Foto: CEphoto, Uwe Aranas, Cologne Pride 2014
Aus Die enthemmte Mitte (Seite 50/51):
Schließlich wurde auch die Haltung zu Homosexuellen erhoben. 40% der Befragten stimmten der Aussage zu, es sei »ekelhaft«, wenn sich Homosexuelle in der Öffentlichkeit küssen und fast 25% finden Homosexualität unmoralisch, also jeder bzw. jede Vierte. Schließlich denken 36,2% der Befragten, dass Ehen zwischen Frauen bzw. zwischen Männern nicht erlaubt sein sollten.
Franziska Schutzbach, 15.6.2016, präzis und kopflos:
Rückwirkend sagen alle: Vor 60 Jahren, da war es für Frauen, LGBTQ und people of color schlimm. Frauen hatten in der Schweiz noch nicht mal das Stimmrecht. Das war Diskriminierung. Klar. Oder Rassismus, der war krass, damals in Amerika. Und erst Antisemitismus! Es ist leicht, das alles rückwirkend festzustellen. Und es wurde hundertfach erwiesen und festgestellt.
Aber man hat auch damals schon, z.B. 1960, die Leute befragt: Gibt es Ungleichheit? Diskriminierung von Frauen, LGBTQ, Schwarzen Menschen? Die Mehrheit fand damals: nein, alles ok, es gibt keine Diskriminierung. 80 bis 90 Prozent (!!) der weissen Mehrheitsgesellschaft waren 1960 in US-Umfragen der Meinung, Schwarze würden nicht diskriminiert.
…
Kurz gesagt: In jeder Generation behauptet die Mehrheit der herrschenden Gruppe: Es gibt kein Problem, keine Diskriminierung. Und immer – bisher ohne Ausnahme – lag sie, rückwirkend gesehen, falsch. In jeder Generation haben people of color, Frauen und LGBTQ gesagt: DOCH, ES GIBT EIN PROBLEM! Und immer hatten sie – rückwirkend gesehen und ohne Ausnahme – recht.
Die Frage ist also: Kann es wirklich sein, dass diejenigen, die in der Geschichte bisher immer recht hatten, heute plötzlich vollkommen irr geworden sind? Plötzlich unfähig sein sollen, die Verhältnisse klar zu sehen? Und warum sollen diejenigen, die bisher nie, niemals recht hatten in der Geschichte, heute plötzlich die Klügeren sein?
Johannes Kram, 14.6.2016, Nollendorfblog:
Ist es Euch nicht peinlich, in einem Land zu leben, dass so stolz auf seine Vergangenheitsbewältigung ist, das aber ausgerechnet nichts mehr davon wissen will, wenn es um Schwule geht. Ist Euch bewusst, dass es die Politik nur aus einem Grund nicht schafft, die Opfer des Unrechts-Paragraphen 175 (der den Krieg und auch das Wirtschaftswunder überstanden hatte), nicht zu entschädigen für das Leid, das ihnen zugefügt wurde: Weil es Euch egal ist.
Und jetzt Orlando. Ist es Euch nicht aufgefallen, dass Eure Kanzlerin, Euer Außenminister, Euer Bundespräsident (im Gegensatz zu den anderen maßgeblichen Staatsführern unserer westlichen, freiheitlichen Welt) es nicht über die Lippen brachten, der Gruppe zu gedenken, denen der Anschlag gegolten hat. Nämlich uns. Fandet Ihr es nicht komisch, dass der Eiffelturm (und das wärend der EM!), das neue World Trade Center und viele andere symbolhafte Gebäude auf der ganzen Welt im wahrsten Sinne zu (regenbogenfarbenen) Leuchttürmen unser nach Freiheit, Gleichheit und Gerechtigkeit strebenden Zivilisation wurden, während sich ausgerechnet Deutschland – wiedereinmal !- aus dieser Solidarität, diesem Bekenntnis zu den Werten unserer Zivilisation ausgeklinkt hat?
…
Und jetzt, wo Vieles dafür spricht, dass der Attentäter selbst schwul gewesen sein könnte, denkt Ihr vielleicht, dass Ihr noch weniger mit der ganzen Sache zu tun habt, als sie Euch bisher schon gekümmert hat? Weil hier ein Schwuler – und nicht ein Hetero wie Ihr – aus Hass heraus Schwule umgebracht hat?
Glaubt Ihr wirklich, Schwule würden sich selbst für ihr Schwulsein hassen, ohne das Wissen, das Gespür, ohne die Angst, dass Heteros das tun?
Den Hass gegen Schwule, auch der Selbsthass der Schwulen (gegen sich selbst und andere Schwule) kann nur überwunden werden, wenn die Heteros anfangen, für eine freie, gerechte und angstfreie Welt für Homos und Heteros zu kämpfen. Die rechtliche Gleichstellung wäre ein Anfang, eine Grundvoraussetzung. Und eine Errungenschaft, die auch und mehrheitlich von Heteros auf der ganzen Welt bereits für ihre Länder erkämpft worden ist. Was hält Euch eigentlich auf? Ihr seid es nicht nur uns, sondern auch Euch schuldig.
Die enthemmte Mitte, Seite 104:
Die vorurteilsgebundenen und autoritären Milieus sind in der letzten Dekade geschrumpft. Waren vor zehn Jahren noch mehr als 73% der Bevölkerung diesen Milieus zuzuordnen und nur 36,9% den demokratischen Milieus, hat sich das Verhältnis nun nahezu umgekehrt. 60% der Bevölkerung sind nun in demokratischen Milieus beheimatet, während die anderen Milieus heute nur noch 40% der Bevölkerung binden. Die antidemokratischen Milieus lassen sich für beide Zeitpunkte hinsichtlich dreier Merkmale unterteilen:
– starke Vorurteile (manifest/latent),
– vergleichsweise große Bereitschaft zur autoritären Aggression,
– besonders ausgeprägter Verlust von Vertrauen in das demokratische System.
Seite 105:
In der Gegenüberstellung der Jahre 2006 und 2016 wird sichtbar, wie sich die Situation verändert hat. Die demokratischen Milieus der Modernen und Konformen sind gewachsen. Nun wird auch im Konformen Milieu Gewalt abgelehnt und in beiden hat das politische System massiv an Legitimation gewonnen. Das wird auch deutlich an der geringeren politischen Deprivation 2016 in diesen Milieus (vgl. Tab. 4). Sich selbst politisch einzubringen ist nun hegemoniales Ideal in diesen Milieus. Demgegenüber hat das politische System in den antidemokratischen Milieus an Legitimation noch einmal verloren. Seinen Institutionen wird deutlich weniger Vertrauen entgegengebracht. Auch Gewalt als Mittel der Auseinandersetzung ist nun akzeptierter. Insgesamt haben diese Milieus an Angehörigen verloren, aber es findet sich nun ein ausdrücklich gewaltbereites Milieu, das sich zudem der Akzeptanz seiner Gewaltbereitschaft in den anderen autoritären Milieus sicher sein kann.
Um das knapp zusammen zu fassen: unter den 40% in der Mitte der Deutschen, die den antidemokratischen Milieus zuzuordnen sind, gibt es knapp 90%, die Gewalt tolerieren oder ausüben, s. Tabelle 5, Seite 110, s. Grafiken auf Seite 42 + 43.
2006 traf das noch auf etwas über 50% der antidemokratischen Milieus zu. Die gewalttoleranten, gewaltbereiten und gewalttätigen Arschlöcher verzeichnen ein Plus von fast 40%!
Der vorangestellte Tenor der Mittestudie Seite 7/8
Die aktuelle Studie fördert angesichts dessen einen überraschenden Befund zutage: Hinsichtlich der Verbreitung der klassischen Einstellungen, die Rechtsextremismus charakterisieren, fällt die Steigerung von Vorurteilen nur geringfügig aus.
kann nicht trösten. Sondern der Anstieg der Gewaltbereitschaft und Gewalttoleranz gegenüber den „Anderen“, in Verbindung mit der Arroganz, Selbstzufriedenheit, Trägheit und Bräsigkeit der 60%-Mehrheit der demokratischen Milieus, sich nicht viel mehr für die Rechte aller „Anderen“ stark zu machen, macht mich mehr als beklommen.
Wir – die heterosexuelle, nichtgeflüchtete, weiße Mehrheit – wären das Volk. Wären wir nicht lieber angepasst, bequem und egozentrisch bis zum get-no und mit Verleugnung der rechtsradikalen Revolution beschäftigt (und hätte der Hund nicht geschissen, hätte er den Hasen gekriegt). Es ist zum Heulen.
Heulen war auch der Anlaß zu diesem Blog, anläßlich eines Kommentars vom Zaunfink:
„Ich setze meine Maske mit dem höflichen Lächeln auf“
Johannes Kram vom Nollendorfblog hat gerade gezeigt, was herausplatzen kann, wenn wir die Höflichkeit und Nachsichtigkeit, die wir uns angesichts des schmerzlichen Schweigens und Nichtstuns angewöhnt haben, einmal zur Seite legen.
Lieber Zaunfink, ich habe keine blasse Ahnung, woher Sie Ihr Plädoyer für Leichtigkeit und Freiheit im Moment noch nehmen und ich knie davor und vor der Geduld und Höflichkeit, die die meisten Homosexuellen für Heterosexuelle immer noch aufbringen, Johannes Kram dabei eingeschlossen. Es bringt mich zum Weinen vor lauter Scham, daß Sie das als Herausplatzen einordnen und als Beseitelegen der Höflichkeit empfinden.
Was ist an dieser mehr als angemessenen Durchsage unhöflich?
Nachsichtigkeit mit Egozentrik, Nichtstun, Schweigen und Haß aber halte ich (so hetero, daß es schon fast langweilig ist) für grundfalsch. Das ist ein Luxus, den sich die Mehrheit nicht länger leisten kann.
Ich schäme mich in Grund und Boden, daß meine politischen Repräsentanten das Massaker an Homosexuellen in Orlando nicht als solches benennen und daß Homosexuelle in Deutschland immer noch Bürger zweiter Klasse und in ihren Rechten beschnitten sind. Es ist eine Schande, daß Artikel 3+ scheiterte und Homosexuelle damit zu x einzelnen Klagen für hundsgewöhnliche Normalrechte genötigt wurden. Es ist ein gesellschaftliches Armutszeugnis erster Ordnung, daß Homosexuelle immer noch Angst haben und sich kleinmachen müssen. Und es ist der blanke Hohn, daß Angela Merkel – angesichts all dieser Armutszeugnisse – im Bezug auf einen Massenmord an Homosexuellen noch extra betont: „Wir werden unser offenes und tolerantes Leben fortsetzen.“
Toleranz ist nicht genug, Toleranz ist kein Wert, sondern ein Tritt ins Gesicht. Es ist eine menschenverachtende Beleidigung, „Andere“ nur zu dulden und dafür noch gelobt (oder gewählt) werden zu wollen.
Menschenrechte sind immer und zuerst die Rechte der „Anderen“!
vor allem dem letzten Absatz kann ich nur vorbehaltlos zustimmen. Vor dem Gesetz seien alle gleich, heißt es. Für Homosexuelle ist davon nicht viel zu merken. Die Ehe und die damit verbundenen Rechte sind immer noch ein schlechter Scherz. Wird Zeit, dass sich das ändert
Liebe dame von welt – herzlichsten Dank für Ihr Statement!
Winzige Korrektur: Es ist nicht der „Silberfink“, sondern der zaunfink (https://derzaunfink.wordpress.com/)
Freundliche Grüße!
Willkommen, Thadea Quintmaus!
Vielen Dank fürs Aufmerksammachen, wie peinlich… wird sofort geändert!
Silberfink? Hat sich mein ergrautes Gefieder herumgesprochen? ;-)
Zum Thema: Nein, der Artikel von Johannes Kram im Nollendorfblog ist wirklich nicht „unhöflich“. Das hatte ich nicht sagen wollen, auch wenn man es aus meinem Kommentar indirekt so herauslesen kann.
Ich empfinde diesen Artikel aber durchaus als ein „Herausplatzen“. Ich gehöre hoffentlich selber nicht zu den Menschen, die bezüglich queerpolitischer Forderungen allzu vorsichtig formulieren oder mit übertriebener Geduld agieren. Vielleicht müssen das andere beurteilen. Ich beobachte aber immer wieder, dass schon Forderungen, die extrem zurückhaltend formuliert sind und eigentlich selbstverständlich sein sollten (sei es einfach nur die Forderung, im öffentlichen Raum die Hand des Partners halten zu können, ohne dabei Beleidigungen und Übergriffen ausgesetzt zu sein oder die Forderung, der Gleichheitsgrundsatz unseres Grundgesetzes möge doch bitte auch auf unsere Rechte Anwendung finden) als „überzogenes Geschrei“ oder „Opfergejammer“ diffamiert werden.
Das geschieht regelmäßig auf eine so aggressive Weise, dass es eine einschüchternde Wirkung entfaltet. Sicher können wir uns gelegentlich selbstkritisch fragen, weshalb wir uns denn einschüchtern lassen. Das geht teils so weit, dass selbst Schwule sich unbehaglich fühlen, wenn solche Forderungen formuliert werden und sich dann sogar selbst ängstlich dagegen wehren, „den Bogen bloß nicht zu überspannen“. Das ist schmerzlich zu sehen.
Wir haben uns eine Zurückhaltung angewöhnt, die zu Recht kritisiert werden darf und muss.
Die Mechanismen, die hier wirken, sind meines Erachtens erstens eine verinnerlichte Scham, die uns einflüstert, vielleicht ja tatsächlich gar kein Anrecht auf Würde und Gleichberechtigung zu haben. Was hier aber zweitens zum Wirken kommt – und deswegen finde ich den Artikel von Johannes so großartig -, ist die Tatsache, dass „wir“ eine AKTIVE Solidarisierung von Heterosexuellen wirklich leider zu selten erleben, wenn wir unsere Forderungen stellen. Oder erst recht da, wo wir sie nicht stellen. Ich will ja sicher nicht sagen, dass das nie geschieht (ich freue mich über jede_n einzelne_n solidarischen Menschen), aber gerade momentan fällt es im Kontrast zu dem, was in anderen Staaten passiert, einfach auf, was in Deutschland fehlt. Fast alle Solidaritätsveranstaltungen, die in den letzten Tagen in Deutschland zu Orlando abgehalten wurden, wurden, wenn ich es richtig sehe, von LGBTTIQ*-Gruppen organisiert. Es waren sicherlich viele Nicht-queere Menschen mit dabei, und das ist toll, aber trotzdem…
Und kein einziges explizit queer-solidarisches Signal aus der Spitze unseres Staates? Wirklich?
Und wenn wir ein solches erwarten, wird es noch von vielen als „anti-emanzipatorisch“ abgetan, weil wir doch „alle nur Menschen sind“ und man über Unterschiede gar nicht reden sollte, wenn man nicht diskriminieren will? Geht’s noch zynischer? Wenn eine Synagoge angegriffen worden wäre, und Merkel hätte nicht das Wort „Antisemitismus“ in den Mund genommen, es wäre wohl mehr Menschen aufgefallen. Und wenn dann jüdische Organisationen eine Solidaritätsbekundung eingefordert hätten, man hätte es wohl kaum so unwidersprochen als egozentrischen Wunsch nach einer „Sonderbehandlung“ diffamieren können. Die Regierung hätte sich nicht darum drücken können, auf diese Kritik wenigstens hinterher zu reagieren, wie sie es jetzt tut.
„Wir“ fühlen uns gerade ein bisschen von „euch“ allein gelassen. Ich weiß, dass diese Pauschalität unfair ist, es hier vielleicht gar nicht um ein „wir und ihr“ geht, und dass es viele Gegenbeispiele gibt. Aber es fühlt sich momentan trotzdem so an. Vielleicht ist es gut, wenn in diesem Moment so mancher Geduldsfaden reißt. Und es ist ebenso gut, wenn das bei nicht-queeren Menschen ebenfalls passiert.
Ich hoffe inständig, daß mein gerissener Geduldsfaden nicht als Kritik an homosexueller Zurückhaltung rüberkam! Es ist immer elend und es ist unzumutbar, sich andauernd gegen Verletzungen der eigenen Rechte einsetzen und sich das noch vorwerfen lassen zu müssen. Die Kritik geht an die heterosexuelle Mehrheit, die das der homosexuellen Minderheit seit Jahrzehnten zumutet.
Ich habe wirklich keine blasse Ahnung, wie ich von Zaun- auf Silberfink kam, ist mir peinlich und tut mir sehr leid.
Last but not least: herzlich willkommen hier, Zaunfink…;-)…
„Ich hoffe inständig, daß mein gerissener Geduldsfaden nicht als Kritik an homosexueller Zurückhaltung rüberkam!“
Nein, alles ist gut. :-) Ich habe es als Gedankenanstoß genommen, und der war sehr willkommen.
Ha! Mir ist endlich eingefallen, wie ich auf ‚Silberfink‘ kam: es gibt einen großartigen Fotografen, der als Silberfink bloggt.
Vielen Dank für die deutlichen Worte.
Über eine Stelle bin ich gestolpert, da bin ich mir nicht sicher, ob sie richtig liegen:
Um das knapp zusammen zu fassen: unter den 40% in der Mitte der Deutschen, die den antidemokratischen Milieus zuzuordnen sind, gibt es knapp 90%, die Gewalt tolerieren oder ausüben, s. Tabelle 5, Seite 110, s. Grafiken auf Seite 42 + 43.
2006 traf das noch auf etwas über 50% der antidemokratischen Milieus zu. Die gewalttoleranten, gewaltbereiten und gewalttätigen Arschlöcher verzeichnen ein Plus von fast 40%!
Das Plus von 40% kann ich nicht recht nachvollziehen. Wenn vor 10 Jahren rund 73% der etwa 82 Mio. Deutschen den sogenannten „antidemokratischen Milieus“ zugerechnet wurden (Einwurf: Scheint mir, bei aller Misanthropie, eine enorm hohe Ziffer zu sein, die mich ein wenig an den Markern für die ganze Kategorie zweifeln lassen.), komme ich auf eine absolute Zahl von 59.860.000 Davon waren 50% gewaltbereit, macht 29.930.000 Menschen. So weit, so bestürzend.
Wenn nun aber 2016 nur noch 40% der 82 Mio. überhaupt in die „antidemokratischen Milieus“ fallen, haben wir es mit 32.800.000 Leuten zu tun. 90% davon seien gewaltbereit, das sind 29.520.000. Immer noch unglaublich viele gewalttolerante, gewaltbereite und gewalttätige Arschlöcher, aber doch immerhin 410.000 weniger in absoluten Zahlen als vor 10 Jahren. Eine mittlere deutsche Großstadt ist friedfertig geworden. Oder vertue ich mich?
Gruß, d.
340.000 weniger, sorry…
Ich meinte nicht die absoluten Zahlen, sondern die Zunahme und Qualität der Gewaltbereitschaft bis Gewaltausübung innerhalb der antidemokratischen Milieus.
Das geradezu täglich brennende Flüchtlingsheim war trotz der größeren absoluten Zahl der Gewaltfreunde in allen Milieus im Vergleichsjahr 2006 nicht der Fall. Weswegen ich die befriedete mittlere Großstadt numerisch weder berücksichtigt habe noch in Zweifel ziehe, sondern die Zunahme und Qualität der Gewalttoleranz, -bereitschaft und -ausübung unter deutschen Menschenfeinden herausgestellt habe.
Mißverständlich ist allerdings der Bezug auf die Arschlöcher und ihr Plus, da der eine numerische Steigerung impliziert. Insofern: Sie haben recht und vielen Dank für die numerische Ergänzung.
Ich lasse es im Blog jetzt trotzdem so stehen, ok?
Ich meinte nicht die absoluten Zahlen, sondern die Zunahme und Qualität der Gewaltbereitschaft bis Gewaltausübung innerhalb der antidemokratischen Milieus.
Was mich wiederum die ganze Kategorie „antidemokratisches Milieu“ ein bisschen in Frage stellen lässt, ja. Denn von 73 runter auf 40% in nur 10 Jahren ist doch im Grunde fast schon sensationell, eine riesige Erfolgsstory! Dazu noch der kleine Rückgang in absoluten Schlägertypenzahlen – die Bundesrepublik ist auf dem richtigen Weg, der rechte Rand befindet sich in gradueller Auflösung. Erst waren wir Papst, jetzt kleine Englein mit roten Pausbäckchen. Könnte/möchte man meinen.
Nur, dass es sich eben überhaupt nicht so anfühlt, sondern wenigstens ich mitunter ganz im Gegenteil einen massiven Einbruch des demokratischen Fundaments wahrnehme. Bleibt für mich also irgendwie eine seltsame Statistik (klar, ich habe sie ja auch nicht selbst gefälscht).
Der Schlüssel liegt sicherlich tatsächlich in dem Sprung von 40 auf 90% gewaltbereiter Spackos innerhalb der sogenannten Antidemokraten. Die scheinen jetzt noch viel mehr eine homogene und darum „schlagkräftigere“ Gruppe zu bilden. Oder so.
Stehen lassen können Sie das natürlich, ist doch klar.
Gruß, d.
Liebe Dame, um es mit Shakespeare zu sagen: „Well roared, lion!“
Danke, Diander
Berlin kommt jetzt doch endlich – mit ein bißchen Symbolpolitik – aus der Hüfte: Nach heftiger Kritik wird das Brandenburger Tor am Sonnabend in Regenbogenfarben leuchten – das gab der Regierende Bürgermeister Michael Müller bekannt.
Ja, und darum mussten LGBTTIQ*-Organisationen geradezu betteln. Vielleicht illustriert das noch ein bisschen, was ich oben schrieb.
Ich danke dir herzlich für diesen Text. Leider lese ich solche Worte von heterosexuellen Menschen viel zu selten, so dass ich oft geneigt bin ihnen eine Gleichgültigkeit bzgl. queerfeindlicher Gewalt und (rechtlicher) Diskriminierung zu unterstellen. Es macht mich fassungslos und lässt mich an der Menschheit verzweifeln, wenn die Forderung nach Gleichberechtigung und einem gewaltfreien Leben mit dem Vorwurf eines ‚Sich-in-den-Vordergrund-Spielens‘ oder der ‚Forderung nach Sonderrechten‘ abgewiegelt und lächerlich gemacht wird. Wie oft habe ich mit ignoranten Heteros genau über diese Themen diskutiert, ohne dass mir andere Heteros zur Hilfe kamen? Wie oft habe ich mich im Stich gelassen gefühlt, weil alle um mich herum schwiegen? Ich würde lügen, wenn ich behaupte, dass der Gedanke, ein Großteil der Heteros seien gegenüber queeren Menschen nicht zu Empathie fähig, nicht auch schon mir durch den Kopf ging. Tatsächlich erlebe ich es in queeren Räumen sogar hin und wieder, dass sich die Menschen über ernstgemeinte Solidarität und Unterstützung seitens heterosexueller Menschen wundern und sich fragen, woher auf einmal ihre Empathie kommt. Nach meiner Beobachtung haben viele aufgrund der negativen Erfahrungen tief im Inneren kein gutes Bild mehr von heterosexuellen Menschen, auch wenn sie es aufgrund der gesellschaftlichen Verhältnisse nie offen zugeben würden. Ich wünschte mir, es gäbe mehr Heteros, die sich zu Wort melden und sich solidarisch zeigen, ohne uns zu vereinnahmen und ohne uns zu belehren. Texte wie dieser zeigen mir, dass es möglich ist. Besten Dank dafür.
Herzlich willkommen Charlie und dafür nicht…;-)…
Nach meiner Beobachtung teilt sich die Menschheit eher in empathische und nicht-empathische, in aufmerksame und ignorante, in mündige und unmündige Menschen, weniger in LGBTIQ* und Heterosexuelle, in Frauen und Männer oder in Minderheit und Mehrheit – wobei die Mehrheit immer Gefahr läuft, egal welche Minderheit platt zu machen, weil jede/r zunächst nur das eigene Normal für normal hält.
Mich machen ganz generell Herrschaftsbefunde böse, Gruppe xy sei doch inzwischen völlig undiskriminiert, in Verbindung mit dem Vorwurf des Strebens nach „Sonderrechten“, wenn es um selbstverständliche Grund-, Menschen- und Bürgerrechte geht. Speziell böse machen mich die ganzen Latenznazis, die sich auf einmal als die eigentlichen Initiatoren und Verteidiger von LGBTIQ*- und Frauen-Rechten gerieren, um ihren Fremdenhaß besser Gassi führen zu können.
So notwendig der Rückzug in Schutzräume ist, aber wir alle müssen viel mehr miteinander kommunizieren und uns besser vernetzen, wir müssen Solidarität miteinander zeigen und uns gegenseitig unterstützen.
Andernfalls gewinnen diejenigen, die die Uhr in die 50er Jahre oder gleich ins 19.Jhdt zurückdrehen wollen. Die Arschlöcher haben leider (und im Gegensatz zu den Linken) in den letzten 25 Jahren ihre Hausaufgaben gemacht.
Liebe Dame von Welt,
auch ich sehe das genauso wie du schreibst. Es geht weniger um Geschlechter, sexuelle Orientierungen und Geschlechtsidentitäten als um Empathie. Mir selbst sind schon viele Heteros begegnet, die wesentlich empathischer waren als viele LGBTTIQ*.
Und trotzdem trifft mich die Ignoranz, Arroganz und mangelnde Empathie von Heteros mir und anderen LGBTTIQ* gegenüber auf eine ganz besondere Weise. Vielleicht ist es die eigene Ohnmacht, die mir in solchen Situationen unter die Nase gerieben wird. Das Gefühl dem Wohlwollen und der Willkür einer Mehrheit ausgeliefert zu sein, die sich anmaßt über meine Grundrechte abzustimmen und in öffentlichen Debatten ergebnisoffen über meine Grundrechte diskutiert. Eine Mehrheit, die mir und anderen nicht zeigt, dass sie uns als vollwertige Bürger_innen anerkennt, die separate zweitklassige Rechtsinstitute wie die ELP nicht als diskriminierend empfindet.
Leider steckt hinter Hetero und LGBTTIQ* ein enormes Machtgefälle mit ungleichem Zugang zu gesellschaftlicher Teilhabe und sonstigen Privilegien. Daher haben geäußerte Worte aus der jeweiligen sozialen Gruppe in unserer Gesellschaft eine ganz andere Gewichtung. Uns LGBTTIQ* hört ein großer Teil der hetero-, cis- und monosexuellen Menschen nicht wirklich zu und nimmt unsere Worte ernst. Noch immer werden Heteros als Expert_innen für LGBTTIQ-Belange in öffentliche Diskussionen eingeladen, maßen sich an über uns zu urteilen und uns das Teilhaberecht an der Gesellschaft abzusprechen. Diese Form des Paternalismus und ihre selbstverständliche Akzeptanz in breiten Teilen der Gesellschaft verdeutlicht vielleicht, wieso die Worte heterosexueller Menschen gegenüber LGBTTIQ ein anderes Gewicht haben. Und deshalb treffen mich ihre Worte oftmals härter, als die von LGBTTIQ*.
Wo ich dir recht gebe ist, dass wir auf jeden Fall viel mehr miteinander kommunizieren und uns besser vernetzen müssen. Gegenseitige Unterstützung und Solidarität finde ich ebenfalls sehr wichtig. Und damit meine ich ausdrücklich auch, dass LGBTTIQ* genauso aus ihrer Nische rauskommen und sich gegenüber anderen benachteiligten und ausgegrenzten Gruppen solidarisch verhalten sollten. Wahrscheinlich geschieht das bereits, doch sind sie dann nicht unbedingt mehr als LGBTTIQ* sichtbar. Mit Heteros in queeren Zusammenhängen ist das vermutlich ähnlich. Möglicherweise liegt gerade darin eines der Grundprobleme…
Wofür steht eigentlich das zweite T in LGBTTIQ*?
Bitte nicht wundern, daß es einen Teil Ihres Kommentars kursiv gesetzt hat – das liegt wahrscheinlich an Sternchen und an Markdown, das ich jetzt mal deaktiviert habe (nachdem es deswegen hier kürzlich schon zu einem Galama galore kam). Wenn Sie möchten, repariere ich Ihren Kommentar.
Ansonsten: Zustimmung und es tut mir leid! Bitte entschuldigen Sie, daß meine heterosexuelle Mitmehrheit so anmaßend, stumpf und egozentrisch ist!
Sehr lesenswert (und gut zu unserer Unterhaltung passend) fand ich gerade ein Interview von Alexander von Streit mit Johannes Kram: „Deutschland hängt im Umgang mit Homosexualität 20 Jahre zurück“ (wobei der Titel schon wieder extrem ignorant ist, da Johannes Kram von Akzeptanz, Respekt, Xenophobie und Diversität spricht, nicht von Homosexualität)
Erstmal vorweg: Falls es in Ordnung ist, würde mich freuen, wenn wir uns duzen können :-)
Vielen Dank für das Angebot einer Reparatur, aber es macht mir überhaupt nichts aus, dass der Kommentar teilweise kursiv erscheint. Hauptsache er ist lesbar.
Zum Abkürzungsungetüm LGBTTIQ*: Das zweite T steht meines Wissens für Transsexuelle, während das erste T für Transgender steht. Transsexualität steht für Männer mit einem verweiblichten Körper bzw. Frauen mit einem vermännlichten Körper. Hier geht es also eher um körperliche Merkmale als um Geschlechtsidentität. Transgender steht hingegen für alle Menschen, deren bei Geburt zugewiesenes Geschlecht nicht mit der eigenen Geschlechtsidentität übereinstimmt. Hier geht es also weniger um körperliche Merkmale als vielmehr um das soziale Geschlecht/Gender (das teils auch nicht-binäre Menschen mit einschließt). Ob beide Kategorien sich tatsächlich immer so klar voneinander abgrenzen lassen, sei mal dahingestellt. Andererseits steht es mir als nicht-trans Person aber auch nicht zu, diese Unterscheidung in Frage zu stellen. Daher die zwei Ts.
Zur Entschuldigung: Ich möchte dich keinesfalls für etwas in Sippenhaft nehmen, wofür du nichts kannst. Sorry, wenn das jetzt so rüber kam. Trotzdem danke ich dir dafür, dass du mir damit signalisierst, dass du dich mit deiner gesellschaftlichen Position und den entsprechenden Privilegien auseinandergesetzt hast. Viel wichtiger als Entschuldigungen finde ich aber letztlich ein privilegienbewusstes und reflektiertes Verhalten im Alltag. Und dein Text beweist, dass das bei dir bereits der Fall ist. Das bedeutet mir viel und gibt mir Hoffnung.
Bitte nicht krumm nehmen: im Internet sieze ich jede/n, selbst gute Freunde, ist eine Art Tick.
Danke für die Doppel-T-Erklärung – ich werde trotzdem bei der Version mit einem T und Sternchen bleiben.
Carolin Emcke, Süddeutsche: Orlando
Werte Dame.von.Welt,
ein tiefempfundes Dankeschön für Ihren empathischen Artikel. Es spendet Hoffnung, wenn es Menschen gibt, die sich auf diese Weise in andere einfühlen können. Hoffentlich gibt es da draßen mehr Menschen von Welt, die wie Sie ihre Stimme erheben.
Bewegt und gerührt, Yorick Alter
Hallo und willkommen, Yorick Alter!
Ich schiebe es mal auf Ihre Bewegung und Rührung, daß Sie mich „werte“ nennen – da fühle ich mich doch gleich 20 Jahre älter und ebensoviele Kilos schwerer…;-)…
Eine Schwulenhochzeit in Orlando
Adrian Daub, Merkur: „Out of the Bars“ – San Francisco am 12. Juni 2016