Grafik: FLAGELLVM DEI, Gnu-Lizenz
Der Putsch nach dem Putsch in der Türkei in Zahlen:
13.000 sind verhaftet, darunter 8.831 Armeeangehörige, 1.329 Polizisten und 2.100 Richter und Staatsanwälte.
45.000 Staatsbedienstete sind suspendiert.
21.000 Lehrer an Privatschulen wurden die Lizenzen entzogen.
1043 private Schulen, 1229 gemeinnützige Einrichtungen, 19 Gewerkschaften, 15 Universitäten und 35 medizinische Einrichtungen wurden geschlossen, die im Verdacht stehen, mit der Hizmet-Bewegung von Fethullah Gülen zu tun zu haben.
Gegen 42 Journalisten wurden heute Haftbefehle erlassen.
Laut amnesty international werden verhaftete Verdächtige bis zu 48 Stunden in schmerzhaften Positionen festgehalten, es gibt Berichte über Schläge, Folter und Vergewaltigungen und über irreguläre „Gefängnisse“ wie Sportzentren und Ställe.
Am Samstag erließ Erdogan ein Dekret, laut dem bei Treffen zwischen Anwalt und Verdächtigen Behördenvertreter anwesend sein, Ton- und Videoaufnahmen gemacht und Dokumente beschlagnahmt werden können.
Die Wiedereinführung der 2004 abgeschafften Todesstrafe ist auf dem Weg. Im Rahmen des für 3 Monate verhängten Ausnahmezustandes ist die Europäische Menschenrechtskonvention ausgesetzt.
Warum sollte ich sie (die Putschisten) auf Jahre hinweg im Gefängnis halten und füttern? – das sagen die Leute.“ Die Menschen wollten „ein schnelles Ende“ der Putschisten, zumal sie Angehörige, Nachbarn oder Kinder verloren hätten.
Der Putsch nach dem gescheiterten Militärputsch: läuft.
In der Türkei leben rund 2.700.000 Flüchtlinge, als „Gäste“, davon rund 280.000 in Camps. Alle anderen müssen selbst sehen, wo sie bleiben, inklusive Kinder- und Schwarzarbeit, erbärmlichen Unterkünften, Mietwucher, Ausbeutung, Rechtlosigkeit. Asyl und die damit verbundenen Rechte erhalten in der Türkei ausschließlich Europäer.
Der EU-Türkei-Deal wird mit 6.000.000.000 Euro vergoldet. Die Grenze zu Syrien ist geschlossen, es wurden Selbstschußanlagen installiert und es wird auf syrische Flüchtlinge geschossen. Die Zahl der Toten und Verletzten ist unbekannt.
Bis Ende Juni reisten statt der erwarteten 18.000 keine 300 Flüchtlinge nach Deutschland und keine 800 in die EU ein.
Der im März geschlossene Flüchtlingspakt sieht vor, dass die Türkei für jeden Syrer, den sie von den griechischen Ägäis-Inseln zurücknimmt, einen anderen Syrer auf legalem Weg in die EU schicken darf. Die EU hat sich bereit erklärt, über diesen sogenannten 1:1-Mechanismus bis zu 72.000 Syrer aufzunehmen. Bislang wurden nach den Angaben 468 Flüchtlinge von Griechenland in die Türkei zurückgebracht. … Ende Juni war bekanntgeworden, dass die Türkei Dutzenden syrischen Flüchtlingen die Ausreise verweigert, obwohl Deutschland ihnen bereits ein Visum erteilt hat. Bereits im Mai hatte das UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR die Türkei aufgerufen, gut ausgebildeten Syrern wie Ingenieuren oder Ärzten nicht die Weiterreise in die EU zu verwehren.
Festung Europa: läuft.
BR, Katharina Willinger, Journalistin in Istanbul: Die verzweifelte Lage der Medien in der Türkei
Josef Haslinger, PEN-Zentrum Deutschland, in der Tagesschau zu den aktuellen Entwicklungen in der Türkei
Unbedingt ansehen, detailliert und interessant.
„Der Putsch nach dem Putsch in der Türkei in Zahlen:
13.000 sind verhaftet, darunter 8.831 Armeeangehörige, 1.329 Polizisten und 2.100 Richter und Staatsanwälte.
45.000 Staatsbedienstete sind suspendiert.
21.000 Lehrer an Privatschulen wurden die Lizenzen entzogen.
1043 private Schulen, 1229 gemeinnützige Einrichtungen, 19 Gewerkschaften, 15 Universitäten und 35 medizinische Einrichtungen wurden geschlossen, die im Verdacht stehen, mit der Hizmet-Bewegung von Fethullah Gülen zu tun zu haben.
Gegen 42 Journalisten wurden heute Haftbefehle erlassen.“
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Die Türkei hat kaum weniger Einwohner als Deutschland. Wenn ich die oben genannten Zahlen in Bezug auf Deutschland setze, dann gerierte die deutsche Infrastruktur in ganz erhebliche Turbulenzen.
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Sevim Dagdelen (Bundestagsabgeordnete für die Linken, Mitglied im Auswärtigen Ausschuss), Tagesspiegel Causa: „Die Türkei ist auf dem Weg in eine totalitäre Diktatur“
Christiaan Triebert, Bellingcat: “We’ve shot four people. Everything’s fine.” The Turkish Coup through the Eyes of its Plotters
Marlene Halser, taz, im Gespräch mit dem Ex-Hürriyet-Online-Chef Bülent Mumay (einer der 42 Journaliszen, gegen die Haftbefehle erlassen wurden): „Ich weiß nicht, wie es weitergeht“
Zeit Online: Religionsbehörde entlässt Prediger und Koranlehrer
Frankfurter Rundschau: Türkei: 47 Haftbefehle gegen Journalisten
Jürgen Gottschlich,taz: Nach dem Putschversuch in der Türkei. JournalistInnen festgenommen
taz/dpa:
(Nachtrag 9h45) Detaillierter Hasnain Kazim, SPON: Türkei nach dem Putschversuch: Entlassen, festnehmen, schikanieren
Deniz Aykanat und Markus C. Schulte von Drach, SZ: Fast 16 000 Festnahmen, Zehntausende Entlassungen, Foltervorwürfe
Florian Scheuba, Standard: Mein Name ist Hasan
Marco Kauffmann Bossart, NZZ: Rache in den Pferdestallungen
Deniz Yücel pfeift im dunklen Wald, trotzdem oder gerade deswegen sehr lesenswert: Morgenland Türkei. Vielleicht fällt Erdogans Diktatur ja doch aus
Zwischen dem zitierten Anfangs- und Schlußsatz liegt eine kluge Analyse.
Hasnain Kazim hat für den Spiegel eine Ärztin im Hochsicherheitstrakt in Stadelheim besucht.
U-Haft in Bayern: Auf Erdogans Wunsch im deutschen Gefängnis?
Das wirkt wie ein richtig übler Prozess!
Die Prozessberichte vom Verfahren gegen 10 türkische Linke am Oberlandesgericht München, aus der Presseerklärung der Verteidigung:
Die Erklärung stammt vom 16. Juni 2016, also vor dem Putsch-Putsch.
Die Verhandlung am 14. 11.im Hochsicherheitsaal im Gefängnis Stadelheim wurde abgebrochen. Etliches hat in dem 17 Millionen Euro teuren Bunker nicht funktioniert.
http://www.lto.de/recht/nachrichten/n/erster-verfahrenstag-neuer-hochsicherheitssaal-jva-stadelheim-muenchen-wlan-kameras/
Die Verteidiger sagen:
„Mit der Verlegung seien die Angeklagten als Terroristen stigmatisiert und vorverurteilt worden“
Bayrische Justiz als Erfüllungsgehilfe Erdogans?
https://www.heise.de/tp/features/Bayrische-Justiz-als-Erfuellungsgehilfe-Erdogans-3352612.html
„Das von dem Kontrollrichter beauftragte Übersetzungsbüro hatte nach möglichst billigen Übersetzern gesucht, mindestens ein Schreiben – also sensible Verteidigerpost – an Übersetzer in der Türkei abgegeben. Gleichzeitig teilt das Übersetzungsbüro mit, dass ihm von dem Kontrollrichter keinerlei Einschränkungen bzgl. der Weitergabe der Verteidigerpost gemacht worden waren…Das bedeutet, dass die ansonsten absolut geschützte schriftliche Kommunikation zwischen Angeklagten und ihren Verteidigern per Post oder womöglich unverschlüsselt per Email an nicht weiter überprüfte Dolmetscher geschickt wurde, die nicht einmal zur Verschwiegenheit verpflichtet wurden.“
Die Schachnerin hat beim Freitag einen Blog über die in Bayern inhaftierten türkischen Linken verfasst: Verfolgungsermächtigung. U-Haft in Bayern
Der Umstand, daß dem türkischen Geheimdienst Verfolgungen quer durch Europa gestattet werden und die bayerische Justiz nach dessen Vorgaben springt, könnte mühelos 10 Sommerlöcher füllen. Aus seltsamen Gründen wird darüber kaum berichtet.
Es gilt ganz offenbar: Alles für den EU-Türkei-Deal!
Oder es gilt eben wie immer: Linke sind grundverdächtig und haben keine Menschen- und Bürgerrechte.
Danke fürs verlinken!
Sami Solmaz wurde in Reims verhaftet und nach Deutschland ausgeliefert. Er hatte in Frankreich politisches Asyl erhalten.
„Seitens der türkischen Regierung wird gegen ihn wegen seiner politischen Aktivitäten aktuell auch ein Auslieferungsverfahren betrieben.“
https://www.tkpml-prozess-129b.de/de/die-angeklagten/sami-solmaz/
Elke Dangeleit, Telepolis, Türkei: Massenverhaftungen und Entlassungen
Die Krautreporter haben eine ständig aktualisierte Liste veröffentlicht, wer/was von Erdogans Säuberungen durch Entlassung/Suspendierung/Schließung/Verhaftung betroffen ist.
Amna Franzke, taz: „Nun fürchten sich die Leute vor mir“
Tagesschau: Als nächstes sind die Geschäftsleute dran
Süddeutsche:
Susanne Führer, dradio im Gespräch mit Osman Okkan: Ehemals „Staatsfeind Nummer 1“ in der Türkei
Sehr interessant, unbedingt anhören!
Can Dündar, Chefredakteur der türkischen Zeitung Cumhuriyet, schreibt ab jetzt regelmäßig im ZEIT-Feuilleton zu den türkischen Unruhen. Meine Türkei / Türkische Außenpolitik: Abschied von Amerika
SPON: Lage in türkischen Gefängnissen: „Sie stapeln sie übereinander“
Constanze Kurz in der FAZ mit einem widerwärtigen Detail des Putsch-Putsch: Überwachen und Strafen in einer Hand
Jürgen Gottschlich, taz: Kein Vertrauen mehr
Pragmatismus à la Erdogan, angesichts der wegen der rund 35.000 im Zusammenhang mit Militärputsch und Putsch-Putsch Verhafteten heillos überfüllten Gefängnisse in der Türkei: 38.000 andere Häftlinge werden entlassen. Voraussetzung dafür: weniger als noch 2 Jahre Haft abzusitzen, gute Führung, vor dem 1. Juli verhaftet. Ausgenommen sind alle, die ihre Strafe wegen Mordes, häuslicher Gewalt, sexuellen Missbrauchs oder Verbrechen gegen den Staat absitzen müssen.
Außerdem:
Karen Krüger, FAZ:
taz/afp
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