Grenze in Idomeni. Screenshot bei heute.de, beschnitten.
„Haupteinfallstor“ nennt Donald Tusk die Balkanroute, die heute beim Türkei-Sondergipfel hermetisch geschlossen werden wird.
Am Montag sollten wir diesen Ansatz bestätigen. Damit werden wir die Westbalkanroute schließen, die mit 880.000 Flüchtlingen 2015 und bereits 128.000 in den ersten zwei Monaten dieses Jahres das Haupteinfallstor gewesen ist.
Mit „dieser Ansatz“ meint er das Ende der „Politik des Durchwinkens“ und die Wiederanwendung der „gemeinsam vereinbarten Regeln“ von Schengenabkommen und Dublinregelung, die xte. In Budapest (und Bukarest) wurde er letzte Woche auf seinem Weg zum Flugmeilenmillionär gar nicht erst empfangen, anders als Horst Seehofer.
Hauptgarant der in der Festung Europa offenen Grenzen für alle (except: Flüchtlinge) ist die Türkei, wo soeben die größte regierungskritische Zeitung unter Wasserwerfereinsatz und reichlicher Tränengasanwendung staatlich übernommen wurde und wo unter dem verschlissenen Etikett der Terrorabwehr der Krieg gegen die Kurden weitergeführt wird: ein lupenrein demokratisches und sicheres Land. Als Gegenleistung für die Flüchtlingsaufhaltung fordert die türkische Regierung Visafreiheit für türkische Staatsbürger in der EU und 3 Milliarden Euro.
Mit 31,8% der abgegebenen Stimmen in Büdingen, Ortsteil Michelau (kein Witz, der Ortsteil heißt so) für die NPD und einem zweistelligen Wahlergebnis für die AfD bei den gestrigen Kommunalwahlen in Hessen wurde der Versuch der Anwendung des Grundgesetzes, Präambel, AEMR-Bezug, Artikel 1, Menschenwürde quittiert.
In Büdingen wurde im vergangenen Herbst eine Erstaufnahme (800 Flüchtlinge) in einer ehemaligen Kaserne eingerichtet, zur Entlastung der Erstaufnahmestelle in Gießen.
Die NPD Hessen hat sich – dem Zeitgeschmack entsprechend – stark auf das Thema Hetze gegen Geflüchtete fokussiert. Unter anderem agitierte der NPD-Hessen-Vorsitzende Daniel Lachmann gegen ein Erstaufnahmelager in Büdingen, die NPD verantwortete auch die Facebook-Seite „Büdingen sagt NEIN zum Erstaufnahmelager für Asylanten“. Im März gab es eine Veranstaltung zum Thema, zu der auch der NPD-Bundesvdorsitzender Frank Franz und der NPD-Berlin-Vorsitzende Sebastian Schmidtke anreisten. Lachmann konnte mit dem Thema auch bei der Bürgermeisterwahl in Büdingen punkten: er erhielt 8,2 Prozent der Stimmen, nachdem er zuvor bei Bürgermeisterwahlen Nidda und Wölfersheim mit zwischen 1,8 und 4,3 Prozent eher kläglich abgeschnitten hatte.
Die absolute Mehrheit in Hessen haben übrigens die Nichtwähler. Leider sind die Haupteinfallstore für die Nutznießung an Wohlstand und Demokratie bei gleichzeitiger Nichtteilnahme an demokratischen Prozessen in Deutschland nicht so leicht zu schließen wie die Balkanroute.
Daniel Lachmann vertritt u.a. die Ansicht, „dass alle Ausländer in ihre Heimatländer zurückgebracht werden sollen“ und „es habe bestimmt gute Gründe gegeben, Hitler in vielen deutschen Städten zum Ehrenbürger zu machen.“
Ehrenbürger mit Ehrenmedaille wurde vor einem Jahr im baden-württembergischen Engelsbrand (Enzkreis) ein in Italien zu lebenslänglicher Haft verurteilter deutscher Nazi-Kriegsverbrecher:
Wilhelm Ernst Kusterer gebühre Anerkennung und deswegen eine Ehrenmedaille. Die erste überhaupt, die je am Ort verliehen worden ist. 22 Jahre lang (1975 bis 1997) war Kusterer Mitglied des Gemeinderates gewesen. Und er hatte sich mit “vielfältigem Engagement um die Heimatgemeinde verdient gemacht”, schrieb dazu die Pforzheimer Zeitung. Am 4. März 2015 wurde der damals 93-Jährige in einem Festakt ausgezeichnet.
Vor wenigen Tagen hat Walter Cardi von der Nachricht Kenntnis erhalten. Er ist Vorsitzender des Vereins, der sich zum Ziel gesetzt hat, das Gedenken an den Massenmord von Marzabotto bei Bologna aufrecht zu erhalten. In der Gegend hatte 1944 die 16. SS-Panzergrenadier-Division „Reichsführer-SS“ gewütet. Alleine in der Zeit vom 29. September bis 5. Oktober fielen etwa 800 nicht an Kampfhandlungen beteiligte Zivilisten einer verbrecherischen Strategie zum Opfer. Die Resistenza, der bewaffnete Widerstand der Partisanen, sollte mit Methoden des schieren Terrors gebrochen werden: Durch Folterung und Ermordung der daheimgebliebenen Frauen, Kinder und Alten.
Deutschen Medien ist das bis jetzt keine einzige Zeile wert, während die italienischen Medien entsprechend berichten – seit die vor einem Jahr verliehene Ehrenmedaille vor einigen Tagen in Italien bekannt wurde.
Boris Palmer (Bündnis90/Die Grünen) wurde als erster Befürworter eines Schießbefehls an europäischen Grenzen publik. Ihm pflichten u.a. Frauke Petry und Beatrix von Storch bei.
Was bei der folgenden Erregerei über das Ausrutschen auf Mäusen und über die feine Differenzierung des Dochnichtschießenwollens auf Kinder ins Hintertreffen geraten ist: jeder, der Obergrenze und Haupteinfallstor denkt und sagt und will, meint Schießbefehl.
Aber das Schließen des Haupteinfallstores für die unfaßliche Dummheit des Denkens in Uniform und der reinen Privilegienverteidigung ist ebenfalls schwerer als die Schließung der Balkanroute.
Wahrscheinlich muß es extra dazu geschrieben werden: weiterer Ausbau der Festung Europa in Form der Abriegelung der Balkanroute unterstützt nicht eine einzige arme Kommune in Deutschland bei der Aufnahme und Integration der Flüchtlinge. Nicht eine einzige der Fluchtursachen wird bekämpft. Und es wird davon auch kein einziger der rund 60 Millionen Flüchtlinge weltweit weniger werden.
Die Flüchtlinge werden bloß wieder aus den Michel-Schlagzeilen verschwinden, dem Haupteinfallstor in die Festung unserer eng bemessenen Aufmerksamkeitsökonomie.
Unsere gesamte westliche Welt und Restzivilisation weigert sich stupide und unter letzten Zuckungen, sich den Tatsachen und Folgeerscheinungen zu stellen, die ihre Vergangenheitsverbrechen (als da u.a. wären: Imperialismus und Kolonialherrschafft, Kriege und Stellvertreterkriege, Hochrüstung, Ressourcenausbeutung, wirtschaftliche Unterwerfung und kapitalistische Ausbeutung, Umweltzerstörung) der letzten Jahrhunderte heraufbeschworen haben und noch werden. Wir sind sozusagen dabei, uns auf der Flucht vor den Konsequenzen unseres eigenen Handelns in einer waffenstarrenden Festung einzuigeln, in der Illusion, so davonzukommen.
Aber das kann und wird nicht gelingen. Entweder, wir stellen uns endlich den Tatsachen und somit auch unserer Verantwortung gegenüber den Opfern und Leidtragenden (was Umdenken, Einsicht, Teilhabe und Neuverteilung bedeutet), oder aber wir werden allesamt verrecken, indem wir uns gegenseitig erschlagen und massakrieren.
Ich persönlich glaube immer weniger an die erste Variante, denn Einstein hatte wohl recht mit seiner Einschätzung:
„Zwei Dinge sind unendlich: das Universum und die menschliche Dummheit, aber beim Universum bin ich mir noch nicht ganz sicher.“
Das gleicht immer mehr dem australischen Weg der „Pacific Solution„. Nur eben nicht durch ein ziemlich großes Meer mit geheimgehaltener Militärmission zur Flüchtlingsabwehr, sondern durch Militärjargon und -denke, Verschleiern und Verschweigen, Appelle an den Glauben an die vorgeblich einfachen Lösungen, durch Entpolitisierung und Volksverdummung und durch Kalkül mit der begrenzten Aufmerksamkeitsökonomie. Handwerklich nicht ganz ungeschickt.
Genova bringt einen der Unterschiede zwischen der deutschen und der türkischen Gesellschaft auf den Punkt:
Kurze Nennung des eigentlichen Problems
Zum ausgezeichneten NS-Kriegsverbrecher und Mörder Kusterer aus italienischen Medien (danke an ed2m!):
medico international kritisiert die Schließung der Balkanroute für Flüchtlinge und fordert humanitäre Hilfe und legale Reisemöglichkeiten.
In Zorneding ist Pfarrer Olivier Ndjimbi-Tshiende zurückgetreten, nachdem er Haßpost bis hin zu Morddrohungen bekommen hatte. Nach Erlaubniserteilung zum Rassismus durch CSU-Angehörige, wozu der Scheuer Andi keine Stellung beziehen möchte.
Wenn mehr als 50 Prozent aller Wahlberechtigten in Hessen unter der Störung „Nichtwählen“ leiden, kann man getrost von einer Volkskrankheit sprechen. Extra 3 nimmt sich einfühlsam dieses Tabuthemas an: Elektionsstörungen | extra 3 | NDR
„Boris Palmer (Bündnis90/Die Grünen) wurde als erster Befürworter eines Schießbefehls an europäischen Grenzen publik.“
Mein Gott ja, so sind’s, die Grünen. Es war die erste erklärtermaßen pazifistische in Deutschland, die an der Regierung beteiligt wurde, welche die Bundeswehr zum ersten Mal in ihrer Geschichte in einen echten, richtigen Krieg geschickt hat.
NIE WIEDER PAZIFISMUS, NIE WIEDER KRIEG!
Politik als Fortsetzung des Krieges mit anderen Mitteln – nämlich mit der scharfen, chirurgisch exakten Axt des Pazifismus: Schnitt!
Wer sich dafür stark machen will, muss mit der windelweichen Wohlfühl-Ideologie der Grünen hochgerüstet sein, oder: politischer Pragmatismus fordert eben seine Opfer, und die grün-vegane Revolution frisst ihre Kinder.
Ein krasser Fall von Körnerfresser-Kannibalismus?
Aram Lintzel, taz: Rassismus ohne Rassisten
Schauschau, es gibt doch ein klein wenig deutsche Presse zum SS-Kriegsverbrecher Wilhelm Kusterer. Die Pforzheimer Zeitung hat die Meldung vom 05.03.2015
heute irgendwann offline genommen, dafür ist am 7.3.2016 erschienen:
Schatten eines Kriegsverbrechens liegt auf Ehrung eines Engelsbrander Bürgers
Und die Junge Welt bringt heute (8.3.2016) einen lesenswerten Artikel, in dem aber Wilhelm Kusterer zu Wilhelm Küster gemacht wird: Ehrung für einen Mörder
Noch mehr schauschau – Spon: SS-Massaker von Marzabotto: Ein Ehrenbürger und sein dunkles Geheimnis und Tagesspiegel: Die Gemeinde Engelsbrand ehrt einen Kriegsverbrecher. Denn sie wissen nicht, was sie tun