Mehr Staatsversagen

lageso

Auf Anfrage von Christoph Lauer legte der Berliner Senat heute offen, daß Anfang August zwar null Infrastruktur zur Versorgung der vor dem LaGeSo wartenden Flüchtlinge für nötig befunden wurde, wohl aber 12 Polizisten in Zivil.

Danke, Herr MüllerHenkelCzaja, für die Unmißverständlichkeit Ihrer Prioritäten.

WTF?

13 Kommentare zu „Mehr Staatsversagen

  1. Julian Zwingel/Blogrebellen-> WTF: Berliner Senat schickte Zivilpolizisten statt Ersthelfer an das LaGeSo

    Der Senat versorgte Kriegsversehrte, kranke Menschen und Kinder erst Wochen später und nach massivem öffentlichen Druck. Bis heute leisten Berliner Ehrenamtliche an vielen Stellen große Teile der Arbeit, die eigentlich Aufgabe des Staates ist.

    An dieser Stelle käme jetzt normalerweise ein vollkommen gerechtfertigter Rant gegen den Berliner Senat, seine Unfähigkeit und die Dreistigkeit der Berliner Sicherheitsbehörden.

  2. Süddeutsche, Carolin Emcke-> Macht

    Chinesische Weisheit unterscheidet fünf Zustände des Begreifens“, schreibt die kanadische Dichterin Anne Carson in ihrem klugen Buch über die „Anthropologie des Wassers“: „Etwas ist anders. Etwas ist genau gleich. Etwas ist fast genau gleich. Etwas ist fast genau nur das, was es ist, und nichts anderes. Etwas ist.“ Ein Ding lässt sich betrachten, indem man es ins Verhältnis setzt zu einem anderen, indem seine Eigenschaften verglichen werden mit den Eigenschaften von einem anderen Ding.

    Dann tauchen Unterschiede auf oder Übereinstimmungen. Oder es tauchen Ähnlichkeiten auf. Es ist anders. Es ist genau gleich. Es ist fast genau gleich. Ein anderer Zustand des Begreifens ist der, der ohne Vergleich auskommt. Der keine Gemeinsamkeiten oder Differenzen zu erkennen sucht. Etwas ist.

    Es ist dieser letzte Zustand des Begreifens, der, der ohne Vergleiche auskommt, der sich in der überwältigenden Bewegung der Hilfsbereitschaft für Geflüchtete in Deutschland zeigt. All die Menschen in diesen Tagen, auf dem Land oder in der Stadt, die geben und teilen, was sie haben: Kinderwagen oder Turnschuhe, ein Bett in der eigenen Wohnung oder einen Platz am Tisch zum Abendessen, all diese Menschen suchen keine Gemeinsamkeiten oder Differenzen. Sie begutachten nicht einzelne Eigenschaften derer, die da nach Europa, in die eigene Gegend oder Straße kommen, sie teilen die Menschen nicht ein oder auf in jene, die genau gleich oder fast genau gleich oder anders sind als sie selbst. Der bewegenden Hilfsbereitschaft, die in diesen Wochen zu erleben ist, liegt ein anderer Blick, eine andere Sorte des Begreifens zugrunde. Sie nehmen die Geflüchteten als das, was sie sind: Geflüchtete.

    Dieses tiefe Begreifen ist bedingungslos. Es sortiert nicht die Guten ins Töpfchen, die Schlechten ins Kröpfchen, es entzieht sich jener skalierenden Musterung, nach der „legitime“ von „illegitimen“, „nützliche“ von „schädlichen“ Ankömmlingen geschieden und bei Bedarf dämonisiert und entwertet werden. Es versteht vielmehr Verletzbarkeit als condition humaine: ob es nun politische Verfolgung oder religiöse Vertreibung, sexuelle Misshandlung oder ökonomische Verelendung war, die Menschen zur Flucht gedrängt hat. Nicht die Quantität derer, die hierher fliehen, ist historisch zu nennen, sondern die Qualität der Zuwendung derer, die sie anerkennen.

    Ziviles Engagement füllt das Vakuum, das die Politik hinterlassen hat

    Diese Hilfsbereitschaft widersetzt sich allen zynischen Versuchen, sie als bloß emotional, als bloß gut zu infantilisieren – als sei aufgeklärter Humanismus eine Kinderkrankheit und nicht eine reflektierte, vernünftige Überzeugung. Diese Bewegung aus zivilem Engagement für Geflüchtete zeigt sich vielmehr als so rational wie dissident. Rational, weil sie mit ihrer solidarischen Praxis reagiert auf die gleichgültige Haltungslosigkeit der politischen Repräsentanten, und weil sie jenes politische Vakuum füllt, das diese in Europa kreiert haben.

    Rational auch, weil sie sich dabei an dem orientiert, was in der europäischen Tradition der Menschenrechte verbrieft und am Arbeitsmarkt geboten ist. Dissident, weil sie sich der dominanten Logik der Abwehr verweigert, und jene Allianz aus rechten Hetzern, bürgerlichen Gutheißern und taktischen Opportunisten unterläuft. Dissident auch, weil sie sich jenem verstümmelten Begriff des Politischen widersetzt, der Macht allein in staatlichen Institutionen verortet. Diese beeindruckende Bewegung aus zivilem Engagement ist keineswegs nur privat. Sondern sie ist in ihrer Selbstermächtigung auch politischer als manche Regierung, die ihre angebliche Ohnmacht in der Flüchtlingskrise nur vortäuscht.

    „Macht entspricht der menschlichen Fähigkeit, nicht nur zu handeln und etwas zu tun“, schrieb die Philosophin Hannah Arendt 1970 in „Macht und Gewalt“, „sondern sich mit anderen zusammenzuschließen und im Einvernehmen mit ihnen zu handeln.“

    ff.

  3. Staatsversagen auf ungarisch

    Michaela Spritzendorfer-Ehrenhauser war gemeinsam mit Klaus Kufner und Ilse Lahofer in der Nacht von 09. auf 10. September im Flüchtlingslager Röszke 1, um Hilfsgüter zu liefern. Sie hat erschütternde Fotos und Bilder mitgebracht.
    Die Spannbreite der Eindrücke über Röszke reichen von der beinstellenden Kamerafrau über Pfefferspray Angriffe durch die Polizei bis hin zu diesen Bildern aus dem Flüchtlingslager Röszke, das seit rund 3 Jahren existiert. Die Menschen, die es in die Halle geschafft haben sind bereits „privilegiert“ im Vergleich zu jenen, die in Zelten oder im Freien übernachten müssen.
    Essensausgabe ca 20h im ungarischen Flüchtlingslager Röszke an der serbisch-ungarischen Grenze. Ca. 300 Menschen versuchen in Plastiksackerl verpackte Wurstsemmeln und Wasserflaschen zu fangen, die von den Polizisten mit Mundschutz in die Menge geworfen werden. Frauen setzen ihre Kinder auf die Absperrung in der Hoffnung, das Essen direkt überreicht zu bekommen oder sitzen mit ihren Kindern auf den verdreckten Matten und warten bis ihnen jemand ihre Ration bringt. Es gibt keine medizinische Versorgung, zwei ehrenamtliche Sanitäter des ungarischen Roten Kreuzes sitzen und warten in einem leeren Raum im ersten Stock auf Notfälle. Auskunft über die Situation im Lager dürfen sie nicht geben. Der Krankenwagen kann jedoch für Notfälle gerufen werden. Im Sanitätsraum steht lediglich ein kleiner runder Tisch mit 3 Stühlen und Decken. Am Schreibtisch liegen Pflaster, 2 Küchenrollen und ein Stethoskop. Entlang der Wand sind eineinhalb Packungen Klopapier und einige Windelpackungen.
    Einzelne Menschen versuchen in Kontakt zu treten und halten Pässe oder Schilder mit Telefonnummern und Namen von vermissten (ein Vater sucht seinen 14-jährigen Sohn, der von der Polizei mitgenommen wurde) in die Kamera, in der Hoffnung, dass die Welt nicht wegsieht und ihm hilft! Das Lager existiert seit rund 3 Jahren, seit Anfang Juli hat der Flüchtlingsstrom stark zugenommen. Innerhalb von 3 Monaten war es im Lager offensichtlich nicht möglich eine Essensausgabe menschengerecht zu organisieren.

    Eine normalerweise sehr gut informierte Quelle sagte mir eben am Telefon, daß die ungarische Staatsanwaltschaft bereits ermittelt. Nein, nicht gegen die Lagerverwaltung und die Polizisten, sondern gegen Michaela Spritzendorfer-Ehrenhauser, Klaus Kufner und Ilse Lahofer. Link wird nachgereicht, sobald ich was dazu finde.

    Süddeutsche-> Wie die ungarische Polizei Flüchtlinge versorgt
    BBC-> Migrant crisis: People treated ‚like animals‘ in Hungary camp
    Guardian-> Refugees forced to scramble for food by police in Hungary

    Um sich aber nicht auf Ungarn allein einzuschießen, das üble Beispiel Spanien-> Die große Flüchtlings-Heuchelei
    Dazu schweigt die Kanzlerin und unterstützt damit Tötungen und „heiße Abschiebungen“, nachträglich legalisiert durch das Ley Mordaza..

  4. Flüchtlinge in Berlin-> Kinder wurden von der Polizei aus der Klasse geholt

    Gegen 11 Uhr standen plötzlich Polizeibeamte in Zivil im Sekretariat der Schule. Gänzlich unangekündigt. Sie baten die zuständige Lehrerin und die Schulleitung, drei Geschwisterkinder bosnischer Herkunft umgehend aus einer Willkommensklasse herauszuholen. Grund: Die beiden sollten mit ihrer Familie sofort abgeschoben werden. So geschehen am vergangenen Mittwoch in der Reinickendorfer Grundschule „Am Fließtal“.

  5. Staatsversagen im Amt: Bundespolizei, Ausländerbehörden und BAMF haben keine Datenschnittstelle. Akten werden zwei Mal händisch angelegt, ansonsten schreibt man sich Faxe und Briefe, die Bundespolizei kann immerhin schon mailen. Statt die benötigte Software für die XML-Schnittstelle – damit Beschleunigung von Asylverfahren – zu kaufen, wird erstmal eine Machbarkeitsstudie angestrengt, von der im November mit Ergebnissen zu rechnen ist.

    Glauben Sie nicht? Ist wahr: gestern, Deutschlandfunk-> Registrierung von Asylsuchenden: Probleme beim Datenaustausch zwischen BAMF und Bundespolizei

    Uli Blumenthal: So wurde vor Wochenfrist von verschiedenen Zeitungen berichtet, dass Datensätze der Bundespolizei nicht direkt in die elektronischen Akten des Bundesamtes übernommen werden können, sondern erst einmal neu eingetippt werden müssen. Was ist los mit der Informationstechnik im BAMF, Peter Welchering?

    Peter Welchering: Das BAMF arbeitet seit 14 Jahren mit elektronischen Akten. Dafür ist ein eigens Dokumentenmanagementsystem für Asylverfahren entwickelt worden. Und seit im Juni 2005 zwischen der Leitung des Bundesamtes und dem Personalrat eine Dienstvereinbarung über dieses Maris genannte System abgeschlossen wurde, ist das auch kontinuierlich weiterentwickelt worden. Also, das BAMF setzt moderne Informationstechnik ein.

    Blumenthal: Aber die Zusammenarbeit mit den Polizeibehörden lässt ja zu wünschen übrig, wenn da zum Beispiel Datensätze mit Stammdaten von Asylsuchenden neu eingetippt werden müssen?

    Welchering: Nicht nur die Zusammenarbeit mit den Polizeibehörden, auch die Zusammenarbeit mit vielen Ausländerbehörden der Städte und Landkreise, bei denen ich mich umgehört habe. Da werden Stammdaten per Fax oder Brief hin- und hergeschickt. Die Bundespolizei kann sogar schon mailen. Das Problem sind die Schnittstellen. Das sagt Tobias Plate, Pressesprecher BMI: „Das System wurde ursprünglich nur für das amtsinterne Asylverfahren eingesetzt“. Und er schreibt weiter: „Externe Schnittstellen sind nur sehr aufwendig zu implementieren.“

    Blumenthal: Und wie groß ist der Aufwand, solche Schnittstellen zu programmieren, sodass die von der Bundespolizei erfassten Daten dann direkt in das Maris-System des BAMF eingespeist werden können?

    Welchering: Eigentlich lächerlich gering. Das sagen mir zumindest die Programmierer der Herstellerfirma. Denn Maris beruht auf einem offenen Dokumentenstandard, genauer die Extended Markup Language, kurz: XML. Die wird etwa im Verlagsbereich oder im Office-Bereich ganz breit eingesetzt. Schnittstellen, um Datensätze in ein XML-basiertes Dokumentenmanagement zu übernehmen, gibt es viele am Markt. Die müssen natürlich an die jeweiligen Installationen angepasst werden, aber das dauert ein paar Tage.

  6. Staatsversagen im Bundestag-> „Krieg gegen Schlepper“ – Bundestag beschließt verfassungs- und völkerrechtswidrigen Militäreinsatz

    Der-> Bundestagsbeschluss verweist darauf, dass die Bundeswehr aufgrund des Seerechtsübereinkommens und verschiedener Übereinkommen gegen die Schleusung von MigrantInnen den Einsatz durchführen könnte. Das ist unzutreffend. Ein-> juristisches Positionspapier des Forums Menschenrechte erklärt, dass die Schleusung von Ausländern allenfalls ein privates Strafdelikt sein könnte, das nicht durch die Bundeswehr verfolgt werden darf:

    „Die bisherigen internationalen Abkommen wie das „Zusatzprotokoll gegen die Schleusung von Migranten auf dem Land-, See- und Luftweg zum Übereinkommen der Vereinten Nationen gegen die grenzüberschreitende organisierte Kriminalität“ sehen lediglich strafrechtliche Maßnahmen gegen die Schleusung von Migrantinnen vor. (…) Kann man angesichts fehlender legaler Einreisewege für Flüchtlinge schon an der Sinnhaftigkeit der Kriminalisierung von Schleusungen zweifeln, so zeigen die Abkommen und die Umsetzung in deutsches Recht, dass keine militärischen, sondern alleine strafrechtliche Mittel gegen Schleusungen vorgesehen sind.“ „Indem Schleusung allenfalls ein privates Strafdelikt sein kann, wäre für einen entsprechenden Einsatz die Polizei verantwortlich. Für die Beteiligung deutscher Soldatinnen an militärischen Operationen ist Art. 87a Abs. 2 GG relevant, dem ein striktes Trennungsgebot zwischen militärischen und polizeilichen Einsätzen zu entnehmen ist. Auch das Bundesverfassungsgericht erkennt vor dem Hintergrund des Trennungsgebots ein Verbot für die Befassung einer Behörde mit Aufgaben, die mit ihrer verfassungsrechtlichen Aufgabenstellung nicht vereinbar sind. Deshalb darf die „Bundeswehr nicht in Maßnahmen gesendet werden, die im Schwerpunkt seeverkehrspolizeilichen Charakter haben.“

    Neben den verfassungsrechtlichen Bedenken, führt der Einsatz auch zu einer problematischen Verlagerung der Prioritäten. Die grüne Bundestagsabgeordnete Agnieszka Brugger hatte eine-> Anfrage zur Seenotrettung durch die Bundeswehr gestellt. Laut der Antwort der Bundesregierung retteten die Besatzungen der deutschen Marineschiffe im Zeitraum vom 7. Mai bis 18. September 2015 insgesamt 7263 Menschen aus Seenot, davon nur 1419 im Rahmen von EUNAFOR MED und 5844 in alleiniger nationaler Verantwortung. Die durch EUNAFOR MED eingesetzten Schiffe haben in diesem Zeitraum 1590 Menschen gerettet – eine marginale Zahl. Seitdem die EU-Mission Ende Juni gestartet ist retteten die deutschen Marineschiffe deutlich weniger Menschen, die-> Zahlen gingen rapide zurück.

    Diese falsche Prioritätensetzung bestätigt die Mannschaft der Seawatch, die privat Flüchtlinge im Mittelmeer retten: „Während zivile Organisationen mit ihren Schiffen regelmäßig aktiv nach Flüchtlingsbooten suchen, die oftmals gar nicht in der Lage sind, selbst einen Notruf abzusetzen, sucht man die Schiffe der Marine hier meist vergeblich. […] Seit die Schiffe der EU-Mission Eunavfor Med unterstellt sind, haben sie kaum noch jemanden gerettet oder überhaupt aktiv nach Seenotfällen gesucht.“

    Dabei liegt die Alternative zur Militäroperation auf der Hand: Statt Schleuser militärisch zu bekämpfen muss die EU dringend in Libyen festsitzende Flüchtlinge und Migranten evakuieren und Flüchtlingen die legale Einreise in die EU ermöglichen. Dazu ruft unter anderen auch aktuell die Organisation Ärzte ohne Grenzen in einem-> Video auf, das eine ihrer Rettungsaktionen im Mittelmeer zeigt: „Es müssen angemessene Fluchtwege geschaffen werden. Das kann nicht so weitergehen.“

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