebeln (ungeschält!)
1 Daumenlänge Ingwer
15 schwarze Pfefferkörner
8-10 Pimentkörner
Salz und Wasser
für das Frikassee:
2 Eßlöffel Butter (und ein bißchen später für das Gemüse)
2 Eßlöffel Mehl
1-2 Anchovis (und/oder Nuoc Mam)
Hühnerbrühe
Weißwein oder Sekt (was man später zum Essen auch zu trinken wünscht)
1 Eßlöffel möglichst kleine Kapern
Champignons, Spargel, Zuckerschoten o.ä.(ungefähr das ursprüngliche Volumen des Huhnes)
(wie die Weißwurst ist Hühnerfrikassee eigentlich eine Französin aus den gehobenen Kreise, in denen es mal in Mode war, weißes Essen zu essen. Falls Sie das anstreben, nehmen Sie weiße Champignons und – in der Saison – weißen Spargel, ich finde das frische Grün von Zuckerschoten oder grünem Spargel aber auch sehr hübsch und beides schmeckt wirklich fein darin)
1 großzügiger Schluck Sahne
Estragon, Salz, Pfeffer
Bio-Zitrone, Saft zum Abschmecken und Zesten zum Anrichten
Basmatireis (mit kaltem Wasser die Stärke abspülen, das doppelte Volumen Wasser zum Kochen bringen, salzen, Reis rein, Deckel drauf, aufkochen lassen, Herd ausschalten)
Dazu passt als 3. Gang ein schnelles und watscheneinfaches Angeberdessert, Himbeer-Halbgefrorenes:
1 Päckchen gefrorene Himbeeren
1 Becher Schlagsahne
Honig nach Geschmack
Mit dem Stabmixer in eine zäh-cremige, wunderschön rosarote Substanz verwandeln, ab ins Eisfach damit und alle Stunde mal umrühren, damit die Eiskristalle nicht zu groß werden. 5 Minuten vor dem Servieren aus dem Eis nehmen, portionieren, mit ein bißchen schwarzem Pfeffer aus der Mühle und ein bißchen mehr geraspelter dunkler Schokolade bestreuen, ein Träumchen.
Am einfachsten läßt sich die Hühnerbrühe in einem großen Pastatopf mit Siebeinsatz kochen. Huhn, Suppengrün in großen Stücken, Pfeffer, Piment, Ingwer, Zwiebeln (ganz und ungeschält), Salz mit kaltem Wasser aufsetzen, indem man das Huhn locker füllt, es zärtlich auf den Rücken in das Sieb bettet, das restliche Grünzeug drumherum stopft und soviel Wasser zugibt, daß die Brust gerade noch unbedeckt bleibt, Deckel drauf und bei milder Hitze ein Stündchen köcheln lassen. Das Schaumabschöpfen kann man sich getrost sparen, das aufschäumende Eiweiß setzt sich später am Boden ab und die Brühe wird auch ohne die Abschöpferei klar. Fertig ist die erste Etappe, wenn die Knochen am unteren Knorpel der Schenkel soeben freiliegen. Das gekochte Huhn wird aus der Brühe gehoben, am Brustbein längs aufgeschnitten, entbeint (Karkasse zerkleinert zurück in den Topf, weiterköcheln, Haut wegwerfen) das Fleisch in mundgerechte Stücke geschnitten und zur Seite gestellt. Die Brühe muß u.U. entfettet werden.
Damit zum Frikassee: in einem zweiten Topf werden Butter und Anchovis bei mittlerer Hitze geschmolzen, das Mehl eingestreut, gerührt und nach und nach mit Hühnerbrühe aufgegossen. Mengenangaben sind hier Schall und Rauch, da von der Größe des Huhns und der Zahl der Gäste abhängig, etwa gleiche Teile Butter und Mehl und die etwa dreifache Menge Brühe + 1 Menge Weißwein. Ängstliche lassen die Brühe erst kalt werden, damit sich nur ja keine Klümpchen bilden – ist mir noch nie passiert, ich gieße mit heißer Brühe auf, denn: es wird gerührt, gerührt und nochmals gerührt, damit die Soße noch nicht mal ein bißchen nach Mehl schmeckt. Ja, das geht, den fiesen Mehlschwitzengeschmack kann man wegrühren.
Hühnerfrikassee ist eines dieser köstlichen Gerichte, die dem klugen und wahren Küchengrundsatz folgen: wo Kaper, da auch Sardelle. Will sagen: nach dem ganzen Gerühre dürfen die Kapern in den Topf, dicht gefolgt von etwa einem Teelöffel getrocknetem Estragon und der Sahne, dazu Pfeffer (aus der Mühle) und Salz nach Geschmack. Der Herd dient jetzt nur noch zum Warmhalten, die Soße darf nicht mehr kochen.
Derweil sind die Champignons geputzt und blättrig geschnitten, der Spargel (ggbfs geschält und) mundgerecht geschnitten, den Zuckerschoten die Enden gekappt und das Gemüse (entweder blanchiert oder) in einer Pfanne mit wenig Salz und Butter bei mittlerer Hitze kurz gebraten. Das Hühnerfleisch kommt mit dem bißfesten Gemüse zum Wiederwärmen in die Velouté und die wird mit Zitronensaft abgeschmeckt. Wenn sie noch nicht sofort mindblowing schmeckt, ein Schlückchen Nuoc Mam oder ein bißchen mehr Salz, zur hohen Not hilft auch ein klein bißchen feiner Senf, um die Aromen zusammen zu nähen. Währenddessen köchelt der Reis schon im dritten Topf.
Ihre Gäste sind eingetroffen, haben ihren Sherry ausgetrunken und gucken sehnsüchtig und hungrig: servieren Sie ihnen als ersten Gang die übrige Hühnerbrühe mit ohne alles in Tassen, höchstens mit ein bißchen gutem Baguette. Den zweiten und dritten Gang müssen Sie nur noch aus der Küche holen und der abschließende Espresso ist schnell gekocht und der Grappa dazugestellt: entspannen Sie sich, Sie können ab sofort seßhaft und gemütlich sein.
Guten Appetit, das Leben ist schön!
Foto: Joaquim Alves Gaspar, Wikimedia Commons, beschnitten
Muß dringend wieder Hühnerbrühe kochen. Danke für die Erinnerung.
Ja, unbedingt! Das Zeuch gilt ja nicht umsonst als wirksam gegen Winterblues und Rüsselpest.
Und? Wie machen Sie Hühnerbrühe?
Jedes mal anders. Reicht von nur Fleisch ne halbe Stunde kochen bis mehrstündiges Simmern mit allem Suppengrün. Deshalb freuen mich ja immer neue Rezeptvorschläge.
Wenn’s mir nur um die Brühe geht, lasse ich das Ganze mit weniger Salz, mehr Ingwer und ein paar ungeschälten Knoblauchzehen viel länger köcheln, dreivier Stunden und verwende kein ganzes Huhn, sondern zwei oder drei bein- und brustlose Karkassen, die es beim Hühnerschlächter des Vertrauens für kleines Geld oder umsonst gibt.
Nach Entfernung der Festteile, Entfetten und u.U. Absieben koche ich die Brühe auf die Hälfte ein und parke, was nicht sofort verbraucht wird, in einer Milchflasche im Kühlschrank. Ein Spritzer davon adelt jede Sauce, auch z.B. Vinaigrette.
Solche Ideen meine ich. Danke Ihnen!
Wenn das so ist, noch zwei Brühe-Ideen, eine von Jörn Kabisch, die andere von Christian Mittermeier.
Perfektes Rezept das Huhn – könnte von Mosimann sein. Beim Nachtisch musste ich grinsen, seit 20 Jahren ein Klassiker bei mir, nur statt Pfeffer mit Pistazie bei mir – ich versuch mal Pfeffer :)
Herzlich willkommen, mick!
Pistazien sehen wunderschön aus auf dem Rosarot, so als Komplimentärfarbe.
Ein bißchen frisch gemahlener schwarzer Pfeffer hebt das Aroma von Himbeeren einen halben Meter höher, ebenso das von Erdbeeren (wenn gerade kein grüner Pfeffer zur Hand ist).
Den Pfeffer schmeckt man nicht wirklich raus, ebensowenig wie Kaffee im Schokoladenkuchen.