Thomas de Maizière läßt seit gestern „verantwortungsvoll und behutsam“ nach Afghanistan abschieben.
Georg Restle kommentiert das in den Tagesthemen vom 14.12.16:
Thomas de Maizières Pressekonferenz vom 15.12.16
beide Videos am 16.12.16 14h nachgetragen
Auswärtiges Amt: Vor Reisen nach Afghanistan wird dringend gewarnt.
Wer dennoch reist, muss sich der Gefährdung durch terroristisch oder kriminell motivierte Gewaltakte bewusst sein. … Jeder längerfristige Aufenthalt ist mit zusätzlichen Risiken behaftet. Bereits bei der Planung des Aufenthaltes sollten die Sicherheitslage und die daraus resultierenden Bewegungseinschränkungen beachtet werden. Zudem sollte der Aufenthalt auf der Basis eines tragfähigen professionellen Sicherheitskonzepts durchgeführt werden. …
In ganz Afghanistan besteht ein hohes Risiko, Opfer einer Entführung oder eines Gewaltverbrechens zu werden. …
Nach dem Ende der internationalen militärischen Unterstützungsmission ISAF haben die afghanischen Sicherheitskräfte landesweit die Sicherheitsverantwortung übernommen, sehen sich jedoch einer starken Insurgenz gegenüber und haben die Lage nicht überall unter Kontrolle. …
Besondere strafrechtliche Bestimmungen
Die muslimischen Rechtsvorschriften gelten für alle in Afghanistan lebenden Personen, unabhängig von ihrer Religion. … Rechte von Homosexuellen und Transsexuellen sind in Afghanistan nicht gewährleistet. Gleichgeschlechtliche und transsexuelle Handlungen sind durch Bestimmungen des afghanischen Rechts und Auslegungen der Scharia unter Strafe, bis hin zur Todesstrafe, gestellt. … Heterosexuelle Handlungen außerhalb der Ehe sind ebenfalls strafbar. …
Weitere Gesundheitsgefahren
Afghanistan ist seit vielen Jahren Schauplatz militärischer Auseinandersetzungen und gilt als eines der Länder mit hoher Gefährdung durch Landminen. Anschläge, z.B. durch „improvised explosive devices“ (IEDs) können darüber hinaus jederzeit Fußgänger, Fahrrad- und Kraftfahrer landesweit bedrohen. …
Medizinische Versorgung
Die medizinische Versorgung ist in weiten Landesteilen unzureichend, eine Notfallversorgung mit funktionierender Rettungskette meist nicht existent. … Die Versorgung mit zuverlässigen Medikamenten und eine ununterbrochene Kühlkette sind häufig nicht gesichert. Es muss damit gerechnet werden, dass insbesondere in kleinen Apotheken auf dem Land auch gefälschte Produkte statt ordnungsgemäß zugelassener Medikamente verkauft werden. … Landesweit treten zahlreiche Resistenzen gegen häufig eingesetzte Antibiotika auf.
Aber das gilt nur für Deutsche. Afghanen sind in Afghanistan bombensicher, sozusagen.
Foto (beschnitten): Chad J. McNeeley, Wikimedia Commons, gemeinfrei
Tobias Schulze kommentiert in der taz:
Monika Düker, flüchtlingspolitische Sprecherin der Grünen in NRW, ist wegen der Sammelabschiebungen zurückgetreten (wie wär’s mit vor- oder zutreten, ganz „verantwortungsvoll und behutsam„?)
Wir sind doch hier alle frei. Also wurde unsere Freiheit erfolgreich verteidigt. Am Hindukusch. Jetzt nicht mehr, die Verteidigung ist erfolgreich fertig geworden. Also ist Afghanistan sicher. Alles logisch.
MDR (Juni 2016):
Die Phantasien unseres Innenministers nochmal in voller Schönheit, Rheinische Post:
MItfliegen sollte er müssen der Innenminster, jedesmal.
So ist es.
Zusätzlich sollte der Innenminister für jede einzelne Asylanhörung unmittelbar verantwortlich gemacht werden, in der – seit 2 Monaten – nicht nur Asylbewerber und Entscheider, Dolmetscher und vielleicht noch ein Anwalt oder Unterstützer sitzen, sondern außerdem – klandestin und klandestin eingeführt – einer vom Verfassungsschutz.
Glauben Sie nicht? Ist wahr.
Anna Biselli, Netzpolitik: Internes Papier des Innenministeriums: Verfassungsschutz darf direkt an Asylanhörungen teilnehmen
Aus dem aktuellen Afghanistan-Dossier von pro asyl:
Monitor (8.12.16): Das Märchen vom sicheren Afghanistan
Sune Engel Rasmussen berichtet aus Kabul im Guardian (15.12.16): First wave of Afghans expelled from EU states under contentious migration deal
Unbedingt lesen sollten alle den Artikel von Simone Schlindwein (taz-Afrika-Korrespondentin) über ex-territoriale Flüchtlings-Politik, finanziert durch u.a. die deutsche Entwicklungshilfe und zugunsten von Firmen wie Volkswagen, Mercedes Benz, Airbus (15.12.16): Migrationspolitik und Rüstungsindustrie. Das Geschäft mit Hightech-Grenzen
In der taz, Die Woche: wie geht es uns, Herr Küppersbusch? kommentiert ebenjener:
Ein Münchner Musiker hat einen Musiker aus Afghanistan bei der Abschiebung begleitet.
„Wenn Afghanistan sicher sein soll, will ich mir nicht ausmalen, was ein unsicheres Herkunftsland ist.“
https://www.merkur.de/bayern/bayernweiter-protest-nach-sammelabschiebung-von-afghanen-7430059.html
Der bayrische Innenminister stößt die ehrenamtlichen Helfer vor den Kopf. Er hat keine Zeit die Tutzinger Resolution anzunehmen. Der Staatsekretär Gerhard Eck soll sie annehmen.
Die Tutziner Resolution wurde beim 3. Asylgipfel im Oberland verabschiedet. https://asyl.ruhr/bayern/pdf/Tutzinger-Resolution-2017.pdf
Der Bayrische Flüchtlingsrat demonstriert und portestiert gegen Abschiebungen nach Afghanistan, gegen Arbeitsverbote und gegen das Abschiebelager in Ingolstadt.
http://www.fluechtlingsrat-bayern.de/
Am Rande: eine Frechheit sondergleichen finde ich, daß der Herr Innenminister Herrmann keine Zeit haben will, um die Helferkreise zu empfangen. Die übernehmen seit bald zwei Jahren unentgeltlich eigentlich staatliche Aufgaben, in ihrer unbezahlbaren Freizeit, aber politisch denken und sich äußern sollen sie sich nicht.
Ich kann nur hoffen, daß niemand den menschenverachtenden Umgang mit Flüchtlingen und aber auch den schäbigen mit den Helfern bis zur nächsten Wahl wieder vergisst und daß die CSU in Bayern krachend einbricht. Das täte ganz nebenbei auch der Bundespolitik gut.
Der nach Afghanistan freiwillig ausgereiste Künstler kann nach Deutschland zurückkehren. Er hat ein Visum bekommen, weil er einen Vertrag mit der Schauburg, einem Theater in München hat.
http://www.deutschlandradiokultur.de/akhmed-shakib-pouya-vage-hoffnung-auf-eine-rueckkehr-nach.1013.de.html?dram:article_id=379558
http://www.sueddeutsche.de/bayern/abgeschobener-kuenstler-pouya-kehrt-nach-muenchen-zurueck-1.3421896
Er wird den Ali in „Angst essen Seele auf“ spielen.
http://www.spiegel.de/panorama/ahmad-shakib-pouya-visum-fuer-rueckkehr-nach-deutschland-a-1138957.html
O das ist mal eine erfreuliche Nachricht!
Dankeschön übrigens für Ihren Blog über die nach München outgesourcte türkische Dissidentenverfolgung, „Verfolgungsermächtigung“ ist schon ein erstaunlicher Begriff und ich bin sehr gespannt, ob die Bundesregierung ihren markigen Worten in Richtung Erdogan jetzt Taten folgen läßt und das Verfahren inklusive der auf widerrechtlichem Weg gesammelten „Beweisen“ niederschlägt.
Warum ausgerechnet in Bayern prozessiert wird weiß ich nicht. Die Presse in Deutschland nimmt wenig Notiz von diesem Prozess.Hasnain Kazim hat mit einer Angeklagten in Stadelheim gesprochen. http://www.spiegel.de/politik/deutschland/tuerkei-auf-erdogans-wunsch-im-deutschen-gefaengnis-a-1105210.html
Im Freitag hat Andreas Förster berichtet. https://www.freitag.de/autoren/der-freitag/mit-zwei-mass-gemessen
Ich bin durch die Süddeutsche zu diesem Thema gekommen.
Hier sind Berichte gesammelt https://www.tkpml-prozess-129b.de/de/presse/
Die haben meinen Blog auch verlinkt, habe ich gerade gesehen.
das Oberlandesgericht München hat die Anklage zugelassen
hat Annette Ramelsberger am 17. Juni 2016 in der Süddeutschen geschrieben.
http://www.sueddeutsche.de/politik/extremisten-mit-gewalt-vor-gericht-1.3037076
Ein Mann, der am 14. Februar 2017 nach Afghanistan abgeschoben wurde ist am 10. Mai von den Taliban getötet worden.
https://www.rf-news.de/2017/kw19/nach-afghanistan-abgeschobener-farhad-rasuli-ist-tot
Der Kinderarzt Thomas Nowotny aus Stephanskirchen bei Rosenheim hat eine Petition gegen Abschiebungen nach Afghanistan gestartet.
Die Junge Welt bringt das – mit Vorsicht – auch: