„ernsthafter Schaden“

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Es geht ja nicht um Kinder. Es geht um das, was man in sie hinein projiziert.“        Deniz Yücel

Heute wurde das „Asylpaket ll“ durchs Parlament Kabinett gewinkt, in dem (unter anderen Rechtswidrigkeiten mehr) auch der eingeschränkte Familiennachzug für die Angehörigen unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge festgezurrt wurde.

Zeit Online:

Flüchtlinge mit nur subsidiärem Schutz sollen ihre Familie zunächst nicht mehr nachholen dürfen. Das ist der Fall, wenn ihnen in der Heimat keine individuelle Verfolgung droht, aber durch allgemeines Kriegsgeschehen ein „ernsthafter Schaden“ widerfahren könnte.

 

Der gleichnamige Bundesfachverband veröffentlichte Ende Januar Zahlen zu unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen. Bestand, Verteilung, Quotenerfüllung und Elternnachzug:

Die Zahl der unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge (UMF) in Deutschland ist Ende Januar auf über 60.000 gewachsen. Hauptherkunftsländer im Jahr 2015 waren Afghanistan, Syrien, Irak, Eritrea und Somalia. …

Dass Flüchtlinge den Nachzug – auf den ein Rechtsanspruch besteht und der im Einklang mit der Kinderrechtskonvention steht – bewusst und missbräuchlich nutzen würden, lässt sich nicht bestätigen. Im Gegenteil: Schon jetzt sind die Zugangsvoraussetzungen für die Familienzusammenführung viel zu restriktiv. Während der Nachzug als Massenphänomen dargestellt wird, zeigen aktuelle Zahlen, dass faktisch kaum Eltern nach Deutschland nachziehen.

Einer aktuellen Antwort der Bundesregierung (DBT-Drs.18/7200) zeigt, dass lediglich 716 Personen eine Aufenthaltserlaubnis nach § 36 Absatz 1 AufenthG (Nachzug von Eltern) besitzen. Darunter befinden sich nur 260 Eltern aus Syrien, 79 Eltern aus dem Irak und 18 aus Afghanistan.

Im vergangenen Jahr wurden monatlich durchschnittlich lediglich 40 neue Aufenthaltserlaubnisse aufgrund des Elternnachzugs ausgestellt. Von Januar bis Dezember 2015 zogen 442 Eltern zu ihren minderjährigen Kindern nach.
Die jetzt vorgesehen Aussetzung der Familienzusammenführung für subsidiär Schutzberechtigte ist eine Missachtung der elementaren Bedürfnisse der Minderjährigen.

Der Bundesfachverband UMF fordert, die belastenden Trennungssituationen ernst zu nehmen und Familienzusammenführungen zügig zu ermöglichen, anstatt Flüchtlingskindern und ihren Eltern niedere Beweggründe zu unterstellen.

 

„Ernsthafter Schaden“ steht auch bei nicht wenigen der mindestens 10.000 nach Einreise und Registrierung in der EU verschwundenen Minderjährigen zu befürchten:

At least 10,000 unaccompanied child refugees have disappeared after arriving in Europe, according to the EU’s criminal intelligence agency. Many are feared to have fallen into the hands of organised trafficking syndicates. …

Brian Donald said 5,000 children had disappeared in Italy alone, while another 1,000 were unaccounted for in Sweden. He warned that a sophisticated pan-European “criminal infrastructure” was now targeting refugees. “It’s not unreasonable to say that we’re looking at 10,000-plus children. Not all of them will be criminally exploited; some might have been passed on to family members. We just don’t know where they are, what they’re doing or whom they are with.” …

Donald confirmed Europol had received evidence some unaccompanied child refugees in Europe had been sexually exploited. In Germany and Hungary, the former a popular destination country for refugees and migrants, with the latter an important transit state, large numbers of criminals had been caught exploiting migrants, he said. “An entire [criminal] infrastructure has developed over the past 18 months around exploiting the migrant flow. There are prisons in Germany and Hungary where the vast majority of people arrested and placed there are in relation to criminal activity surrounding the migrant crisis,” said Donald.

The police agency has also documented a disturbing crossover between organised gangs helping to smuggle refugees into the EU and human-trafficking gangs exploiting them for sex work and slavery. … “The ones who have been active in human smuggling are now appearing in our files in relation to migrant smuggling,” said Donald.

 

Eine BKA-Sprecherin teilte dieser Zeitung am Dienstag mit, dass am 1. Januar 2016 genau 4.749 unbegleitete Flüchtlinge im Kindes- und Jugendlichen-Alter als vermisst galten. 431 davon waren jünger als 13 Jahre, 4.287 zwischen 14 und 17 Jahren und 31 über 18. Am 1. Juli 2015, also ein halbes Jahr zuvor, lag die Zahl der vermissten unbegleiteten Flüchtlinge im Kindes- und Jugendlichen-Alter noch bei 1.637. …

Niels Espenhorst, Referent beim Bundesfachverband unbegleitete minderjährige Flüchtlinge (BumF), macht für das Verschwinden die Fluchtstrukturen verantwortlich. „Es ist nicht nur das System, wie Flüchtlinge nach Europa kommen, sondern auch die Aufnahme in Deutschland.“

Die seit November 2015 geltende Umverteilung der minderjährigen unbegleiteten Flüchtlinge auf die Bundesländer verschärfe die Situation. „Die Jugendämter registrieren die Jugendlichen teils bei der vorläufigen Inobhutnahme nicht.“ Dann könne der Weg der Betroffenen ohne aufgenommene Fingerabdrücke nicht mehr nachvollzogen werden. Ihre Spuren verlören sich. Zudem führe die Verteilung dazu, dass minderjährige Flüchtlinge an Orte gebracht würden, die ihnen keine Perspektive böten. „Sie entziehen sich dann in die Illegalität und sind verletzlich“, so Espenhorst. Einen letzten Grund für das Verschwinden sieht er in den Strukturen des Menschenhandels.

Kinderschutzbund-Präsident Hilgers macht schließlich der Bundesregierung schwere Vorwürfe. „Die erste Möglichkeit, dem Missbrauch von Flüchtlingskindern zu begegnen, ist eine geordnete Flucht“, sagte er. „Und da ist natürlich das, was die Bundesregierung mit der Begrenzung des Familiennachzugs macht, nicht hilfreich. Denn Kinder- und Frauenrechte werden ausgehebelt mit dem Taschenspielertrick, dass es ein paar Menschen in Syrien gibt, die einen subsidiären Schutz haben.“ Hilgers fuhr fort: „Bei schönem Wetter lassen sich die Kinderrechte leicht einhalten. Doch sie sind für den Ernstfall da.“


 

 

Die Erfindung der Kindheit als Idealraum von Schutz, Bildung und fehlendem „Ernst des Lebens“ ist in unseren Breiten noch nicht sehr alt, gedanklich gerade mal gut 200 Jahre.

Kinder wurden als unfertige Erwachsene betrachtet, von den Reichen bis zu ihrer Menschwerdung irgendwohin aufs Land gegeben, die Kinder der Armen arbeiteten vor allem ab der industriellen Revolution als praktische kleine Sklaven im Bergbau und der Industrie.

Alle 5 Sekunden verreckt irgendwo auf der Welt ein Kind unter 10 Jahren, an Armut.

Zu Beginn des 19. Jahrhunderts war ein Drittel der Fabrikarbeiter in den USA zwischen 7 und 14 Jahren alt, in Preußen wurde 1839 (wegen der schlechten gesundheitlichen Ausstattung der Rekruten) Kinderarbeit unter 9 Jahren verboten und die Arbeitszeit der 10-16jährigen auf 10 Stunden am Tag begrenzt. Bis in die 1950er Jahre wurden Kinder armer Eltern aus Tirol, Südtirol, Vorarlberg, der Schweiz auf Kindermärkten als Saisonarbeiter in der Landwirtschaft nach Schwaben verkauft, wohin sie zu Fuß wanderten und dort bis 1920 von der Schulpflicht befreit waren.

Über 190 Millionen Kinder in vor allem Asien und Afrika tragen heute mit Erwerbsarbeit zum Familieneinkommen bei. Unter ihnen schätzt UNICEF 1 Million Kinder, die gegen geringes Entgelt sexuell ausgebeutet werden, genaue Zahlen sind nicht bekannt und die Bumsbomber stets gut gefüllt.

Bei uns macht jedes 3.-4. Mädchen, jeder 5.-7. Junge mindestens eine Erfahrung sexualisierter Gewalt, die Mehrheit im kindlichen Nahbereich aka „Keimzelle des Staates“ aka Familie.

Millionen Bewohner reicher Länder liegen auf der Couch, um ihre Kindheiten zu be- und verarbeiten. Kinder werden zum Babyschwimmen und -yoga gekarrt, in Kinderwagen spazierengefahren, für deren Gegenwart man einen gebrauchten Kleinwagen kaufen kann, sie erhalten mit 4 Jahren den ersten Englisch-, mit 6 Jahren den ersten Mandarinunterricht, haben volle Terminkalender, eigene Modelabels nebst Make-up und Parfüm, werden in Miniplaybackshows verheizt, sind modische Accessoires und kommende Leistungsträger.

 


 

 

Während bei minderjährigen Flüchtlingen lieber die Menschenwürde vermessen wird.

Um mit pseudowissenschaftlichen, standes- und rechtswidrigen Altersfestsetzungsmethoden zu verhindern, daß Kinder und Jugendliche die ihnen zustehenden Rechte auf Bildung und Ausbildung, auf Schutz und Betreuung und ein Zuhause bekommen. Weil: das kostet.

Werden unbegleitete minderjährige Flüchtlinge nicht eng und persönlich betreut, sondern in Massenunterkünften aufbewahrt, wird das für ihre Betreuung, Erziehung und Bildung nötige Geld nicht dahin transferiert, wo sie sind, sondern lieber sie nach Quotensystemen auf die Republik umverteilt, dann ist es keine Überraschung, daß sie verschwinden.

Unter den durch die Silvesternacht in Köln berühmt gewordenen „Antänzern“ sind viele „illegale“ Minderjährige. Aber die haben ja seit heute „sichere Herkunftsländer“ und demnächst „grenznahe Abschiebelager„.

Ob die gewerbsmäßig stehlenden Kinder und Jugendlichen, die Charles Dickens in Oliver Twist portraitiert, von den Londonern genauso skandalisiert wurden? Die waren zwar von ihren Eltern verlassene oder von ihnen verkaufte Straßenkinder, wurden aber immerhin nicht noch im Rahmen langer Flucht durch mehrere Kontinente zusätzlich beschädigt.

 


 

Karthago muß zerstört werden: Wir haben keine Flüchtlingskrise! Wir haben eine  Prioritäten-, Verteilungsgerechtigkeits-, Bürokratie-, Wertekrise.

 


 

 

Zur Vertiefung (wird u.U. weiter ergänzt):

Oliver Twist

9 Kommentare zu „„ernsthafter Schaden“

  1. Aus Zeiten der Bekämpfung der Partei „Die Republikaner“ taucht eine alte Frage in neuem Gewand auf: „Gibt es weniger Gründe, einen Parteitag, einen Infostand der SPD/CDU zu stören, als einen der AfD?“
    Damals in den 90ern haben wir (autonome Antifa) mal die Parteiprogramm der SPD und der REPs zur Bundestagswahl miteinander verglichen und stellten jede menge Übereinstimmungen fest.

    Faschistische Vermessungen von Minderjährigen, Lageso, Frontex, Asylrechtsverschärfungen, Finanzierung eines staatlichen Bollwerks in der Türkei usw. usw. sind nicht das Ergebnis der AfD, sondern der „demokratischen Parteien“. Und einen Schießbefehl gibt es im Innern ja auch.Selbst auf unbewaffnete Zivilisten. Nennt sich euphemistisch „finaler Rettungssschuss“.

    Das alles geht natürlich der AfD nicht weit genug. .Daher ist die Gefahr, die von ihr auch in Gestalt der derzeitigen außerparlamentarischen Opposition von ihr ausgeht selbstverständlich nicht zu unterschätzen.

    Na ja. Freuen wir uns doch mit den politischen Eliten auf den internationalen Kindertag am 1.6.2016.
    (Sarkasmus kann ich auch!)

    1. -> CSU, AfD, PEGIDA Oder NPD?
      -> AfD oder NPD?

      Es wird Zeit, daß auch SPD-, Linken- und Grünen-Sprüche Berücksichtigung finden.

      Jede/r, der/die von Obergrenze schwafelt, meint Schießbefehl.

      Weswegen die Fokussierung auf Petry und von Storch und das Gehühnere um AfD-Teilnahme an „Elefantenrunden“ im Fernsehen vor allem eins ist: blanke reine pure Heuchelei.

      Ich traue mich kaum, es tatsächlich niederzuschreiben, aber ich mußte – gemessen an der parteiübergreifenden Heuchelei – einer Rede von Christian Lindner (FDP) zum Umgang mit der AfD zustimmen:

  2. Als hätte ich’s gerochen!

    Gabriel verzapft heute eine Dolchstoßlegende erster Ordnung.
    Er habe dem Nichtnachzug der Eltern unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge nicht zugestimmt – mit dem zu schließenden Schluß, die CDU/CSU hätte ihm da was untergeschoben.

    Wir haben jetzt also nach der CSU eine weitere regierende Opposition^^

    Widerstand in der SPD gegen Asylpaket II

    Auf Kritik stößt dabei die Bestimmung, die den Familiennachzug für Flüchtlinge mit einem eingeschränktem, subsidiären Schutz begrenzt. Die Verschärfung, nach der ein Nachzug von Angehörigen für zwei Jahre ausgeschlossen wird, soll nach dem jetzt vorliegenden Entwurf auch für unbegleitete Kinder und Heranwachsende gelten. …

    In der endgültigen Fassung, die am Mittwoch im Kabinett beschlossen wurde, war dann die Ausnahmeregelung für Minderjährige gestrichen. SPD-Chef Sigmar Gabriel, so heißt es, habe erst am Freitag im Zuge von ARD-Recherchen von dieser gravierenden Änderung erfahren. Er betont nun, mit ihm sei das nicht verabredet worden. Das würde bedeuten, dass das Innenministerium das Gesetz nachträglich verschärfte. Allerdings hätte das spätestens in der Ressortabstimmung mit SPD-geführten Ministerien wie Justiz und Familie auffallen müssen. Auf dieses Ressortverfahren verweist auch das Innenministerium.

    „In der Fraktion hört man aber auch den Verdacht, Gabriel habe hinter verschlossenen Türen Zugeständnisse gemacht, ohne die eigene Partei einzubeziehen“, sagte Henze.

    #fettesFähnchenimWind

    1. Lisa Caspari: Mr. Zickzack regelt den Familiennachzug

      Dabei hatte ihr eigener Vorsitzender Sigmar Gabriel schon im November mit den Parteichefs der Union verabredet, den Rechtsanspruch auf Familiennachzug für Flüchtlinge mit niedrigem „subsidiärem Schutzstatus“ vorerst für zwei Jahre auszusetzen. Nur 1.700 Menschen seien von der Verschlechterung betroffen, verkündete Gabriel damals. Subtext: Halb so wild, die vielen Syrer in Deutschland werden weiterhin die Möglichkeit haben, Frau und Kind aus dem Bombenhagel in Sicherheit zu bringen.

      Dumm nur, dass das CDU-geführte Bundesinnenministerium da bereits beschlossen hatte, nicht mehr automatisch allen Syrern den besseren Flüchtlingsstatus der Genfer Konvention zuzuweisen, sondern künftig auf Einzelfallprüfungen zu setzen. Rund jeder fünfte Syrer könnte nun künftig von der Einschränkung des Familiennachzugs betroffen sein. Die Gruppe der sogenannten subsidiär Schutzbedürftigen darf ihre Familie erst nach Jahren aus dem Kriegsgebiet nachholen.

      In der SPD regte sich schnell Protest, auf den dann auch der Parteivorsitzende reagieren musste. Für die Syrer müsse es weiterhin eine Möglichkeit zum Familiennachzug geben, sagte er im Fernsehen. Ein Satz, der Spielraum offen lässt. Aber Gabriel blickte streng dabei.

      Es folgte Runde zwei im Koalitionskrach und ein weiteres Krisentreffen der Parteichefs Ende Januar. Und wieder gab Gabriel nach. An der geplanten Verschärfung wurde nichts geändert – viele Syrer können künftig erst nach Jahren ihre Familie nachholen. Aber Gabriel feierte sich für einen anderen „Erfolg“: Die SPD habe durchgesetzt, dass über die EU-Flüchtlingskontingente vor allem Familienangehörige nach Deutschland geholt werden sollten. Allerdings existieren diese noch nicht – weil die EU-Länder sich nicht auf sie einigen können.

      Selbst das war schon fast vergessen, als das Tollstück vergangene Woche zum dritten Mal aufgeführt wurde. Konfrontiert mit ARD-Recherchen, wonach minderjährige Syrer mit nur subsidiärem Schutz nun auch nicht mehr so schnell ihre Eltern nachholen können, gab sich Gabriel empört. Davon habe er nichts gewusst. Subtext: Die Union hat uns über den Tisch gezogen.

      In einer frühen Version des Gesetzentwurfes waren Minderjährige von der Verschärfung des Familiennachzugs ausgenommen, so jedenfalls stellt es die SPD-Seite dar. Die Tragweite der späteren Änderung habe man nicht erfasst. Die Verantwortung dafür ließ Gabriel sein Familienministerium übernehmen, dessen Chefin Schwesig gerade in Mutterschutz ist und sich nicht wirklich wehren kann.

      Doch wenige Tage später war die Unterstützung Gabriels für die Minderjährigen schon wieder passé. In der neuen „Einigung“ der Koalition gilt die Verschärfung weiterhin. Nur in humanitären Härtefällen sollen Jugendliche ihre Eltern nachholen dürfen – allerdings gibt es diese Ausnahmeregel schon jetzt. Die SPD veranlasste lediglich, dass nun im Gesetzentwurf noch mal ausdrücklich auf sie verwiesen werden soll.

      #fettesfähnchenimwind

  3. SPON, Ann-Katrin Müller: Ermittlungen im Fall Mohamed: Das sind keine Pannen, das ist Versagen

    Ein Kind verschwindet, mitten in einer Großstadt. Doch statt mit allen Kräften nach dem Vierjährigen zu suchen, ermittelt die Polizei vor allem gegen seine Familie. Die Beamten vermuten einen Streit unter Angehörigen oder sogar eine vorgetäuschte Entführung.

    Die Gründe für den Verdacht: Die Mutter des verschwunden Kindes ist den Beamten suspekt, sie wirkt emotionslos und macht falsche Angaben zu Uhrzeit und Ort des Verschwindens. Ach, und sie ist Flüchtling, ihr und ihren drei Kindern droht die Abschiebung. Ihr Freund ist Rom und war schon mal in Haft. …

    Die meisten Kinder, die nach einer Entführung Opfer sexuellen Missbrauchs werden, überleben den ersten Tag nicht. Deswegen muss in alle Richtungen ermittelt werden, so schnell und intensiv wie möglich. Das sagen auch die Polizeidienstvorschriften.

    Umso erschreckender ist es, wenn die Beamten bereits am Tag nach dem Verschwinden urteilen, dass „nicht zweifelsfrei“ festzulegen sei, „ob es sich tatsächlich um einen Vermisstenfall oder vielmehr um Familienstreitigkeiten handelte“, wie es in den Akten steht. Nicht zweifelsfrei? Der Berliner Polizei reichte das, um die Ermittlungen einzustellen, zwei Tage lang.

    Erst als sie – nach sechs Tagen – Videomaterial finden, auf dem Mohamed an der Hand eines fremden Mannes das Gelände des Lageso verlässt, wo seine Mutter ihn aus den Augen verlor, wird die Fahndung nach einem fremden Täter intensiviert.

    Doch auch dann wird immer noch nicht in alle Richtungen geschaut. Die Polizei ermittelt weiter gegen die Mutter und ihren Freund, außerdem wird der leibliche Vater von Mohamed verdächtigt, der lebt im Kosovo. Die Videoaufnahmen, die schließlich zum Täter führen, finden die Ermittler dafür erst nach 20 Tagen, obwohl die Kamera nur rund 700 Meter vom Tatort entfernt ist. Dann liegen sie fünf Tage herum, bis sie endlich ausgewertet werden.

    Sind das noch Ermittlungspannen oder ist das Ermittlungsversagen?

    Das hat doch nichts mit der Herkunft der Familie zu tun, die Eltern seien nun mal unglaubwürdig gewesen, werden einige sagen. Aber es hat sehr wohl mit der Herkunft zu tun.

    Denn auch andere Eltern wirken unglaubwürdig, machen falsche Angaben, reagieren kühl. So wie Elias‘ Eltern. Dennoch suchten Hunderte Polizisten mithilfe von Hunden, mit einem Hubschrauber und einem Bagger nach ihrem Sohn, wochenlang, ohne Unterbrechung. Und ermittelten parallel gegen die Eltern, nicht stattdessen.

    So hätte es auch im Fall Mohamed laufen müssen. Oder haben wir nichts aus den Erfahrungen mit dem NSU gelernt?

    Was für eine Frage…

  4. Einen ernsthaften Schaden hat laut Zeit Online auch die FAS, die heute unter Berufung auf die EU-Kommission berichtet, daß 40% der über die Balkanroute gekommenen Flüchtlinge keine Aussichten auf Schutz hätten und wieder zurück müssen, speziell Afghanen und Iraker. Ja ne, ist klar: Afghanistan und Irak sind bekanntlich absolut „sichere Herkunftsländer“.

    Höchste Zeit, auch Syrien zum „sicheren Herkunftsland“ zu erklären, denn:

    Die Zahl der Flüchtlinge könnte schon bald wieder ansteigen. Kämpfe rund um Aleppo haben eine neue Massenflucht ausgelöst. Derzeit hält die türkische Regierung den Grenzübergang von Syrien aber geschlossen. Der UNO zufolge harrten deshalb zuletzt rund 20.000 Menschen allein im syrischen Bab al-Salama gegenüber des türkischen Grenzübergangs Öncüpinar aus.

  5. Noch ein ernsthafter Journalisten-Schaden, diesmal bei Heinrich Wefing/Die Zeit: Die menschliche Grenze

    Heinrich Wefing waren leider weder Recherche noch Rechtskenntnis noch ernstlicheres, über deutsche Untertellergoldränder hinausgehendes Nachdenken möglich. Er ist der Meinung, daß geschlossene Grenzen ohne Schießbefehl auskämen und auch nicht gleich jede/r, der/die von Obergrenze schwafelt, damit auch Schießbefehl meinen würde.

    Weil: er glaubt, daß an der us-amerikanisch-mexikanischen und der marokkanisch-spanischen Grenze gar nicht scharf geschossen würde. Nein Stupid, es wird verdursten gelassen und der Notwehr-Schießbefehl auf Nichtweiße wurde vom Staat an z.B. die Texaner delegiert. In Ceuta und Melilla überläßt man das Schießen, Verprügeln, Inhaftieren und Foltern von Flüchtlingen (übliche Praxis seit Jahren, nachträglich legitimiert mit Hilfe des Ley Mordaza) dem marokkanischen Militär. Hauptsache, die eigene Weste bleibt sauber und die eigenen Hände können in Unschuld gewaschen werden: Ersaufenlassen im Mittelmeer und Verelendung in Lagern =/= Schießbefehl.

    Er salbadert ellenlang im Konjunktiv über Nützlichkeiten für Europa, Kanzlerin, Deutschland, Flüchtlinge Zuwanderer und Migranten in einem für ihn erst jetzt nötigen „Raum des Nachdenkens“ dahin (weil Dank Petry und von Storch die Diskussion über Zuwanderung nun „entsichert“ sei) und präsentiert – „nicht nur aus praktischen Gründen zwingend, sondern auch zur politischen Hygiene“ – eine „Lösung„. Nämlich die Schließung der Grenzen, ein klein bißchen Kontingentlösung und ein Plänchen für die Anrainerstaaten der Hauptherkunftsländer der Flüchtlinge.

    Nebst – sehr wichtig – der Kommunizierung all dessen an die Flüchtlinge, die beim ihm fragend vorkommen als: „Wenn es aber stimmt, dass die Migranten Akteure sind, Entscheider über das, was sie tun, was sie auf sich nehmen wollen, wie viel Heimweh sie ertragen, wie lange sie es aushalten, von ihren Familien getrennt zu sein, wenn all das stimmt, dann ändert sich auch die Strategie im Umgang mit ihnen. Dann kommt es nicht mehr so sehr darauf an, wie Grenzen geschlossen oder befestigt werden, dann kommt es vielmehr darauf an, gleichsam in die Köpfe der Migranten zu gelangen, ihre individuellen Kalkulationen so zu beeinflussen, dass sie sich bei der Abwägung zwischen Gehen und Bleiben gegen den Aufbruch entscheiden.

    Heinrich Wefing sollte sich schnellstens für das Tieffrieren von Flüchtlingen einsetzen, für ihre übersichtliche Verstauung in grenznahen Kühlhäusern und – je nach Kontingent-Willigkeit europäischer Länder – für ihr Wiederauftauen und anschließendes Einfliegen. Der Mann hat offensichtlich noch nie beim UNHCR nachgelesen und demzufolge auch nicht kapiert, daß es derzeit aus verschiedenen zwingenden Gründen mehr als 60 Millionen Flüchtlinge weltweit gibt, von denen 9 von 10 in armen Ländern leben und es nur rund ein Sechzigstel überhaupt nach Europa schafft. Daß es derzeit ein bißchen mehr Flüchtlingsbewegung in Richtung Europa gibt, liegt nicht am freundlichen Gesicht der Kanzlerin, sondern an der erbärmlichen Unterfinazierung des UNHCR und an der Perspektiv- und Aussichtlosigkeit für Flüchtlinge in vielen armen Ländern, inklusive der syrischen Anrainerstaaten.

    Ich habe in den letzten (an widerwärtigen Artikeln nicht gerade armen) Monaten nur selten einen widerwärtigeren Versuch gelesen, Genfer Flüchtlingskonvention, Allgemeine Erklärung der Menschenrechte und Grundgesetz zugunsten von Utilitarismus und Menschenverachtung und unter schon schmerzhafter Dummheit, Berufverfehlung, Selbst-Exkulpation in die Tonne zu treten.

    Weil: bei Heinrich Wefing ist das alles am Ende nur und NUR zugunsten von Flüchtlingen, die Armen unter ihnen schaffen es ja gar nicht bis zu uns.

    Bei einer solchen Preisklasse von Schöngeisterbahn bleibt nur Liebermann, der Vielbemühte.

  6. Ernsthafter Journalistenschaden einmal mehr bei Mariam Lau nachlesbar, deren perfide Schreibe mich ja immer mal wieder umhaut. Minderjährige Flüchtlinge: Die Ärmsten und die Schlimmsten
    Sie schiebt nicht nur die Übergriffe der Silvesternacht allein auf unbegleitete minderjährige Flüchtlinge (Kronzeugin: die Stimmung im Volk), sondern versucht auch, ein deutsches Ankerkindermärchen zu erhärten, Kostprobe:

    Am 15. November 2015 ist die Katastrophe eingetreten: Miran ist 18 geworden. Nun ist es zu spät. „Ich habe nicht gewusst, wie ich es meiner Mutter erklären soll“, sagt er mit einem Lächeln, das wie festgefroren scheint. „Sie hat mich gefragt: Warum gehst du nicht zu einem Anwalt? Ich habe alles versucht. Ich verstehe es nicht. Andere Jesiden sind nach mir gekommen, und ihr Antrag ist längst bewilligt.“ Jetzt hat die Familie nur noch eine Chance: Mirans kleinen Bruder. Er ist zehn.

    Ein ernsthafter Schaden steht auch beim BAMF und den Behörden im Sauerland zu befürchten: Zweijährige aus Medebach soll allein nach Albanien ausreisen

    Für Eduart (30) und Franga (29) B. und ihren sechsjährigen Bruder Edjon ist Edona der Inbegriff von Freiheit. Elf Tage nach dem Ende ihrer Flucht aus Albanien wurde sie am 16. Mai 2014 im Sauerland geboren. Doch die Geburt im sicheren Deutschland könnte ihr jetzt zum Verhängnis werden: Edona wurde vom Bundesamt für Migration am Donnerstag in einem 11-seitigen Bescheid, der unserer Redaktion vorliegt, aufgefordert, Deutschland innerhalb einer Woche zu verlassen.

    Ansonsten drohe dem gerade einmal 20 Monate alten Mädchen die Abschiebung nach Albanien. Die Ausreise-Aufforderung richtet sich allein gegen Edona, weil sie im Gegensatz zum Rest ihrer Familie keine Verfolgung in Albanien nachweisen kann: „Eine konkret drohende individuelle und begründete Furcht vor Verfolgung wurde für die Antragstellerin nicht geltend gemacht. Eine erlittene Vorverfolgung kann angesichts der Tatsache, dass die Antragstellerin im Bundesgebiet geboren wurde und sich zu keiner Zeit in Albanien aufgehalten hat, nicht vorliegen“, wie das Bundesamt unter Aktenzeichen 5767139-121 schreibt.

    Seit 2015 gilt Albanien als sogenanntes sicheres Herkunftsland. Asylanträge sind so gut wie aussichtslos – außer der Antragsteller kann nachweisen, dass ihm eine Verfolgung droht. Genau das machen Eduart und Franga B. in ihrem Asylantrag vom Juni 2014, der noch geprüft wird, geltend. Ihnen drohe Blutrache durch eine verfeindete Familie – eine in Albanien immer noch vereinzelt praktizierte archaische Form der Selbstjustiz, um die Familienehre wieder herzustellen. …

    Im Falle der Familie B. könnte aufgrund der Blutrache-Gefahr der sogenannte „subsidiäre Schutz“ zum Zuge kommen, der im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention dann greift, wenn ein nicht asylberechtigter Flüchtling bei seiner Abschiebung mit einer „ernsthaften individuellen Bedrohung“ rechnen muss. Bei der 20 Monate alten Edona wurde dieser subsidiäre Schutz jedoch nun vom Bundesamt ausgeschlossen, weil sie erst nach der Flucht ihrer Familie in Deutschland geboren wurde und somit nicht die „Voraussetzungen für die Annahme einer begründeten Furcht erfüllt sind“.

    Dagegen scheinen die Prüfungen für subsidiären Schutz bei Edonas Eltern und ihrem Bruder noch nicht abgeschlossen zu sein, denn sie erhielten keinen Bescheid. Das Bundesamt sieht in seinem Schreiben zudem trotz der „individuellen Umstände der Antragstellerin“ keine Verletzung der Europäischen Menschenrechtskonvention.

    Weiter heißt es wortwörtlich: „Eine schwierige soziale und wirtschaftliche Lage begründet kein Abschiebungsverbot, sie muss von der Antragstellerin ebenso wie von vielen seiner Landsleute bewältigt werden.“

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