Bild: Anne Dirkse, http://www.annedirkse.com, CC-BY-SA 4.0
Die nächste Saison Flucht, Ausbeutung, Folter, Versklavung und Todesgefahr für Rohingya aus Myanmar und Bangladesh in der Straße von Malakka beginnt.
Ihre Verfolgung in Myanmar und ihre Entrechtung durch die über sie verfügte Staatenlosigkeit hat keine Saison.
Die Rohingya leben seit Jahrzehnten, oft seit Jahrhunderten in der Provinz Rakhine im Westen von Myanmar, ihre Spuren sind bis ins 15. Jhdt nachweisbar, mutmaßlich sind sie Nachfahren arabischer Händler. Andere wurden von der britischer Kolonialherrschaft im frühen 19.Jhdt aus Bengalen nach Rakhine und Kachin genötigt, um dort für die Briten auf Plantagen zu arbeiten. Einer der Hintergründe für die verbreiteten burmesischen Ressentiments gegen Muslime entspringt der Kolonialgeschichte: muslimische Inder dominierten im Auftrag und Schlepptau der Briten den Handel und das Bankwesen in Burma. Die Rohingya sind ebenfalls Muslime, haben eine eigene Sprache und Kultur, eine relativ dunkle Haut und werden in Myanmar seit den 1930er Jahren verfolgt (zwischen 1948 und 1962 waren sie in Burma immerhin als Minorität anerkannt). HRW und UN stufen sie schon seit Jahren als die am meisten verfolgte Minderheit der Welt ein.
Seit den Pogromen 2012 – angeführt und befeuert von der buddhistisch-nationalistischen 969-Bewegung unter Führung des Mönches Ashin Wirathu – wurden Hunderte getötet, Tausende verletzt, Hunderttausende in Lager gezwungen, (die in der New York Times als „21st Century Concentration Camps„ beschrieben wurden), Hunderttausende flohen nach Bangladesh und es fliehen jedes Jahr aufs Neue viele Tausend auf wenig seetüchtigen Booten nach Malaysia und Indonesien. Auf ihrer Flucht geraten viele der Rohingya in Erpressung und Sklaverei und alle geraten sie in Lebensgefahr. Trotzdem hält der Exodus ungebrochen an, denn ihre Entrechtung in Myanmar ist jenseits unserer Vorstellbarkeit. Sie wurden ausgebürgert, enteignet, interniert, sie erhalten so gut wie keine medizinische Versorgung, ihre Kinder keine höhere Bildung, sie dürfen nicht wählen, sich nicht versammeln, ihren Wohnort nicht frei wählen, nicht ohne Genehmigung heiraten. Die Zahl ihrer Kinder wird auf so brutale Weise begrenzt, daß Schwangere nach Bangladesh fliehen oder ihr Leben bei illegalen Abtreibungen riskieren.
Vielleicht erinnern Sie die Bilder aus dem vergangenen Frühjahr, als Tausende Rohingya in manövrierunfähig gemachten Booten ohne Nahrung und Trinkwasser auf See festgehalten oder von ihren Schleppern im Stich gelassen wurden, weil Thailand auf Druck der USA kurzzeitig den Menschenhandel bekämpfte und die im thailändischen Dschungel entdeckten Sklavencamps ebenso kurz für Schlagzeilen sorgten.
Eine typische Flucht aus Myanmar oder den Flüchtlingscamps in Bangladesh beginnt mit einer relativ geringen oder gar keiner Geldzahlung auf einem kleinen Boot (wie die oben abgebildeten), das zu einem der größeren Seelenverkäufer fährt, die nächste Station ist oft ein Camp im thailändischen Dschungel, in dem gefoltert und vergewaltigt wird und von wo aus dann Angehörige angerufen werden, um Lösegeld zu erpressen. Dafür wird alles verhökert, reicht aber die Zahlung nicht oder kommt sie zu spät, werden Rohingyamänner als Sklaven auf thailändische Fischerboote verkauft, deren Fang auch in europäischen Supermärkten landet. Frauen werden als Haussklaven oder in die Prostitution verkauft, die Bumsbomber aus Europa und Australien sind stets gut gefüllt.
Aung San Suu Kyi hat am 8. November eine Wahl zu gewinnen, eine unzweideutige Parteinahme für die Menschenrechte der Rohingya würde sie jede Chance auf einen Sieg gegen die Generäle kosten. Die Grundlage der ASEAN-Politik ist die strikte Nichteinmischung in die Angelegenheiten der jeweils anderen Länder, beim Treffen der ASEAN-Staaten Ende Mai wurden vergleichsweise sehr harsche Töne in Richtung burmesische Regierung gesprochen, die Rohingya als Staatsbürger mit Rechten anzuerkennen und der Massenflucht, die vor allem Malaysia und Indonesien trifft, ein Ende zu setzen. In Myanmar hat das nicht besonders interessiert.
Die Rohingya haben kein Land, das sie will und aufnimmt, sie haben keine Lobby, die für sie eintritt. In Myanmar und seinen Anrainerstaaten vollzieht sich ein Genozid mit Ansage und der geht jetzt, nach Ende des Monsoon, auch wieder auf der Andamen-See weiter.
Noch ein paar weiterführende Artikel
Über die Rohingya:
-> Wir sind Rohingya
-> The Rohingya, Burma’s Forgotten Muslims by James Nachtwey
Über die 969-Bewegung:
-> Is Burma’s Anti-Muslim Violence Led by “Buddhist Neo-Nazis”?
-> Fears of a new religious strife
Fortify Rights
Pressemitteilung von heute-> United Nations: Establish Independent Investigation into Genocide in Myanmar
Pflichtlektüre-> Policies of Persecution
-> Myanmar: Authorities Complicit in Rohingya Trafficking, Smuggling
The Arakan Project:
-> North Arakan: an open prison for the Rohingya in Burma
-> The Situation of stateless Rohingya Children in Myanmar
Gerne gelesen. Von der „State Crime Initiative“ (im SMH-Artikel verlinkt) wusste ich bisher nichts.
Hallo JustRecently, wie schön, Sie mal wieder hier zu lesen…;-)…
Die-> State Crime Initiative war (King’s College, London) und ist (Queen Mary University of London) interessant-prominent platziert und hat illustre Honorary Fellows: Noam Chomsky, John Pilger, Richard Falk.
Aktuell-> [ISCI Report] -> Countdown to Annihilation: Genocide in Myanmar
Aus dem Report (S.45):
Am Rande des Themas und weil ich sehr vermute, daß Malaysia und Indonesien für die Rohingya auch deswegen die Hauptdestinationen sind, weil sich Australien von der Weltkarte der Flüchtlinge radiert hat: Australien bezahlt aktiv Schlepper und gefährdet ebenso aktiv Flüchtlinge.
-> amnesty international:
Solltest Du, liebe Dame, in der Blogosphäre publik machen ;) . Ist halt ned ganz vor der Haustür…
Kranke Scheiße!
Mache ich, liebste Hugoline, schon seit Mai in der Blogosphäre publik, s.a.-> Freitag
Guardian, Martin Woollacott-> Anti-Muslim paranoia could still derail Myanmar’s journey to true democracy
Kolorierung der Macht der Generäle anhand der neuen Hauptstadt Naypyidaw-> Die reine Leere
Der ganze Artikel ist sehr lesenswert.
Hat dies auf montagfrei rebloggt.
Ein Artikel-> in der New York Times von U Shwe Maung, Mitglied des burmesischen Parlaments und des Asean Parliamentarians for Human Rights, der in Myanmar nicht mehr kandidieren kann, weil: Rohingya.
Al Jazeera-> Investigations in Myanmar: „Strong Evidence of Genocide“, according to an assessment by Yale University Law School
Guardian-> No vote, no candidates: Myanmar’s Muslims barred from their own election
Fédération internationale des ligues des droits de l’Homme (FIDH)-> Half Empty: Burma’s political parties and their human rights commitments
für die sammlung
http://www.huffingtonpost.com/emanuel-stoakes/genocide-rohingya-muslims-myanmar_b_8478684.html?1446819566
über „jews against genocide“ auf fb eingebracht
Mit amtlichen Wahlergebnissen wird für den späten Mittag gerechnet, in den Berichten über die noch nicht amtlichen wird vor allem ein Wort verwendet: Landslide. Die NLD scheint von den verfügbaren Parlamentsitzen – 25% stehen nicht zur Wahl, sondern werden vom Militär besetzt – nicht nur die benötigten 67%, sondern über 70% gewonnen zu haben, in den Zentralregionen über 80%.
Ausnahme: der Norden von Rakhine, wo viele Rohingya leben und nicht wählen durften, dort gewann die Arakhan National Party.
Live-Blogs-> Guardian und-> The Irrawaddy.
Der „Weltspiegel“ auf der ARD gestern ist dazu auch empfehlenswert: http://www.ardmediathek.de/tv/Weltspiegel/weltspiegel-08-11/Das-Erste/Video?documentId=31529558&bcastId=329478
(Mal am Rande, guck ich mir auch immer an, wenn ich am Sonntag daheim bin und nix anderes zu tun habe, lohnt sich, weil gut recherchierte bewegte Bilder doch besser sind als Buchstaben!)
Na, wenn das so ist (bewegte Bilder vs Buchstaben)…;-)…
Danke, aber ich habe nicht versus geschrieben ;) .
„Mit offenen Karten“ kann mensch bezüglich halbwegs (die Hälfte sind ja Karten haha) bewegter Bilder übrigens auch öfter gucken.
„Birma wird seit 2011 im Prinzip nicht von der Armee regiert.“
Daran wird sich wohl die nächsten 20 Jahren nix ändern…
Aber sogar in Birma gibts Punkers:
(Da finden sich im Kontext noch ein paar mehr Links.)
Achso, habe ich vergessen, allerliebste und allerbeste Erklärbärin; wieso haben u.a. in dem Weltspiegel-Beitrag ungefähr 1/3 der Leute (m/w) so Zeichen im Gesicht, die irgendwie so aussehen, als ob die vergessen haben, sich die Sonnencreme breitzuschmieren? Henna ist anders und auch dann ausgefeilter…
Liebste Hugoline, eine Suchmaschine Ihrer Wahl wäre auch Ihr Freund, aber Sie haben sich bestimmt beim Schreiben des letzten Kommentars stark überanstrengt, weswegen ich Ihnen selbstverständlich gern zu Diensten bin-> Thanaka
https://de.wikipedia.org/wiki/Thanaka Gibts auch auf Deutsch ;) .
Danke und ich bitte um Entschuldigung liebe Dame; „Sonnencreme Birma“ hat bei einer bekannten Suchseite wirklich funktioniert!
Aber mal ab von Schönheitsgeschichten; können die Kids von denen wenigstens in die Schule, bezahlen die als „Staatenlose“ trotzdem Steuern, wovon leben die überhaupt, wenn Grund und Boden desöfteren weggenommen wurde???
(Ja, da gibts bestimmt Artikel in Mandarin oder Arabisch, verstehe ich beides nicht ;) .)
Im ersten Kommentar ist die m.W. umfassenste Untersuchung der Lebensumstände der Rohingya von-> Fortify Rights verlinkt. Das Arakan Project untersucht die schon einige Jahre länger und spricht von massiver Unterprivilegierung bei der Bildung auch schon vor den Pogromen 2012, von dem gibt es aber nichts so Griffiges im www.
So weit ich weiß, können die Kinder theoretisch bis zur 11. Klasse zur Schule gehen, danach ist seit 2012 Ende mit Bildung. Falls es eine Schule gibt, falls sie nicht völlig überfüllt ist (bei Al Jazeera ist von 90 Kindern pro Klasse die Rede) und falls die Kinder nicht mit zum Familieneinkommen beitragen und arbeiten müssen. Wie es sich mit Grundsteuern in Myanmar verhält und ob die Rohingya andere direkte Steuern zahlen, keine Ahnung. An Artikel in Mandarin und Arabisch glaube ich jetzt nicht so, aber in der englischsprachigen Presse gibt es öfter mal welche…;-)… Bitte verzeihen Sie, daß beim Guardian, BBC, NYT, The Irrawaddy und sonstwo kein Deutsch gesprochen wird^^ Englisch läßt sich lernen und ausbauen, indem man’s gelegentlich hört, liest oder spricht…;-)… notfalls gibt es Übersetzungsmaschinen, denen man wenigstens den groben Inhalt eines Textes entnehmen kann.
Al Jazeera-> Myanmar’s Rohingya deprived of education:
„The Arakan Project said that more than 60 percent of Rohingya children aged 5 to 17 have never been to school, citing poverty and a lack of buildings as key reasons.“!
2/3 der Kids sehen nie eine Schule von innen, und wenn das andere Drittel da ist, dann brauchen die auch nen Regenschirm. K.A. ob des jetzt die richtige Übersetzung ist, schlimm ist es!!!!!
Fairerweise muß man festhalten, daß in ALLEN armen Ländern Kinder arbeiten, um zum Familieneinkommen beizutragen. Die Situation der Rohingya-Kinder ist eine Mischung aus allgemeiner Armut plus ihrer von der Regierung herbeigeführten Situation als Staatenlose, nämlich noch mehr Armut und der Ausschluß von Bildung, medizinischer Versorgung, Freizügigkeit und generell vom Recht, Rechte zu haben.
Man täte Kindern in armen Ländern keinen Gefallen, würde man ihnen jeden Beitrag zum Familieneinkommen verbieten. Entscheidend ist die Art der Arbeit und die gesicherte Möglichkeit zu Bildung und auch zu frei verfügbarer Zeit. Man sollte sich dabei gelegentlich klar machen, daß die heutige Idee von Kindheit in den reichen Ländern noch nicht sehr alt ist, existiert erst seit der französischen Revolution.
Was gescheit bezahlte Kinderarbeit angeht, dem stimme ich zu. Ich denke, die paar Pfennige sollten die Kids aber nicht dafür hinlegen, daß die jeden Tag ne Schale Reis mit Gemüse futtern können!
Sondern für Bücher, Spielzeug und auch mal eine Tüte Bonbons!!!
Das durchschnittliche Jahreseinkommen in Birma/Burma/Myanmar liegt bei 900 $, das ist 2,46 $ pro Tag.
K.A. wie das berechnet wird, obs für alle Einwohner incl. Kinder gilt etc.pp., aber da mach ich mich selber schlau allerliebste und allerbeste Erklärbärin ;) . Die haben aber noch zu einem großen Teil Selbstversorgung, die monetär wohl nicht einberechnet wird.
Leider werden wir das nicht mehr erleben, daß die UNO demokratisch legitimiert ist. Da könnten die Leute ihr Recht, Rechte zu haben irgendwo einklagen!!! Enteigung, Recht auf Bildung, medizinische Versorgung et. pp. .
Tschuldigung, „n“ vergessen oops.
https://de.wikipedia.org/wiki/%C3%84quivalenzeinkommen (englische Quellen suche ich, wenn ich Zeit und Lust zum Übersetzen habe, selbst bei wikipedia bockt die allseits bekannte Suchseite)
„Bei der aktuellen Skala wird für den ersten Erwachsenen im Haushalt – der Person mit dem höchsten Beitrag zum Haushaltsnettoeinkommen − ein Gewicht von 1,0 zugeordnet, weiteren Erwachsenen und Jugendlichen (ab 14 Jahren) ein Gewicht von 0,5, und jedem Kind (unter 14 Jahren) ein Gewicht von 0,3 (50 Prozent respektive 30 Prozent eines alleinstehenden Erwachsenen).
So hätten in einem Haushalt mit einem Verdiener mit 40.000 € Jahreseinkommen, einem Verdiener mit 15.000 € und zwei schulpflichtigen Kindern (15 und 13) alle vier Personen jeweils ein Jahres-Äquivalenzeinkommen von 55.000 € ÷ 2,3 ≈ 24.000 €, also in etwa den (einkünftebezogenen) Lebensstandard eines Alleinstehenden mit gut 24.000 € Jahreseinkommen.“
Aus 55.000 werden mal schnell 96.000. Oder aus 900 514,irgendwas, und das Scheißhaus teilen die sich auch noch mit dem halben Dorf!!!!
New York Times-> Ending the Horror of Myanmar’s Abuse of Muslims
Tauseef Akbar, The Diplomat: Myanmar and the ‚War on Terror‘